COVID-19 hat uns über Nacht einige
kollektive Illusionen genommen, die das spontane Lebensgefühl ganzer
Generationen geprägt haben, etwa:
-
dass uns unser Wohlstand, unsere
nahezu unbegrenzte Bewegungsfreiheit, unsere Freizeitkultur
selbstverständlich zustehen;
-
dass es Epidemien vom
Schreckenspotenzial einer mittelalterlichen Seuche bei uns nicht
mehr geben kann;
-
dass wir alles im Griff haben und
unser Leben weitgehend selbst planen können;
-
dass der technologische Fortschritt
jede Krankheit heilbar machen und den Tod immer weiter
hinausschieben wird;
-
dass wir uns gegen nahezu jedes
Risiko absichern können.
Jetzt erleben wir, wie ein unbekannter
Virus all dies als Selbsttäuschung entlarvt.
Wir haben weniger im Griff, als wir
dachten. Planen ist zurzeit sinnlos, ja unmöglich.
Aber birgt das nicht auch die Chance,
eine alte Wahrheit neu zu entdecken: Vergangenheit und Zukunft entziehen
sich uns.
Wir haben immer nur den gegenwärtigen
Augenblick, um ihn mit Leben zu füllen.
Vielleicht kann die erzwungene Pause zu
einer heilsamen Unterbrechung des „noch schneller, noch höher, noch
mehr“ werden, das Leben eher verhindert als fördert?
Vielleicht geht uns dann neu auf, wie
kostbar das Geschenk der Gegenwart ist.
Auch als Ort der Begegnung mit dem großen
Gegenwärtigen, der uns in jeder Lage mit seiner Liebe umfängt.
Und gebe Gott, es wächst in uns das
Vertrauen, nicht dass uns schon nichts passieren wird (dafür aber
anderen), sondern dass Gott aus Unheil Heil schafft, ganz gleich, wie es
kommt.
Ein solches Vertrauen trägt auch über den
Tod hinaus.
Karmelitin Sr. Elisabeth Peeters aus
dem Karmel St. Therese in Kirchzarten/Schwarzwald
zu lesen im „Konradsblatt“ Nr.
12/2020, der Kirchenzeitung des Erzbistums Freiburg |