Das Fest heute ist eines meiner liebsten.
Und ich freue mich jedes Jahr aufs Neue
darauf.
Der Messias kommt in seinen Tempel.
Dort begegnet er dem alttestamentlichen
Gottesvolk.
Seine Vertreter sind der Greise Simeon
und die hochbetagte Prophetin Hanna.
Ein Leben lang haben die beiden in Geduld
und Treue nach dem verheißenen Retter Ausschau gehalten.
Dann geschieht es: Ihr Warten erfüllt
sich.
Im Tempel kommt es zur Begegnung mit
Maria und Josef und dem Jesuskind.
Simeon und Hanna erkennen in diesem Kind
den lang ersehnten Heilsbringer für Israel.
Und nicht nur für Israel, sondern den
Messias für alle Völker,
das Licht zur Erleuchtung der Heiden, den
Heiland der Welt.
Simeon nimmt das Kind liebevoll auf seine
Arme.
Und Hanna verkündet die Botschaft dieses
Kindes.
Doch zwischen die beiden Szenen mit
Simeon und Hanna, schiebt sich eine andere Episode.
Maria und Josef hören nämlich Simeon
prophetisch reden.
Sie vernehmen Worte, die ihnen
rätselhaft, ja unheimlich vorkommen mussten.
Was bedeuten diese Worte?
Was kommt an Schwerem auf sie zu?
Welches Schicksal erwartet ihr Kind?
Ihr Sohn soll ein Zeichen sein, dem
widersprochen wird.
Er wird die Gedanken der Menschen
offenkundig machen.
An ihm werden sich die Geister scheiden.
Der Gehorsam vor Gott, das ist der
Maßstab, den Jesus aufrichten wird,
den einen zum Fall, zum Sturz, den
anderen zur Auferstehung, zum Leben.
Wohlwollende oder distanzierte
Neutralität ist nicht vorgesehen.
Entschieden und konsequent wird Jesus
seinen Weg gehen.
Er wird die Botschaft Gottes in Wort und
Tat umsetzen.
Er wird nicht immer Gehör finden.
Er wird auch auf Verschlossenheit stoßen
und Ablehnung ernten.
Er wird in Konflikte geraten.
Aber er wird Konflikt und
Auseinandersetzung auch nicht scheuen.
Er wird mit einem hohen Anspruch
auftreten:
dass nämlich mit ihm und in ihm die
Herrschaft Gottes endgültig bei den Menschen ankommt.
Heilen am Sabbat: ein Skandal!
Vergebung von Sünden: Gotteslästerung!
Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und
Sündern: unerhört!
Jesus wird zum Stein des Anstoßes.
Der Widerstand nimmt zu. Die Zahl der
Gegner wächst.
Wie sehr bewahrheitet sich, was Simeon
prophezeit hat:
„Er wird ein Zeichen sein, dem
widersprochen wird.“
Merken wir, wie das Kreuz seinen Schatten
in die idyllische Szene im Tempel wirft?
Simeon hat das Kind auf seinen Armen. Er
spricht das Abendgebet seines Lebens.
Dann aber sieht er, was auf das Kind
zukommt, wenn es erwachsen ist.
Kein Leben auf Rosen gebettet!
Über weite Strecken ein steiniger Weg,
ein Weg, der zur Verurteilung führt und schließlich in die Passion.
Wie kein anderer Mensch wird die Mutter
Jesu mit hineingezogen in das Schicksal ihres Sohnes.
Auch das weissagt Simeon.
Es wird wehtun, zu erleben, wie sich die
Konflikte verschärfen.
Es wird wehtun, mit ansehen zu müssen,
wie der Widerstand gegen Jesus wächst.
Es wird wehtun zu sehen, wie man
versucht, ihn kalt zu stellen und aus der Welt zu schaffen.
All das wird besonders die Mutter
berühren.
All das wird Schmerz mit sich bringen.
Wie ein Schwert wird es das Herz der
Mutter durchbohren.
Das Bild der Pieta, Maria mit dem toten
Jesu auf ihrem Schoß, zeigt die Trauer und den Schmerz der Mutter.
Und gerade bei der Pieta, der
schmerzensreichen Mutter, haben Menschen aller Zeiten in ihren Leiden
und Nöten Trost gefunden, Kraft empfangen und Hilfe erfahren.
Doch Leid und Not und Tod haben nicht das
letzte Wort.
Im „Engel des Herrn“ beten wir:
„Führe uns durch sein Leiden und Kreuz
zur Herrlichkeit der Auferstehung“.
Auf uns alle wartet, was Maria schon
zuteil geworden ist: ewiges Leben, Leben im Licht und im Frieden, Leben
in der Seligkeit bei Gott.
Bitten wir Christus, dass er uns hilft,
ihm – wie Simeon – mit offenen Armen entgegenzugehen und uns immer neu
zu öffnen für seine Gegenwart.
Bitten wir, dass er uns hilft – wie Hanna
– seine Zeugen zu sein, weiter zu sagen und weiter zu geben, was wir
selber empfangen haben, was uns erfüllt und was uns glauben und hoffen
lässt.
Und bitten wir die Gottesmutter, dass wir
– wie sie – die Kraft haben auch in Leid und Schmerz unsere Liebe und
unseren Glauben in Treue durchzuhalten und in den Prüfungen und
Dunkelheiten unseres Lebens nicht zu verzagen, sondern unser ganzes
Vertrauen immer wieder auf Gott zu setzen.
„Auf dich, Herr, habe ich vertraut,
in Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.“ |