Die Dreifaltigkeit – nach
christlicher Lehre der eine Gott in drei Personen – zählt
zweifellos zu den schwierigsten Glaubenssätzen des
Christentums.
Was so schwer zu formulieren,
zu definieren und in Worte zu fassen ist und worüber die
größten Theologen scharfsinnig spekuliert und diskutiert
haben, nämlich über das dreifaltige Wesen Gottes, das hat
man immer wieder versucht in Bildern auszudrücken.
Der römische Schriftsteller
Tertullian wählt das Bild vom Baum aus Wurzeln, Stamm und
Zweigen. Der Kirchenvater Augustinus vergleicht das
Geheimnis mit dem Menschen aus Körper, Seele und Geist. Der
heilige Patrick von Irland sieht die Dreifaltigkeit im Kleeblatt
versinnbildlicht, der Theologe David Clemens in der Rechnung
1 x 1 x 1 = 1. Drei Kerzenflammen ineinander gehalten – drei
Flammen, eine Glut – ist ein weiteres Bild.
„Der Vater über uns, der Sohn mit uns, der
Geist in uns“
lautet eine biblische Beschreibung.
Auch in der Kunst gibt es
durch die Jahrhunderte viele Versuche, das Geheimnis der
göttlichen Dreifaltigkeit – die Einheit in drei
Verschiedenheiten – darzustellen. Manchmal gelingt es der
Kunst sogar mehr als den wortreichen Spekulationen und
Definitionen nahe an die göttliche Wirklichkeit zu kommen.
In der Ikonografie der
orthodoxen Kirche z.B. ist die Darstellung des Dreifaltigen
Gottes in Form dreier gleich aussehender Gestalten bis heute
beliebt, die an die alttestamentliche Begegnung Abrahams
mit den drei Engeln erinnert.
Eine sehr schöne,
eindrucksvolle und tiefsinnige, gleichzeitig aber auch sehr
ungewöhnliche Darstellung der heiligsten Dreifaltigkeit
findet sich in Urschalling im Chiemgau.
In dem
kleinen oberbayrischen Ort, der Teil der Markt-Gemeinde
Prien am Chiemsee ist, gibt es ein kunsthistorisch
bedeutsames kleines und nahezu unverändertes, romanische
Kirchlein, das dem Apostel Jakobus geweiht ist.
Das Westjoch wurde um 1160
auf dem Unterbau eines Wehrturmes erbaut, der östliche Anbau
entstand etwa um 1200 als Station auf dem Jakobusweg.
Das Kirchlein besitzt eine
figurenreiche Wand- und Deckenbemalung. Es handelt sich um
Fresken aus dem 14. Jahrhundert. Mitte des 16. Jahrhunderts
wurden sie überdeckt und tauchten erst 1923 durch Zufall
wieder auf als im Zuge einer aufwändigen Renovierung der
Innenputz abgeklopft wurde. Zum Vorschein kam ein
Freskenzyklus, der in seinem Erhaltungszustand und in seiner
Qualität in ganz Süddeutschland einmalig ist.
Ein Fresko zeigt im Zwickel
des Chorgewölbes zwischen zwei Bögen die heilige
Dreifaltigkeit. Der Maler, der dieses Bild geschaffen hat,
war vielleicht kein großer Künstler, aber er hatte eine
originelle Idee.
Um auszudrücken, dass sich
Gott nicht nur auf verschiedene Weise den Menschen zeigt,
sondern auch in sich Fülle und Vielfalt enthält, hat er eine
Figur mit drei Köpfen bzw. Gesichtern und drei Oberkörpern
entworfen. Nach unten zu, wo sich die Gewölberippen treffen,
verschmelzen jedoch die drei Körper zu einem einzigen, was
auf die Einheit der drei göttlichen Personen hinweisen will.
Leicht zu identifizieren ist
rechts Gottvater (mit weißem Haupthaar und Bart) und links
Gottsohn (mit dunklem Haar und Bart, umhüllt mit demselben
weißen Mantel den der Vater trägt). Beide wenden sich halb
zur Mitte und lassen aus sich eine dritte Gestalt
hervorgehen, den heiligen Geist.
