Das gesamte Bild wird von der Farbe Rot
beherrscht.
Rot die Farbe des Feuers, der Glut,
Symbol des Heiligen Geistes.
Rot auch Farbe der Liebe, der
Leidenschaft.
Ganz in Rot eingetaucht sieht man ein
Gebäude, das fast den ganzen Raum des Bildes einnimmt.
Was
sofort auffällt: die vielen Fenster.
Das Gebäude scheint nur aus Fenstern zu
bestehen.
Alle Fenster sind weit geöffnet. Aus
jedem Fenster schaut und beugt sich eine Person heraus.
Im Gegensatz dazu sind im unteren Drittel
des Bildes rechts und links Baugerüste zu sehen und Leute, die im
Dunkeln sitzen.
Sie wirken verschlossen, isoliert,
missmutig und resigniert.
Einsamkeit, Erschöpfung, Angst und
Verzweiflung spricht aus ihrer Körperhaltung und ihren Gesichtern.
Dieser Teil des Bildes erinnert an den
Turmbau zu Babel und an die babylonische Sprachenverwirrung.
Die Menschen bauen, aber ohne Beziehung
zu Gott und ohne Gottes Geist. So verlieren sie auch die Beziehung
zueinander. Keiner versteht den anderen. Und der Bau bleibt unvollendet.
Dieses düstere, trostlose Darstellung
wird überdeckt durch ein gegensätzliches Geschehen: das Pfingstereignis.
Ein neues Haus mit mehreren Stockwerken
entsteht.
Ganz unten – in ein rotes Gewand
eingehüllt – ist ein kräftig gebauter Mann zu sehen. Mit beiden Händen
hält er ein aufgeschlagenes Buch und streckt es dem Betrachter entgegen.
Quer über beide Seiten des Buches steht
mit griechischen Buchstaben geschrieben das Wort „euangelion“, das
heißt: Frohe Botschaft. Es ist Petrus, der die erste Pfingstpredigt
hält.
Hinter ihm ist eine Tür des Gebäudes weit
geöffnet und lässt in einen Raum hineinblicken. Darin sind mehrere
Personen zu erkennen. Sie scheinen ins Gebet versunken zu sein.
Es sind die Jünger und Jüngerinnen Jesu.
Nach der Himmelfahrt Jesu haben sie sich versammelt, um betend den
Heiligen Geist zu erwarten, den Jesus ihnen versprochen hatte.
Rechts, die Frau mit dem Kopftuch ist
wohl Maria.
In der Apostelgeschichte heißt es:
„Sie beteten ganz intensiv und waren ganz eins, zusammen mit den Frauen
und mit Maria, der Mutter Jesu“.
Über den Köpfen sind rote Feuerzungen zu
sehen. Sie beteten um den Geist und er kommt über sie wie ein Feuer. Sie
werden „Feuer und Flamme“, und im wahrsten Sinn beGEISTert.
Statt weiterhin angstvoll unter sich zu
bleiben, sich zu verbarrikadieren und zu verschließen, gehen sie mutig
nach draußen und werden Christi Zeugen. Allen voran Petrus.
Er, der in der Ölbergnacht geschlafen und
im Hof des hohenpriesterlichen Palastes Jesus verleugnet hat, verkündigt
Dank der Kraft des Geistes freimütig die frohmachende Botschaft.
Aber nicht er und sein Amt stehen im
Vordergrund, sondern allein das Wort des Evangeliums.
Darum geht es, dass die Frohe Botschaft
zu den Menschen kommt, ihre Herzen erreicht und in ihrem Leben wirksam
wird.
Während bei den Personen im Hintergrund
die Flamme noch über den Köpfen schwebt, ist sie bei Petrus schon ins
Herz gedrungen.
Das Feuer des Geistes hat ihn gepackt,
entzündet.
Es hält ihn nicht mehr drinnen. Er tritt
heraus aus dem Raum seiner Mutlosigkeit und Ängstlichkeit:
„Diesen Jesus, den ihr ans Kreuz
geschlagen und umgebracht habt, den hat Gott auferweckt. Dafür sind wir
Zeugen.“
Ausgerechnet der „Versager“ wird
aus der Tiefe seines Herzen nach draußen getrieben, zu den Menschen
gedrängt, ein Zeuge des göttlichen Feuers, ein Ergriffener, ein
Brennender, einer mit der rettenden Botschaft in der Hand.
Am Pfingstfest ist sie sozusagen
aufgegangen wie eine Knospe. Da hat etwas angefangen, was sich einfach
ausbreiten will, was aufwachsen will wie ein Keim – unwiderstehlich
lebendig.
Was da alles aufgewachsen ist durch die
Jahrhunderte, das nimmt den meisten Raum auf dem Bild ein.
Im ersten Stockwerk präsentiert Sieger
Köder die Ökumene.
Und zwar in der Weise, dass er die
verschiedenen Konfessionen nicht als ein zu überwindendes Ärgernis
sieht, sondern als Ausdruck lebendiger Vielfalt. Da wird das Haus „katholisch“ im ursprünglichen Sinne des Wortes:
„allumfassend“,
offen für alle.
Drei Gestalten des 20. Jahrhunderts, drei
Zeugen des einen Evangeliums, vom Geist ergriffen und ihm verpflichtet,
schauen aus geöffneten Fenstern.
Links der evangelische Pfarrer und
Märtyrer Dietrich Bonhoeffer, mit der Bibel in der Hand. Die Bibel nicht
kennen, heißt Christus nicht kennen. Christ ist einer, der aus der Bibel
lebt.
