Was war das für ein Jahr!
Ein Jahr größter Herausforderungen, mit vielen Unsicherheiten und mit
machen Zumutungen. Hätte mir das vor einem Jahr jemand vorausgesagt, ich
hätte ihn für verrückt erklärt. Aber hat die Pandemie nicht vieles ver –
rückt und auf den Kopf gestellt? War nicht so vieles ganz anders als
sonst?
Kontaktbeschränkungen,
Abstandhalten, Mund- und Nasenschutz wurden obligatorisch. Kitas,
Schulen und Unis wurden geschlossen. Ich habe noch die Plakate mit dem
Regenbogen vor Augen: „Wir vermissen euch“. Auch Restaurants und
Geschäfte mussten zumachen. Manch ein Betrieb war in seiner Existenz
gefährdet, nah am Bankrott. Viele mussten um ihren Job bangen oder haben
ihn gar verloren. Für manche, z. B. Freiberufler, war dieses Jahr ein
regelrechtes Desaster.
Dann
die Besuchsverbote für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, überaus
schmerzlich sowohl für Bewohner als auch für Angehörige. Tausenden von
Menschen hier zu Lande – weltweit Hunderttausenden, ja Millionen – hat
die Pandemie das Leben gekostet. Ich sehe noch die Militärkonvois in
Bergamo wie sie haufenweise Särge abtransportierten, schreckliche
Bilder!
Ebenso
Ärzte und Krankenschwestern auf den Intensivstationen, total erschöpft
und völlig verzweifelt. Und so viele Feste und Veranstaltungen mussten
ausfallen! Begegnungen, körperliche Nähe, Händeschütteln, Umarmungen….
Vielen hat das gefehlt.
Dazu
die Angst, begründete Angst! Und die Einsamkeit! Gerade diese hat vielen
ganz arg zugesetzt und schwer zu schaffen gemacht. – Wer hätte das vor
einem Jahr gedacht! Nein, ein „normales“ Jahr war das nicht, wahrhaftig
nicht!
„Andra tutto bene“
– „Alles wird gut!“
So stand es im März auf Plakaten und Transparenten in Italien. „Alles wird gut!“
Woher
nahmen die Menschen ihre Hoffnung mitten im Elend, mitten im
Schlamassel, als noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen war? Woher
nahmen und nehmen wir die Hoffnung, dass es wieder hell wird, dass
wieder andere Zeiten kommen? Natürlich hoffen wir alle, dass das neue
Jahr besser wird als das alte.
Nun, liebe Mitchristen,
nach wie vor befinden wir uns in einem harten Lockdown. Kein
Gemeindegesang! Auch in diesem Gottesdienst nicht. Abstand, Maske,
beschränkte Teilnehmerzahl! Mancherorts gar kein Gottesdienst. – Heute
Nacht kein Feuerwerk, keine Silvesterparty. Von wegen „geht nicht,
gibt’s nicht“. In diesem Jahr ging so vieles nicht. Auf vieles
mussten wir verzichten! Vieles war und ist schlichtweg nicht möglich.
Gott sei Dank!
Die Impfungen haben begonnen. Licht am Ende des Tunnels! Aussicht auf
Normalität. Hoffen, dass das Zählen der Toten und Erkrankten irgendwann
mal aufhört. – Doch der Weg dorthin ist noch weit. Corona wird uns wohl
noch eine ganze Zeit lang begleiten. Keine Sternsinger, keine richtige
Fastnacht usw.. Was an Ostern sein wird, weiß noch kein Mensch.
„Bleib gesund!“
Und: „Pass gut auf dich auf!“
Das waren
oft gehörte Wünsche in diesem Corona-Jahr. – Ja, nichts ist
selbstverständlich! Was für ein Geschenk ist das Leben! Unbezahlbar. Und
was für ein hohes Gut die Gesundheit! Wir können viel dafür tun. – Wir
können überhaupt viel! Aber bei weitem ist nicht alles machbar. Wir
haben längst nicht alles im Griff. Das hat uns Corona gezeigt, dieses
klitzekleine, unsichtbare Virus, das von heute auf morgen die ganze Welt
aus den Fugen gebracht hat und immer noch in Atem hält.
Ob wir
aus den Erfahrungen dieses Jahres lernen? Ob wir demütiger werden,
bescheidener, zufriedener, gelassener?