Oder soll man besser sagen
die „heilige Geistin“?
Denn das Besondere und
Ungewöhnliche an dieser Darstellung ist nicht das
menschliche Antlitz, das Besondere ist eher, dass diese
Gestalt klar als Mädchen oder Frau zu erkennen ist mit
weiblichem Gesicht, bartlos und rund, freundlich und
jugendlich wirkend, mit langem hellbraunem Haar und roten
Wangen.
Die Gesichter der drei
Gestalten veranschaulichen drei Lebensabschnitte des
Menschen: links das Mannesalter, rechts das Greisentum, in
der Mitte die Jugend.
„Lasst uns den Menschen
machen als unser Abbild, uns ähnlich.
Gott schuf also den Menschen als sein Abbild;
als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er
sie“ (Gen 1, 26 - 27).
Daran mag der Maler gedacht
haben, als er die drei Lebensalter in die Gesichter der drei
göttlichen Personen legte und gleichzeitig ein weibliches
Gesicht für die heilige Geistkraft malte.
Alle drei Köpfe sind mit
jeweils einem Heiligenschein versehen. Die drei
Heiligenscheine gehen ineinander über.
Jeder Heiligenschein enthält
nur einen Teil des Kreuznimbus.
Die drei Köpfe werden so
durch die drei Balken eines einzigen Kreuzzeichens
verklammert. Wenn man alle drei Heiligenscheine
zusammenschiebe, käme der in der Kunst für Christus übliche
Kreuznimbus zustande. Ebenfalls ein Hinweis auf die Einheit
in der Verschiedenheit von Vater, Sohn und Geist.
Weiter fällt auf, dass die
Gesamtgruppe nur zwei Hände hat.
Die beiden Hände, eine groß
(männlich?), die andere zartgliedrig (weiblich?) weisen nach
innen in die Mitte.
Drei Personen mit nur zwei
Händen! Durch die Verschiedenheit der beiden Hände wird die
Verschiedenheit der göttlichen Personen angedeutet,
aber zugleich auch, dass es sich um ein Wesen
handelt, denn sonst müssten es sechs Hände sein.
Alle drei Personen tragen
dasselbe dunkelrote Untergewand, das bei der mittleren
Gestalt unterhalb der Brust in Falten gestrafft ist.
Der weiße Mantel umhüllt alle
drei. Doch er öffnet und schließt sich und öffnet sich noch
einmal nach unten hin.
Auffällig ist auch das
Weiblichkeitssymbol im Faltenwurf zu Füßen der mittleren
Gestalt, eine deutliche Darstellung des Schoßes, trickreich
aus den Falten der Gewänder von Vater und Sohn gebildet. Ein
Hinweis auf Leben und Fruchtbarkeit.
Das Dreifaltigkeitsfresko von
Urschalling ist ein Bild, an das man sich erst gewöhnen
muss. Gleichzeitig fasziniert es.
Wollte der Maler – seiner
Zeit weit voraus – deutlich machen, dass es im Wesen Gottes
nicht nur männliche, sondern auch weibliche Eigenschaften
gibt?
Man denkt unwillkürlich an das berühmte Wort
von Papst Johannes Paul I.: „Gott
ist nicht nur Vater, vielmehr ist er auch Mutter.“
Sicher hat der Künstler im
14. Jahrhundert nichts von Emanzipation, Feminismus,
Frauenquote und Geschlechterkampf gewusst. Die Rolle der
Frau war im Mittelalter klar umschrieben. Und diese Rolle
war alles andere als frauenfreundlich. Dennoch hat es sich
der Künstler nicht nehmen lassen, den Heiligen Geist als
Frau zu malen.
Es scheint, dass der Maler
des Bildes sich nicht nur auf sein Handwerk verstand,
sondern auch das hebräische Wörterbuch kannte. Denn im
biblischen Originaltext, der ja in der hebräischen Sprache
verfasst wurde, wird der Heilige Geist „Ruach“ genannt.
