Ein Professor der Medizin
stirbt, und seine drei Söhne lösen seinen Haushalt auf. Die
Mutter war schon lange vorher gestorben, und der Vater hatte
mit einer langjährigen Haushälterin allein gelebt. Im
Arbeitszimmer des Vaters fanden die Söhne neben vielen
wertvollen Dingen in einem Schrank ein steinhartes,
vertrocknetes, halbes Brot. Die Haushälterin wusste, was es
damit auf sich hatte.
In den ersten Jahren nach dem
Krieg war der Professor todkrank. Da schickte ihm ein guter
Freund ein halbes Brot, damit der Professor etwas zu essen
hatte. Der aber dachte
an
die viel jüngere Tochter eines Nachbarn und ließ dem Mädchen
das Brot schicken. Die Nachbarsfamilie aber mochte das
wertvolle Brot nicht für sich behalten und gab es weiter an
eine arme alte Witwe, die oben im Haus in einer kleinen
Dachkammer hauste. Die alte Frau aber brachte das Brot ihrer
Tochter, die mit zwei kleinen Kindern ein paar Häuser weiter
wohnte und nichts zu essen hatte für die Kinder. Die Mutter
dachte, als sie das Brot bekam, an den Medizinprofessor, der
todkrank lag. Sie sagte sich, dass er ihrem Jungen das Leben
gerettet und kein Geld genommen hatte. Nun hatte sie eine
gute Gelegenheit, es ihm zu danken, und ließ das Brot zum
Professor bringen.
„Wir haben das Brot sofort
wiedererkannt“, sagte die Haushälterin, „unter dem Brot
klebte immer noch das kleine Papierstückchen.“ Als der
Professor sein Brot wieder in der Hand hielt, sagte er:
„Solange noch Menschen unter uns leben, die so handeln,
braucht uns, um unsere Zukunft nicht bange zu sein. Dies
Brot hat viele satt gemacht, obwohl keiner davon gegessen
hat. Dies Brot ist heilig. Es gehört Gott!“ So legte er es
in den Schrank. Er wollte es immer wieder ansehen, wenn er
mal nicht weiterwusste und die Hoffnung verlor. Es war das
Brot der Hoffnung.
Axel Kühner
in „Aufbruch für die Seele
– Der Adventskalender 2021“, @ 2021 - St. Benno Verlag |