19. Januar 2022
„Durchwachsen. Das
trifft es wohl am besten“
BR.
PIUS KIRCHGESSNER BIETET EXERZITIEN-KURSE AN, DIE WEGEN CORONA IN
LETZTER ZEIT KAUM STATTFANDEN. WAS DEN KAPUZINER BESCHÄFTIGT, WAS ER VON
ONLINE-EXERZITIEN HÄLT UND WAS ER SICH VON 2022 WÜNSCHT, LESEN SIE IM
INTERVIEW.
Bruder Pius, wir
gehen ins dritte Corona-Jahr. Wie geht es Ihnen?
Wenn
ich „gut“ sagen würde, wäre es übertrieben, „schlecht“ aber auch nicht.
„Durchwachsen“. Das trifft es wohl am besten. Froh und dankbar bin ich,
dass unsere Kapuziner-Gemeinschaft hier in Zell, meine Mitbrüder und
ich, bisher von Corona und Quarantäne verschont geblieben ist.
In dieser Zeit gab
es bei den Corona-Regeln ein Auf und Ab. Wie stark waren die von Ihnen
angebotenen Exerzitien, also geistliche Übungen, in Zell betroffen?
Sehr
unterschiedlich. In Lockdown-Zeiten haben in unserem „Haus der
Begegnung“ natürlich keine Kurse stattgefunden. Auch meine
Exerzitien-Angebote hier in Zell, aber auch auswärts, sind ausgefallen.
Ab Juni 2021 konnten dann wieder – unter Beachtung der
Vorsichtsmaßnahmen und Hygieneregeln – Kurse durchgeführt werden. Seit
Ende November 2021 bis zum jetzigen Zeitpunkt haben jedoch keine
Exerzitien oder andere Kurse stattgefunden. Wann dies wieder möglich
sein wird, ist im Moment ungewiss.
Nicht nur aufgrund
der Vorschriften kommen weniger Teilnehmer. Viele Menschen haben auch
Sorgen, und melden sich gar nicht an.
So ist
es! Eigentlich könnten Exerzitien im Haus der Begegnung stattfinden. Wir
haben ein gut ausgearbeitetes Hygienekonzept, das sich auch bereits
bewährt hat. Aber potentielle Interessenten sind derzeit – angesichts
der Corona-Situation – überaus vorsichtig und melden sich, wenn
überhaupt, nur sehr zögerlich und spärlich an.
Wenn etwas
stattfand, was nehmen Sie an Sorgen und Ängsten der Teilnehmer wahr?
Wegen
der Pandemie haben leider seit fast zwei Monaten keine Kurse mehr
stattfinden können, so dass ich aktuell keine unmittelbare Wahrnehmung
habe. Zuvor, zum Beispiel bei den Einzelexerzitien über Allerheiligen,
hat die Corona-Situation kaum eine Rolle gespielt. Da standen andere,
persönliche Lebensthemen im Vordergrund.
Können „Online“-Exerzitien ein adäquater Ersatz sein?
Meines
Erachtens nein.
Warum nicht?
Exerzitien sind kein Bibelseminar oder eine andere
Fortbildungsveranstaltung. Es geht nicht um Wissensvermittlung,
jedenfalls nicht in erster Linie. Exerzitien sind Geistliche Übungen,
wobei es hauptsächlich darum geht, das eigene Leben aus der Perspektive
des Wortes Gottes in den Blick zu nehmen und von daher neu formen zu
lassen. Exerzitien sind Tage des Gebetes und der Meditation. Wesentlich
ist eine Atmosphäre der Stille und des Schweigens. Stille und Schweigen
nicht als Selbstzweck, sondern als Nährboden für eine gesunde
Selbstfindung und als Vorrausetzung für ein aufmerksames Hören auf
Gottes Wort.
Und das ist online
schwieriger?
Ja,
genau. Das ist nach meiner Erfahrung und nach meinem Dafürhalten bei
Online-Exerzitien nicht ohne weiteres möglich oder gewährleistet.
Online-Exerzitien sind bestenfalls „Exerzitien im Alltag“. Besser als
nichts. Aber ein adäquater Ersatz für zum Beispiel
Meditationsexerzitien, kontemplative Exerzitien oder Einzelexerzitien,
mit durchgängigem Schweigen, räumlicher Distanz zum sonstigen
Lebensumfeld wie Familie, Arbeit, Hektik, Lärm, und Betriebsamkeit,
können sie meines Erachtens nicht sein.
Was erhoffen Sie
sich von 2022?
Ich
hoffe und wünsche sehr, dass die in meinem Jahresprogramm
ausgeschriebenen Exerzitien und sonstigen Angebote bald wieder starten
können. Im Bild gesprochen: Ich sitze in den Startlöchern und scharre
mit den Füssen.
Vielen Dank für das
Gespräch!
Interview:
Tobias
Rauser, Leiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen
Kapuzinerprovinz
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