EVANGELIUM
Lasst beides
wachsen bis zur Ernte
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit
24erzählte
Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem
Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte.
25Während
nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging
wieder weg.
26Als
die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum
Vorschein.
27Da
gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen
auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?
28Er
antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm:
Sollen wir gehen und es ausreißen?
29Er
entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus.
30Lasst
beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu
den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es
zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Heute erzählt Jesus im Evangelium das
Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. Seit Matthäus das Evangelium
schrieb, war das schon immer eine drängende Frage: Warum gibt es auf dem
Acker Gottes das Unkraut? Woher kommt es? Wäre es für den allmächtigen
Gott nicht ein Leichtes, das Verdorbene, das Schlechte und Böse aus
seiner Schöpfung zu eliminieren, es auszumerzen?
Das gleiche gilt für die Kirche. Soll die Kirche
nicht eine Kirche aus Heiligen und Geheiligten sein? Sie ist aber – und das war
nie anders – nicht nur heilig, sondern auch sündig. Sie ist gleichzeitig eine
Gemeinschaft aus Heiligen und Sündern. Und in jedem Christenleben gibt es nicht
nur Weizen, sondern auch Unkraut, nicht nur Gutes, sondern auch Böses.
Und schon immer wurde gegen das Unkraut zu Felde
gezogen, um es zu jäten, auszureißen, auszumerzen und so klare Verhältnisse zu
schaffen.
Allerdings, oft wurde durch diese Aufräum- und
Säuberungsaktionen auch der Weizen Gottes furchtbar zerstört. Selten tun
Menschen einander so viel Übles und Schlimmes an, als wenn sie sich selbst zum
Richter erheben. Hysterie, Fanatismus und Radikalismus haben schon sehr viel
Unheil angerichtet und tun es auch heute noch.
Ausgerissen und zerstört ist schnell. Wie
mühselig aber ist Wachstum und Wiederaufbau!
Außerdem, wissen wir immer genau was Weizen und
was Unkraut ist? Und kann man wirklich das Schlechte und Gute so sauber
auseinanderhalten und haarscharf voneinander trennen?
Gibt es nicht Schlechtes auch bei den Guten und
Gutes bei den Schlechten?
Liegen gut und bös nicht oft ganz nah
beieinander? Oder sind gar ineinander verflochten und miteinander vernetzt?
Und gilt das nicht auch für uns selbst, für unser
Gutes und Böses, für unsere eigene Seele? Ein Blick ins eigene Herz genügt.
Denn, nicht nur in der Gesellschaft, nicht nur in
der Kirche weltweit, nicht nur in der Pfarrgemeinde vor Ort oder in der eigenen
Klostergemeinschaft bzw. Familie ist Unkraut unter dem Weizen. Unkraut, Dunkles,
Böses wächst auf dem eigenen Acker, im eigenen Herzen!
Sind z.B. Liebe und Großzügigkeit stets ganz
selbstlos? Sind Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft immer total uneigennützig?
Ist das Streben im Religiösen nach Vollkommenheit
immer frei von Eitelkeit? Wie oft sehen wir den Splitter im Auge des Bruders,
erkennen aber nicht den Balken im eigenen Auge?
Doch, was machen mit dem Unkraut? Wie damit
umgehen? Verharmlosen? Ist ja gar nicht so schlimm. Oder vergleichen, auf andere
zeigen? Die sind ja auch nicht besser. Oder Sündenböcke suchen, den schwarzen
Peter anderen zuschieben: der Gesellschaft, den Eltern, den Genen…? Oder das
Unkraut hinnehmen? Fünf gerade sein lassen? Es ist wie’s ist. Ich bin halt so.
Da kann man nichts machen.
Natürlich gilt es immer wieder an sich zu
arbeiten. Und doch machen wir immer wieder die ernüchternde Erfahrung, wie
hartnäckig die Unvollkommenheit uns begleitet und wie sie sich einfach nicht
abschütteln lässt.
Das Gute und Reine mögen unsere Ideale sein,
tatsächlich bleiben uns aber immer nur Annährungen. Bei allem guten Willen und
bei aller Anstrengung bleiben wir immer wieder hinter dem, was wir uns
vorgenommen haben oder was uns aufgetragen ist zurück.
„Der, der ich bin, grüßt traurig den, der ich
könnte sein.“
Nach dem Sündenbekenntnis bei der Beichte, so
wurde uns als Kindern beigebracht, sollten wir sagen: „Diese und alle meine
Sünden sind mir von Herzen leid. Ich will mich ernstlich bessern und bitte um
Buße und Lossprechung.“
Was ist aber aus der Bereitschaft, sich zu ändern
und sich zu bessern geworden? Wie schwer fällt das uns! Oder der feste Vorsatz,
nicht mehr zu sündigen? Ist das überhaupt möglich?
