Erwacht und singt
in der Nacht;
Es kommt das
göttliche Wort, der Sohn,
der Himmel und Erde
gemacht, vom Thron
in unsere Zeit und
Niedrigkeit.
Erhebt euch,
Menschen und gebt ihm Ehr‘,
der über das All
ward gesetzt,
dem Kyrios Christ,
der lebt im Jetzt
von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen
Stundenbuch
Der „Sonntag der Freude“
ist vorüber. Und nur noch wenige Tage sind es bis Weihnachten. Ich will
mich darauf vorbereiten. Dazu gehört auch die Weihnachtspost. Ich denke
an liebe Menschen in nah und fern, Menschen, die mir wichtig sind, mit
denen ich und die mit mir in Verbindung stehen. Ich durfte wieder viele
Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung erfahren. Dafür bin ich
sehr dankbar.
Einen großen und wichtigen
Schritt der inneren Vorbereitung auf Weihnachten zu konnte ich dieses
Jahr durch Exerzitien tun, die ich Anfang Dezember mitgemacht habe. Es
handelte sich um 8-tägige „kontemplative Exerzitien“ bei Pater Franz
Jalics SJ im Haus Gries bei Kronach in Oberfranken. Nachdem ich selbst
zwei Dutzend Exerzitienkurse in diesem Jahr gegeben hatte, sehnte ich
mich danach, selbst an Exerzitien teilnehmen zu können. Und ich spüre,
die Tage der Stille, des Schweigens, die umfangreichen und intensiven
Gebetszeiten (inneres Beten, Jesusgebet), längere Spaziergänge und
kleine Wanderungen in der ruhigen und schönen Umgebung des Frankenwaldes
und zu guter Letzt der Empfang des Bußsakramentes haben mir gut getan,
haben mich Erneuerung und Klarheit finden lassen, haben mich schöpfen
lassen an Quellen des Heiles, die in unserer Kirche so reichlich
fließen. Innerer Friede, große Ruhe und mehr Gelassenheit ist bei mir
eingekehrt. Ich möchte sie bewahren und versuche auch im Alltag wieder
neu in der Gegenwart Gottes zu leben.
Auch
ein Jahr neigt sich dem Ende zu. Wie uns alle, so hat auch mich der
11. September geschockt, ratlos und traurig gemacht. So etwas
Schreckliches haben wir lange nicht gesehen und erlebt. Mein Mitgefühl
galt und gilt Amerika und den Opfern. Ich finde es auch richtig und
wichtig, dass die für die Terroranschläge Verantwortlichen verfolgt, zur
Rechenschaft gezogen, verurteilt und bestraft werden. Gott sei Dank sind
übereilte panische Reaktionen und Kurzschlusshandlungen ausgeblieben.
Gleichzeitig bin ich besorgt über die militärischen Aktionen. Glauben
wir denn allen Ernstes, dass der Terrorismus nachhaltig durch Bomben und
Krieg besiegt werden kann, die immer auch viele Unschuldige treffen. Ich
bezweifle, ob das weltweite Terrornetz so zerstört werden und der Sumpf
des Terrorismus damit trocken gelegt werden kann. Oder ob damit nicht
neu Leid und Not und Tot hinzugefügt und neuer Hass erzeugt wird. Ich
glaube, diese Art Terrorismus hat viel tiefere Ursachen. Ich denke, er
hat auch zu tun mit den krassen Gegensätzen von Überfluss und Hunger,
reich und arm, Wohlstand und himmelschreiender Not. Es wird Zeit, dass
wir aufhören, diese Gegensätze zu verschärfen und die Gräben zu
vertiefen. Es wird Zeit der Unterdrückung und dem Elend ganzer Völker
ein Ende zu machen. Es wird Zeit, dass wir anfangen, einander Schwestern
und Brüder zu sein. Wir brauchen Gottes guten, Gottes heiligen Geist -
und müssen fest darum beten -, der uns hilft den Kreislauf des Bösen und
die Eskalation von Rache und Vergeltung zu durchbrechen, der uns hilft,
das Bewusstsein der Verantwortung füreinander zu stärken, der uns hilft,
die Möglichkeiten jenseits der Gewalt auszuschöpfen und alles zu tun,
was dem Frieden und der Versöhnung dient.
