geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Glaubst du an Gott?

(Kurzansprache zum Dreifaltigkeitssonntag)

 

Einem Mitbruder ist folgendes passiert. Er erzählt:

Es war auf einem Bahnsteig. Der Zug musste jeden Moment einlaufen. Es regnete. Ein Betrunkener torkelte daher, eine Bierflasche in der Hand. Irgendetwas redete er vor sich hin. Dann wankte er auf mich zu und blieb vor mir stehen. Mit seiner Flasche tippte er an meine Brust und fragte: Glaubst du an Gott? – Darauf war ich nicht gefasst. Abends kurz vor sechs auf einem regennassen Bahnsteig. Und der Zug sollte jeden Moment kommen. Ich hatte keine Lust, mich mit einem Betrunkenen zu unterhalten. Und dann diese Frage! Sollte das ein Witz sein?

Ich wollte nicht antworten. Es war einfach peinlich. Die Leute gafften. Aber sein Gesicht war mir so nahe, dass ich ihm nicht ausweichen konnte. Und dann antwortete ich doch ganz spontan. Ich sagte nur: „Ja!“ Eigentlich wollte ich weiterreden, ihm erklären, wie ich zu dieser Antwort komme. Wahrscheinlich hatte ich Angst vor seiner Reaktion, dass er sagen würde: „Na, dann zeig ihn mir doch mal!“ – Aber er wollte keine Erklärung. Er sagte nur: „Mensch, du hast’s gut!“ – Erst in diesem Augenblick sah ich ihn richtig. Sein Gesicht war müde und kaputt.

 

Liebe Mitchristen! Mensch, du hast’s gut, wenn du an Gott glauben kannst, behauptet einer mit kaputtem Gesicht und wahrscheinlich ebenso verkorkstem Leben.

Nachher im Zug hatte mein Mitbruder Zeit, über diese Begegnung nachzudenken. Was mag dieser Mann für ein Schicksal gehabt haben? Wie übel hat ihm das Leben wohl mitgespielt? Und Gott? Vielleicht meint er damit etwas, das ihm fehlt, eine Grundlage, auf der man stehen kann, ein Fundament, das trägt, ein Licht in der Dunkelheit, ein Halt in Ausweglosigkeit, einen Wegweiser im Labyrinth des Lebens, Sinn und Ziel.

 

Liebe Mitchristen! Wir glauben nicht an ein fernes Wesen über den Wolken, sondern an einen Gott, der uns liebt, der verzeiht und immer nahe ist. Diesen Gott feiern wir heute. – Wer an ihn glauben kann, für den gilt in der Tat: „Mensch, du hast’s gut!“