Und „Ruach“ ist im
Hebräischen (zwar nicht durchgehend, aber doch meist)
Femininum, also mit dem weiblichen Artikel versehen: die
Ruach, so weiblich wie die Mutter, die Schwester oder die
Gefährtin.
Aber nicht nur
grammatikalisch ist „Ruach“ weiblich, auch die Vorstellung
ihres Wirkens in der Welt entstammen dem Erfahrungsbereich
von Frauen:
Die Ruach schwebt (F. Stier
übersetzt „brütet“) über dem Wasser.
Sie ist die Kraft, die schon
bei der Schöpfung am Anfang der Bibel wirksam war. Sie
schafft („gebiert“) das Leben.
Sie inspiriert, motiviert,
bewegt und fördert es.
Sie lässt den Menschen atmen,
leben, handeln.
Diese Tradition findet sich
auch im Neuen Testament, wenn etwa Jesus dem Nikodemus
erklärt, dass der Mensch „neu geboren werden muss aus dem
Geist“, um in Gottes Reich zu gelangen (Joh 3,
3f).
Etwas davon drückt sich auch
heute noch darin aus, wenn wir Pfingsten, das Fest des
Heiligen Geistes, als „Geburtsfest“ der Kirche
bezeichnen.
Gottes Geist: die Liebe und
die Güte – die Zuwendung – die Glut, die uns im finsteren
Tal und in der kalten Nacht des Lebens wärmt und uns
schützend umgibt – die Stimme, die uns ruft, die uns mit
ihrer Weisheit begleitet und uns die Richtung weist.
Wir kommen mit unserer
Sprache an die Grenzen des Sagbaren.
Doch der Maler, der vor 600
Jahren dieses Bild gemalt hat, er kommt uns zu Hilfe. Er
sagt uns auf seine Weise: Stellt euch die Liebe und die
Güte, die Weisheit und die Herrlichkeit Gottes nicht
einseitig, nicht nur männlich vor. Gott hat auch weibliche
Züge.
Das Deckenfresko in
Urschalling war ein mutiger Schritt, die weibliche Seite
Gottes buchstäblich ins Zentrum zu rücken.
Die „Heilige Geistin“ bildet hier die Mitte
der Trinität und weist hin auf die Seite in Gott, die
neues Leben gebiert. Es ist die Seite Gottes, die treffend
besungen wird: „Komm, heilger
Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deiner Kraft. Dein
Schöpferwort rief uns zum Sein, nun hauch uns Gottes Odem
ein.“
Bei aller Betonung des
Weiblichen in Gott soll das allerdings auch nicht dazu
führen, das Männliche, das lange Zeit überbetont war, gegen
das Weibliche auszutauschen.
Eigentlich ist Gott weder
Mann noch Frau, sondern er ist Gott!
Gott kann weder durch sein
Mann-Sein noch durch sein Frau-Sein definiert werden,
sondern nur durch sein Gott-Sein!
Er lässt sich nicht
festnageln auf ein Merkmal, auf einen
Wesenszug, auf eine Eigenschaft. Gott ist „alles
in allem“.
Es sind gerade die
vielfältigen Erscheinungen Gottes in der Geschichte des
Menschen mit seinem Gott, von denen uns die Trinität
erzählt:
Gott als Vater und Mutter,
als Schöpfer und Ruach (Geisteswehen) von Anbeginn der Welt
spürbar.
Er spricht zu uns als Bruder,
Freund, Geliebter, als Heiland und Erlöser in den
Erzählungen des Neunen Testamentes.
Und er ist, solange es
Menschen gibt, in uns, betet in uns, wirkt in uns als
Heiliger Geist. Er wohnt ins uns und ist in unserem Leben
erfahrbar, wo wir uns für ihn öffnen, uns von ihm
durchdringen und uns von seinem Licht und seiner Kraft, von
seiner Freude und Liebe erfüllen lassen.
„Von ihm und durch ihn und zu ihm hin sind
alle Dinge“ (Röm 11, 36). – „In ihm leben wir, bewegen wir
uns und sind wir“ (Apg 17, 28). – „Gottes Liebe ist
ausgegossen in unseren Herzen durch den Geist, der uns
gegeben ist“
(Röm 5, 5). |