Martin Luther King hat einmal gesagt:
„Durch Gewalt tötest du den Hasser, aber du tötest nicht den Hass. Im
Gegenteil: Gewalt erzeugt nur noch mehr an Hass.
Nichts rechtfertigt den
Terror gegen Amerika, dem Symbol für die freie Welt. Aber muss sich die
freie Welt nicht schon fragen - müssen wir uns nicht fragen – was wir
mit dieser Freiheit gemacht haben und auf Kosten wovon wir unseren
Wohlstand leben? Die Zwillingstürme des World Trade Centers sind nicht
gerade Symbole für eine gerechte Welt. Die Voraussetzung für Frieden
heute ist aber Gerechtigkeit. Gerechtigkeit schafft Frieden. Noch
einmal: nichts rechtfertigt Terror! Aber verstehen wir die Zeichen der
Zeit? Wir reden von Globalisierung und meinen uns selbst. Unsere Welt
zerbricht mehr und mehr in Habende und Habenichtse. Haben wir uns nicht
in falsche Sicherheiten versponnen? Kein Scheckbuch, keine Aktie, kein
Raketenabwehrsystem bewahrt uns vor dem Aufschrei der Armen, der Wut der
Entrechteten, dem Terror der Verblendeten.
Und noch etwas:
Ich halte es für falsch
und fatal, den Terrorismus zu einem typischen arabischen oder
islamischen Problem zu erklären. Nicht erst Bin Laden, die Al Qauida und
Komplizen haben die Welt verändert. Das Wurzelwerk des Hasses und der
Gewalt greift, meine ich, tiefer. Es dringt in die Seele jeder Kultur
und jedes Menschen. Wissen wir nicht um die Saatkörner der Gewalt und
Brutalität, die allenthalben auch in unserer Gesellschaft gesät werden?
Sind wir nicht alle anfällig und infiziert? Horrorfilme im Fernsehen,
Schlägereien auf dem Schulhof, nationalistische Pamphlete im Internet,
Kinderpornographie – die Liste ließe sich noch weiter fortführen - und
wir zucken die Schultern.
Hat
sich die Welt nach dem 11. September verändert? Haben wir uns verändert?
Oder sind wir nicht schon längst wieder zum alten Trott und zur
Tagesordnung zurückgekehrt? Werden wir Weihnachten ein wenig
nachdenklicher feiern? Der Weihnachtswunsch „Friede auf Erden“ hat in
diesem Jahr gewiss einen anderen Klang als in früheren Jahren.
Im Blick auf
Weihnachten kommt mir die Frage: Gelten die Worte der Engel nicht
gerade dieser friedlosen Welt, die sich (auch in Israel) so schwer tut
mit Frieden und Versöhnung? Gelten die Worte des Weihnachtsevangeliums
nicht gerade uns Menschen, die wir mit zahlreichen Spannungen und
Dunkelheiten um uns und in uns leben, uns Menschen, die wir von Kälte,
Enttäuschungen und vielfältiger Not gezeichnet sind? Und ist nicht Gott
selbst in seinem Sohn Jesus Christus genau da hineingekommen und
hineingegangen, wo wir leiden, schwach sind, Kälte und Dunkelheit
erleben, Angst und Not erfahren, um bei uns zu sein und unser Leben,
unser Schicksal mit uns zu teilen?
„S e h t d a , E u e r G o t t !
E r s e l b s t w i r d k o m m e n
u n d E u c h r
e t t e n !“ (Jes 15,5)
In
einem Hymnus des Stundenbuches stehen die Verse:
„Herr, du bist zur Welt gekommen,
hast sie in dich aufgenommen:
Dir
sei Lob und Dank!
Bliebest hier, wohnst in ihr,
um
ein armer Mensch wie wir
zu
sein.
Herr, so lass dein Werk gelingen,
lass den Geist die Welt durchdringen:
Dir
sei Lob und Dank!
Dann erblüht sie und glüht,
denn der ganze Himmel zieht herein.“
Am 24. Januar lädt Papst
Johannes Paul II. zu einem interreligiösen Treffen nach Assisi ein. Vor
15 Jahren hat der Papst zum ersten Mal Vertreter der Weltreligionen in
die Stadt des hl. Franziskus eingeladen, damals in der Zeit des kalten
Krieges, der Nachrüstung und Atombewaffnung in einer nach Blöcken
geteilten und Waffen starrenden Welt. Die Blöcke gibt es nicht mehr. Die
Waffen werden zum Teil verschrottet. Ein großer Krieg, der die ganze
Erde bedroht, ist unwahrscheinlich geworden. Aber es gibt viele, lokale
Kriegsschauplätze und die weltpolitische Lage ist nach wie vor
hochbrisant und nicht ungefährlich. Das haben uns die Ereignisse vom 11.