Bonhoeffer lebte und starb aus der Kraft
des Wortes Gottes.
Aus dem mittleren Fenster schaut der
orthodoxe Patriarch Athenagoras von Konstantinopel.
Leidenschaftlich und unermüdlich hat er
sich zu seiner Zeit – von 1948 bis 1972 – um die Ökumene bemüht, um ein
fruchtbares Miteinander der Konfessionen in gegenseitiger Achtung und
Wertschätzung. Mit seinem „Bruder Paul VI.“ hat er mehrmals „die Einheit durch Vielfalt“ besprochen. Nicht zuletzt seinem
Engagement ist es zu verdanken, dass die römisch-katholische Kirche und
die orthodoxe Kirche die gegenseitige Exkommunikation, die 1054 zur
Kirchenspaltung geführt hatte, zurückgenommen haben.
Mit einer großen Osterkerze, die er
beiden Händen hält, verkündet er den Auferstandenen als das „Licht
der Welt“, erinnert aber auch an die Zusage und den Anspruch Jesu an
die Seinen „Ihr seid das Licht der Welt“.
Das Licht des Evangeliums will und soll
von uns hinausgetragen werden in die Finsternisse und Zwielichtigkeiten
der Welt.
Aus dem rechten Fenster lehnt sich weit
Papst Johannes XXIII. heraus. Sein Markenzeichen: ausgestreckte Arme und
offene Hände als Zeichen herzliche Zuwendung zu allen Menschen.
Er hat mit der Einberufung des 2.
Vatikanischen Konzils die Fenster der Kirche zur Welt hin weit
aufgestoßen, damit vor allem der Geist Gottes in sie einströme.
Über dem Fenster von Johannes XXIII. ist
in einem Spruchband der Titel seiner berühmten Sozialenzyklika „Pacem in
terris“ dargestellt.
Die obere Etage macht Mut. Die junge
Generation kommt in den Blick. Pfingsten ereignet sich immer, auch in
unseren Tagen.
Die beiden rechts und links stehen
stellvertretend für diejenigen, die sich auch heute noch im Rahmen von
Kirche engagieren, in der kirchlichen Jugendarbeit.
Der Ministrant schwingt mit Freude das
Rauchfass und macht damit ordentlich Dampf in einem Haus, in dem es
nicht immer nach Gottes Geist „riecht“.
Der Jungscharführer oder Gruppenleiter
hält das flatternde Christusbanner in der Hand. Damit bekannten sich in
der Nazizeit so manche Jugendliche zu Jesus Christus und taten kund, wen
sie für ihren wahren Führer hielten.
Aus den beiden mittleren Fenstern schauen
eine junge Frau und ein Schwarzer. Sie halten ein Transparent mit der
Aufschrift „Schalom – Friede“.
Diese beiden stehen stellvertretend für
alle, die ihr Engagement hat hinausgehen lassen in die Welt, die sich
für Frieden, für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung
einsetzen, z. B. bei Pax Christi oder Aktion Sühnezeichen, bei Amnesty
international oder Greenpeace oder einfach auch „nur“ in der Pflege
ihrer alten Eltern, beim Obdachlosenfrühstück, beim kostenlosen
Nachhilfeunterricht für Aussiedlerkinder oder beim Besuchsdienst für
kranke und alte Menschen.
Das wichtigste Fenster – so sagt Sieger
Köder – ist das oberste, von dem man nur ein Stück sieht und das noch
leer ist.
Hier hört das Bild auf. Die Zukunft
beginnt.
Wer wird morgen aus diesem Fenster
herausschauen?
Wer wird morgen das Evangelium leben und
die Kirche weiterbauen?
Eine andere Frage: Wo ist mein Platz?
Was kann ich – erfüllt und gestärkt durch
den Geist Gottes – einbringen, wo mitwirken, wo mich beteiligen, Zeugnis
geben, Gutes tun, wie mich für Frieden und Versöhnung einsetzen, wie
mich engagieren für eine gerechtere und menschlichere Welt – nicht
unbedingt in der Ferne, sondern an dem Platz, wo Gott mich hingestellt
hat, in Familie und Gesellschaft, in der Pfarrei oder Seelsorgeeinheit,
in einer Gruppe, einem Verein oder in einer christlichen Gemeinschaft?
Pfingsten feiern, das heißt, Fenster und
Türen öffnen, sich den Menschen zuwenden, ihnen von der befreienden
Liebe Gottes erzählen, ihnen in Ängsten und Nöten beistehen, aufrichten,
trösten und helfen, wo Hilfe nötig ist.
Gebet (aus der
Ostkirche)
Komm, heiliger Geist,
heilige uns.
Erfülle unsere Herzen
mit brennender Sehnsucht
nach Wahrheit, dem Weg
und dem vollen Leben.
Entzünde in uns dein Feuer,
dass wir selber davon
zum Lichte werden,
das leuchtet und wärmt und tröstet.
Lass unsere schwerfälligen Zungen
Worte finden, die von deiner Liebe
und Schönheit sprechen.
Schaffe uns neu,
dass wir Menschen der Liebe werden,
deine Heiligen,
sichtbare Worte Gottes.
Dann werden wir das Antlitz
der Erde erneuern
und alles wird neu geschaffen.
Komm, heiliger Geist,
heilige uns, stärke uns,
bleibe bei uns.
Amen
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