Das Pfingstbild stammt von Domenicos
Theotokopoulos, besser bekannt als „El Greco“ (= der Grieche). Es
handelt sich um ein Spätwerk, war für ein Kloster in Madrid bestimmt und
gilt als Höhepunkt der Malerei El Grecos. Heute befindet es sich im
Museo Nacional del Prado in Madrid.
El Greco wurde 1541 auf Kreta geboren und
starb 1614 in Toledo (Spanien). In jungen Jahren lernte er bei Mönchen
die Ikonenmalerei. Aber entscheidend wurde für seine künstlerische
Entwicklung
Venedig, wo er um 1667 Schüler von Tizian war. Über Parma kam er 1570
nach Rom, wo er besonders vom Werk Michelanchelos beeinflusst wurde.
1576 reiste er nach Spanien weiter. Nach einem kurzen Aufenthalt in
Madrid ließ er sich in Toledo nieder, wo er als gefeierter Meister 1614
verstarb.
El Grecos Pfingstgemälde ist nur gut
einen Meter breit, aber fast drei Meter hoch. Schon das ungewöhnliche
Hochformat ist erstaunlich (127 x 275 cm). Es zeigt die Apostel
versammelt um Maria, die Mutter Jesu, im Obergemach von Jerusalem (vgl.
Apg 1, 4 - 8).
Der Versammlungsort wird unten durch
Stufen und eine Balustrade allerdings nur angedeutet und bleibt
ansonsten im Dunkeln. – Oben hat sich der Himmel weißglühend geöffnet.
In lichter Helle schwebt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Über
den Köpfen aller Versammelten zeigt sich das Feuer des Geistes in
weiß-rötlichen Flammen.
Hier wird das Pfingstereignis nicht
historisierend wiedergegeben, auch nicht als belehrendes Glaubensbild,
sondern es wird als mystisches Geheimnis aufgefasst und als ekstatische
Geschehen verbildlicht. Die Jünger und Jüngerinnen Jesu machen eine
bestürzende und sie mit Leib und Seele packende und überwältigende
Geist-Erfahrung.
Stummes Entrücktsein, inniges
Verzücktsein und ekstatisches Ergriffensein kennzeichnet die Haltung,
Gestik und Mimik der dargestellten Personen.
Wenn man in die Runde schaut und die
Personen zählt, die sich um Maria geschart haben, dann sind es zwei mehr
als die zwölf Apostel – Matthias ist bereits hinzugewählt. Und diese
zwei heben sich auch auffällig von den anderen ab.
Da ist zunächst rechts von Maria eine
junge Frau mit Schleier zu sehen. Demütig und friedvoll neigt sie ihren
Kopf zu Maria hin. Vielleicht steht sie stellvertretend für die Frauen,
die sich ebenfalls – wie die Apostelgeschichte erwähnt – im Obergemach
in Jerusalem
befanden
und einmütig mit Maria und seinen Brüdern im Gebet verharrten (Apg
1, 14). Wahrscheinlicher ist aber, dass El Greco hier seine
Lebensgefährtin Dona Jeronima de la Casas ins Bild gebracht hat. Mit
niedergeschlagenen Augen und gesenktem Kopf wirkt sie wie ein Gegenpol
der Innerlichkeit zu den lebhaft gestikulierenden Aposteln.
Auch die dritte Person rechts von Maria
sticht heraus und fällt auf. Von ihr ist nur der Kopf zu sehen. Mit
ruhigem Blick schaut er als einziger aus dem Bild heraus und nimmt
Kontakt zum Betrachter auf. Manche sehen in ihm den Stifter oder
Auftraggeber des Bildes. Viel spricht aber auch dafür, dass sich El
Greco hier selbst ins Bild gebracht hat. Es gibt zwar kein gesichertes
Porträt El Grecos, aber hier wird eine der anonymen Selbstdarstellungen
vermutet. Die Flamme des Heiligen Geistes schwebt auch über ihm. Auch er
hat Anteil an dem pfingstlichen Gnadenereignis.
Rechts im Vordergrund ist – in hellblauer
Tunika und gold-gelb-rötlichem Pallium – Petrus zu erkennen. Er wirft
seinen Oberkörper kräftig zurück, stürzt fast hintüber und stützt sich
dabei mit seinem rechten Arm auf eine kleine Säule. Es ist, wie wenn er
geistgewirkt und geistergriffen emporgehoben würde. Seine Füße lösen
sich bereits von der Stufe, so dass er nur noch mit den Zehen den Boden
berührt.
Links neben Petrus kniet der jugendlich
wirkende Apostel Johannes.
Mit
dem Rücken zum Betrachter ist er direkt Maria gegenübergestellt. Jesus
hatte sie ihm vom Kreuz herab als Mutter anvertraut (vgl. Joh 19, 26 -
27). Ohne sich zu wehren überlässt er sich mit geöffneten Händen ganz
der ekstatischen Entrückung. Mit seligem Antlitz wendet er sich dem
Licht von oben zu. Vom Heiligen Geist erfasst scheint er fast schwerelos
die Steintreppe hinauf zu schweben.
