Einem Mitbruder ist folgendes passiert.
Er erzählt:
Es war auf einem Bahnsteig. Der Zug
musste jeden Moment einlaufen. Es regnete. Ein Betrunkener torkelte
daher, eine Bierflasche in der Hand. Irgendetwas redete er vor sich hin.
Dann wankte er auf mich zu und blieb vor mir stehen. Mit seiner Flasche
tippte er an meine Brust und fragte: Glaubst du an Gott? – Darauf war
ich nicht gefasst. Abends kurz vor sechs auf einem regennassen
Bahnsteig. Und der Zug sollte jeden Moment kommen. Ich hatte keine Lust,
mich mit einem Betrunkenen zu unterhalten. Und dann diese Frage! Sollte
das ein Witz sein?
Ich wollte nicht antworten. Es war
einfach peinlich. Die Leute gafften. Aber sein Gesicht war mir so nahe,
dass ich ihm nicht ausweichen konnte. Und dann antwortete ich doch ganz
spontan. Ich sagte nur: „Ja!“ Eigentlich wollte ich weiterreden, ihm
erklären, wie ich zu dieser Antwort komme. Wahrscheinlich hatte ich
Angst vor seiner Reaktion, dass er sagen würde: „Na, dann zeig ihn mir
doch mal!“ – Aber er wollte keine Erklärung. Er sagte nur: „Mensch, du
hast’s gut!“ – Erst in diesem Augenblick sah ich ihn richtig. Sein
Gesicht war müde und kaputt.
Liebe Mitchristen! Mensch, du hast’s gut, wenn du an Gott glauben kannst,
behauptet einer mit kaputtem Gesicht und wahrscheinlich ebenso
verkorkstem Leben.
Nachher im Zug hatte mein Mitbruder Zeit,
über diese Begegnung nachzudenken. Was mag dieser Mann für ein Schicksal
gehabt haben? Wie übel hat ihm das Leben wohl mitgespielt? Und Gott?
Vielleicht meint er damit etwas, das ihm fehlt, eine Grundlage, auf der
man stehen kann, ein Fundament, das trägt, ein Licht in der Dunkelheit,
ein Halt in Ausweglosigkeit, einen Wegweiser im Labyrinth des Lebens,
Sinn und Ziel.
Liebe Mitchristen!
Wir glauben nicht an ein fernes Wesen über den Wolken, sondern an einen
Gott, der uns liebt, der verzeiht und immer nahe ist. Diesen Gott feiern
wir heute. – Wer an ihn glauben kann, für den gilt in der Tat: „Mensch, du hast’s gut!“
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