Bei der nächsten Beichte waren es wieder die
gleichen Sünden, die gleichen Fehler und Schwächen, die man zu bereuen und zu
bekennen hatte. Und so ist es heute – zig Jahre nach der Erstbeichte – immer
noch.
Nochmals, wie mit dem Unkraut im eigenen Herzen
umgehen? Wie ihm bei kommen? Wie seiner Herr werden?
Es bekämpfen? Es mit Stumpf und Stiel auszurotten
versuchen? Wem gelingt das? Und was bringt das?
Müssen wir mit dem Unkraut leben lernen, uns
damit arrangieren, es resignierend hinnehmen?
Im Verlauf von Einzelexerzitien gibt es auch die
Umkehrphase.
Dabei sage ich als Begleiter dem Exerzitanten
gern folgendes:
Beschäftige dich nicht zu sehr mit deinen Fehlern
und Schwächen, deinen schlechten Neigungen und Erbärmlichkeiten, um von ihnen
loszukommen! Damit erhält das Dunkle und das Gift nur noch mehr Gewicht. –
Besser ist es, sich Gott zuzuwenden, seinem Licht und seiner Gnade. – Stell dich
unter den Regenbogen seiner Liebe und Güte!
Du schaffst das Böse nicht aus der Welt, indem du
dich dagegen ereiferst. – Wende dich dem göttlichen Erbarmen zu! Setz dich dem
Licht aus! Richte die ganze Kraft deiner Aufmerksamkeit auf das Licht! So wird
deine Schattenseite mehr und mehr welken und vergehen, ohne dass du sie ausreißt
und ausmerzt – ähnlich wie die Sonne den größten Eisberg schmelzen kann.
Lass dich also nicht durch Gedanken an dein
Unkraut, dein Unvermögen, deine Schwachheit und Armseligkeit niederdrücken.
Gott ist Gott. Und Gott ist gut. Er ist die
Liebe. Sein Erbarmen ist unermesslich. Gott ist groß im Verzeihen. Und er hat
unendlich viel Geduld. – Hab darum nicht nur Geduld mit den anderen, sondern
auch mit dir selbst. Sei barmherzig anderen gegenüber, aber auch mit dir selbst!
Gott schaut auf dich mit Augen der Güte. Er kennt
dich und liebt dich trotzdem. Mit dem gleichen Blick der Liebe schau auch du
dich an!
Wenn du dich – ohne Vorbehalt und voll Vertrauen
– IHM in die Arme wirfst, dich IHM auslieferst, dann verherrlicht und beglückt
das Gott mehr als alle deine Reflexionen auf dich selbst und alle deine
Grübeleien. Wenn du nämlich skrupulantisch nur um dich kreist und nur auf dich
selbst fixiert bist, dann hältst du dich allzu sehr bei deinen Schwächen und bei
deinem Versagen auf, während Gott doch in dir wohnt, sein Hl. Geist, die ewige
Liebe, dein Erlöser, der in jedem Augenblick bereit ist, zu reinigen und zu
heilen, dich aufzurichten und zu trösten und dir den inneren Frieden zu
schenken.
Nicht durch Starren auf dein Elend und dein Böses
wirst du gereinigt und geheilt, nicht aus eigener Kraft und purer Anstrengung,
sondern durch vertrauensvolle Überlassung und im Schauen auf den, der absolute
Lauterkeit ist und Barmherzigkeit und Langmut und unendliche Liebe. Lass dich
beschenken von SEINER Liebe!
Im Sich-Öffnen auf IHN hin, im Schauen auf IHN,
im Hören auf IHN, im Vertrauen auf IHN, in liebender Hingabe an IHN und sich
hingebender Liebe an deine Mitmenschen wirst du umgestaltet, wirst du verwandelt
in SEIN Bild.
Im Weinstockgleichnis sagt Jesus: „Ihr seid schon rein durch das Wort, das
ich euch gesagt habe.“ Und: „Wer in mir bleibt und
in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“
Also, hab keine Angst, hab Mut! Glaube! Vertraue!
Lass dich von IHM an der Hand nehmen und versuch
–so gut du kannst – in Liebe und Treue deinen Weg zu gehen.
SEINE Gnade möge dich geleiten und SEIN
liebevoller Segen dich begleiten! SEIN Friede möge in dir wohnen und SEINE
Gegenwart dich erfüllen, heute und immer.
Amen
Beachten Sie auch meine beiden
Vorträge "Lasst
beides wachsen bis zur Ernte!" bzw. "Wer
bin ich? Unkraut oder Weizen?" zur gleichen Bibelstelle
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