Zell, im Advent 2017
Die Sehnsucht ist der Anfang
von allem.
Der blaue Himmel, das endlose
Band einer Straße –
der Mensch sieht ein Sinnbild
des Lebens darin.
Immer ist im Herzen
Raum für mehr, für Schöneres, für Größeres.
Immerfort sich hinstrecken
auf ein Kommendes –
das ist des Menschen Größe
und Not.
Sehnsucht nach
Verstehen, nach Freundschaft, nach Liebe.
Und wo Sehnsucht sich
erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf:
dass es so bleibe, dass es
nicht vorübergehe.
Fing nicht auch deine
Menschwerdung, Gott,
mit dieser Sehnsucht nach dem
Menschen an?
So lass nun unsere
Sehnsucht damit anfangen, dich zu suchen,
und lass sie damit enden,
dich gefunden zu haben.
unbekannt
Liebe Besucher meiner
Internetseite,
„Alles beginnt mit der Sehnsucht“,
schreibt die jüdische Dichterin Nelly Sachs. Ich höre darin
die Ermutigung, meiner Sehnsucht mehr auf die Spur zu
kommen, ihr mehr Achtsamkeit zu schenken, ihr mehr Raum zu
geben.
Ein Mensch, der seiner
Sehnsucht nachspürt und ihr Raum gibt, ist für mich ein
adventlicher Mensch.
Allerdings, was Nelly Sachs
schreibt, können auch wir immer wieder erfahren: „Wo
Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf.“
Der Mensch ist ein Ungeheuer
an Sehnsucht, einer Sehnsucht, die letztlich hier auf Erden
nie ganz und nie für immer befriedigt werden kann.
„Die Welt ist eine Nummer zu klein geraten“,
mein Kurt Tucholsky, „um die unendliche Sehnsucht eines
Menschen stillen zu können.“
Und Friedrich Nietsche sagt: „Alles Glück
will Ewigkeit, will tiefe,
tiefe Ewigkeit“
Augustinus bringt das gleiche
in einem berühmten und oft zitierten Gebet folgendermaßen
zum Ausdruck: „Unruhig ist unser Herz bis es Ruhe
findet in dir, o Gott.“
Ich finde es überaus
tröstlich und sehr hoffnungsvoll, dass es auch die andere
Bewegung und Richtung gibt, die wiederum Augustinus kurz und
bündig in die Aussage zusammenfasst: „Gottes Sehnsucht
ist der Mensch.“
Und Theresia von Avila meint: „Niemals hat ein Mensch so sehr nach
irgendetwas begehrt, wie Gott danach begehrt, beim Menschen
zu sein.“
So fragt auch Nelly Sachs
gegen Ende ihrer Zeilen:
„Fing nicht auch deine
Menschwerdung, Gott, mit der Sehnsucht nach dem Menschen an?"
Gott sehnt sich nach mir.
Gott sehnt sich danach, den Menschen zu lieben.
Das feiern wir an Weihnachten:
Die Liebe Gottes, die in Jesus, seinem Sohn, ein
menschliches Gesicht und im Kind von Betlehem gleichsam Hand
und Fuß bekommen hat.
„Du
Herr,
steigst hernieder zu uns,
du lässt dich anfassen
und bleibst doch unfasslich,
unendlich.
Du bist unendlich,
um unserer Sehnsucht
ein ewiges Ziel zu sein.
Du Herr,
bist die Unendlichkeit,
die ich ersehne,
in all meinen Sehnsüchten.“
Nikolaus von Cusanus
Von Herzen wünsche ich Ihnen
allen ein frohes und gnadenreiches Fest der Geburt Christi
sowie ein gutes und von Gott gesegnetes Neues Jahr!
Pater Pius
|