Oder ob
wir weiter jagen und eilen, gieren und geizen?
Und nun, liebe Schwestern und Brüder,
stehen wir an der Schwelle eines neuen Jahres. Wie ist Ihnen zumute?
Wie blicken Sie auf dieses Jahr zurück?
Traurig, verbittert oder doch auch dankbar? Haben wir nicht auch allen
Grund zu danken? Gab es nicht auch so viel Gutes? Gab es vielerorts
nicht eine unerwartete Solidarität und eine große Hilfsbereitschaft? Gab
es nicht auch ganz viel Phantasie und Kreativität?
Und wie gehen Sie in das neue Jahr hinein?
Angstvoll oder vertrauensvoll? Pessimistisch oder optimistisch?
Unsicher, zweifelnd? Oder überwiegen Zuversicht und Hoffnung?
Eine andere Frage:
Wie will ich das neue Jahr beginnen? Ich für mich sage: Ich will
es mit Gott beginnen, in seinem Namen! Sie auch? Wahrscheinlich! Sonst
wären Sie heute Abend nicht hier, oder? In Gottes Namen! Im Hoffen auf
ihn, im Vertrauen auf ihn.
Liebe Mitchristen!
Das Vertrauen auf Gott, das Vertrauen auf seinen Schutz und Segen, soll
uns durchs neue Jahr begleiten. – Sagen Sie es selbst: War es
nicht der Glaube an Gott, der mir und Ihnen bei aller Krise des
Corona-Jahres – und bei allen anderen Sorgen und Nöten,
Widerwärtigkeiten und Schicksalsschlägen – Halt gegeben hat? Vertrauen auf Gott bei aller Erfahrung von Grenzen, bei aller
Erfahrung von Angst und Ohnmacht, bei aller Erfahrung von Unsicherheit,
Brüchigkeit und Verletzlichkeit des Lebens. Vertrauen, dass ER da
ist – auch in den Enttäuschungen, in den Prüfungen und Zumutungen des
Lebens, dass ER da ist auch in den Dunkelheiten und in leidvollen
Zeiten.
Von
einem chinesischen Christen stammt folgender Dialog:
Ich
sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand: „Gib
mir ein Licht, damit ich festen Schrittes in die Ungewissheit des neuen
Jahres gehen kann.“ – Aber er antwortete: „Geh hinein in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes.
Das ist mehr wert als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.“
Ja,
lassen wir uns von Gott an der Hand nehmen! Vertrauen wir uns ihm an.
Legen wir alles in seine Hände! Gottes Hände sind gute Hände und
heilende Hände.
Im Psalm 23 heißt es:
„Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht. Ich fürchte kein
Unheil, du bist bei mir!“
Der da betet
kennt die Finsternis und das Dunkel. Er kennt die Schlucht und die
Gefahren, die da drohen. Aber er hat keine Angst. Er vertraut. „Ich
fürchte kein Unheil“ sagt er. Der Grund: „Du bist bei mir!“
Ein wunderbares Wort. Mir macht das Mut. Mir gibt das Kraft. Was immer
auch kommt, was immer das neue Jahr bringt, die Gewissheit seiner
Gegenwart, die will ich mit hinüber nehmen ins neue Jahr. Mir immer
wieder bewusst machen „Du bist bei mir“ oder – wie Jesus selbst
sagt: „Ich bin bei euch alle Tage“. Die Gewissheit seiner
Gegenwart ist für mich Ermutigung, Trost und Licht und Hoffnung.
Ja, liebe Schwestern und Brüder,
wir können, wie der Jesuitenpater Alfred Delp in der Nazihaft
geschrieben hat: „Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht
allein zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt“.
Und Sie alle kennen das Wort von Dietrich Bonhoeffer. 14 Tage vor seiner
Hinrichtung bekennt er: „Gott ist mit uns am
Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag!“
In diesem Sinne
wünsche ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, und allen, die zu Ihnen
gehören, ein gutes und von Gott gesegnetes neues Jahr! – Viel Licht,
viel Kraft, feste Hoffnung und frohen Mut! Vor allem:
Gottvertrauen, Zuversicht aus dem Glauben! Seien und bleiben Sie behütet
und gesegnet! |