September gezeigt, das sehen wir in Palästina, im Sudan, im Kosovo und
vielen anderen Ländern, die wegen des alles in Bann ziehenden
Afghanistan in den Hintergrund getreten oder sogar in Vergessenheit
geraten sind.
Der Papst setzt ein
Zeichen. Er vertraut auf die Kraft des Gebetes. Mag er persönlich auch
noch so gebrechlich sein und körperlich leidend, nichtsdestotrotz ist er
voller Kraft im Verfolgen von Visionen und Zielen, die für die Welt
Hoffnung und Leben bedeuten.
Die
Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen,
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
Auch deine Angst und Pein.
Nun noch einige
Informationen zu mir selbst: Es geht mir gut. Auch nach dem
Provinzkapitel, das im Sommer stattfand und in dessen Folge es immer
eine ganze Anzahl von Veränderungen und Versetzungen gibt, darf ich
weiter in Bad Mergentheim bleiben und in der Exerzitienseelsorge tätig
sein. Das freut mich. Ende November habe ich für mein vieles
Unterwegssein auch ein neues Auto bekommen.
An einem ruhigen Abend
habe ich die bereits feststehenden Termine, Veranstaltungen, Geburtstage
usw. vom alten in den neuen Terminkalender übertragen. Mein
Jahresprogramm 2002 lege ich diesem Weihnachtsbrief bei. Ich möchte auf
unsere neue Telefonnummer, meine Durchwahl und Faxnummer, sowie
E-Mail-Adresse und Hompage hinweisen, die auf dem Jahresprogramm stehen.
Von dem Jesuitenpater
W. Ebersweiler stammt das Gebet:
„O wie tröstlich ist es
doch, bester Vater, dass du meinen Kalender für das kommende Jahr schon
längst und auf das Genaueste gemacht hast! So überlasse ich mich ganz
deiner gütigen Vorsehung und will nur eine Sorge haben: deinen
väterlichen Willen zu erkennen und zu erfüllen.“
Es gibt also beides:
meinen Terminkalender und den Kalender Gottes, mein Jahresprogramm und
das Programm Gottes. Ob unsere Termine und Programme übereinstimmen?
Wichtig scheint mir, dass noch genügend Platz und Wirkraum ist für Gott.
So Gott will, kann ich am
5. Oktober nächsten Jahres meinen 50. Geburtstag feiern. Im übernächsten
Jahr bin ich dann 25 Jahre Priester. Wie schnell doch die Zeit verrinnt!
Ich danke Gott und bin froh für alle seine Gaben und Wohltaten, für
seine große Güte und Liebe. Wie viel Gutes und Schönes bei allen Höhen
und Tiefen, die es auch gab, durfte ich erfahren und weitergeben! IHM
zur Ehre und vielen Menschen zum Segen will ich froh und bereit weiter
meinen Dienst im Weinberg des Herrn tun, zu dem ER mich berufen hat. Ich
erfahre es ständig neu, wie heilsam und hilfreich gerade auch die
Einzelexerzitien sind, die ich mit Vorliebe gebe. Mir scheint, die
Individualseelsorge wird heutzutage immer wichtiger, in einer Zeit, wo
sich der Glaube mehr und mehr in einer Diasporasituation bewähren muss.
Was bewegt mich sonst noch
oder ist mir wichtig geworden? Die Gewissheit der Gegenwart Gottes! Gott
ist da. Er ist mir näher als ich mir selbst. Das Wahrnehmen und
Verweilen in der Gegenwart Gottes in Gebet und Arbeit gewinnt immer
mehr an Bedeutung und Gewicht. Es gibt mir Halt und Kraft. Es heilt und
befreit. Es gibt Mut und Vertrauen.
Wir wollen füreinander
beten, dass die Feier der Menschwerdung unseres Herr und Gottes unseren
Glauben an Seine Liebe zu uns stärkt und uns mit Freude und Friede, mit
Kraft und Zuversicht erfüllt!
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