Die übrigen zehn Apostel befinden sich
allesamt in Bewegung, Verzückung, Ekstase, die Arme hocherhoben oder zum
Empfangen geöffnet und ausgebreitet. Entrückt, entflammt, berauscht,
begeistert, ergriffen, hingerissen, „außer sich“ – jeder auf seine
Weise.
Links oberhalb von Johannes ist ein
Apostel abgebildet, bei dem sein ungeordnetes Haar und sein struppiger
Bart auffällt. Er trägt nur ein einfaches braunes Kleid. Seinen Kopf hat
er weit nach oben gestreckt, ganz gebannt und innerlich vom Geist
erfasst.
Über diesem Apostel ist ein anderer blau
gekleideter Jünger zu sehen. Auch er schaut nach oben. Den rechten Arm
hat er hoch empor gestreckt, die Hand wie eine Schale geöffnet. Gesicht,
Arm und Hand sind licht-erfüllt.
Rechts von diesem hat ein anderer Apostel
seinen rechten Arm über seinen Kopf gelegt.
Weiter rechts ist ein Apostel in goldgelbem Gewand zu sehen. Seine Arme sind weit geöffnet.
Die Hände hat er erhoben wie bei der Orante-Haltung. Vielleicht drücken
sie auch seliges Erschrecken aus, Zurückweichen, demütige Abwehr. Auch
er ist ein vom Geist Ergriffener, Erstaunter und Entflammter.
Von dem Jünger daneben ist nur der Kopf
zu sehen. Sein bartloses Gesicht wirkt jugendlich, fast knabenhaft. Es
gibt die Vermutung, hier habe El Greco seinen einzigen Sohn, Jorge
Manuel, porträtiert. Auch er ist ganz verzückt und ergriffen dem Licht
aus der Höhe zugewandt. Die Flamme des Heiligen Geistes züngelt und
schwebt auch über ihm.
Direkt daneben, links von Maria, ist ein
wohl schon älterer Apostel mit weißem Vollbart abgebildet. Sein Gesicht
wirkt auch verklärt, entrückt, aber ruhig und gesammelt. Sein Blick geht
ebenfalls nach oben.
Auf der anderen Seite, rechts von Maria,
ist als zweiter ein Apostel im grünen Gewand dargestellt. Ob es der
sogenannte „ungläubige Thomas“ ist, der zwar auch von Gottes Geist
gepackt ist, aber doch auch zweifelnd und wie erstarrt die linke Hand
erhebt, mit der er vor Kurzem noch die Wundmale des Auferstandenen
betasten wollte?
Der übernächste Apostel, rechts von
Thomas, in türkisfarbenem Gewand bildet sozusagen den Gegenpol zu dem
Jünger auf der linken Seite. Der eine hat den Arm ganz nach oben
gerissen. Der andere weist mit überlangem Arm und quergestellter Hand
nach unten. Er wirkt noch relativ jung und schaut mit gerecktem Hals und
Kopf wie gebannt nach oben.
Direkt darunter ist ein Apostel mit
vollem Bart zu sehen. Er trägt eine goldgelbe Tunika mit weit
ausgeschnittenem Hals. Wie verzückt und hingerissen streckt er seinen
kahlen Kopf nach oben.
Rechts daneben – wie Petrus und Johannes
– in Rückenansicht ist als letzter in der Runde noch ein Apostel mit
weißer Tunika und rötlichem Pallium zu sehen. Schützend hält er seine
rechte Hand über sein Haupt.
Die Menschen in dieser Versammlung
erleben die Ausgießung des Heiligen Geistes Sie erleben den Einbruch
Gottes als ein Emporgerissen-Werden, dem Licht entgegen, das auf sie
herabfällt.
Vom Fuß des Petrus am unteren Bildrand
geht eine dynamische Bewegung durch die Mitte der Komposition.
Aufschauend reißen Petrus und Maria die Blicke nach oben. Das lichte
blau ihrer Gewänder unterstützt diesen aufsteigenden Zug, der mit den
züngelnden Flammen direkt in den offenen Himmel zielt.
Kontrapunkt dazu ist das rote Gewand der
Mutter Jesu, das sie mit dem gleichfarbigen Pallium des Lieblingsjüngers
Johannes verbindet.
Im Zentrum des Bildes erscheint der Schoß
Mariens wie die Herzmitte der Versammlung. Allein ihre Gestalt ist
unverdeckt frontal in sitzend-thronender Haltung dargestellt. Als
einzige faltet sie die Hände zum Gebet. Auch sie nimmt eine schwebende
Haltung ein, aber das Herabkommen des Heiligen Geistes vermag die
Begnadete, die bereits ganz und gar von Gott erfüllt ist, nicht aus der
Fassung, aus der Sammlung und aus der Vereinigung mit Gott
herauszureißen.
Maria ist hier ganz Sinnbild der Kirche.
In ihr ist Raum für die Menschen in all ihrer Individualität und
Vielfalt, damals und zu jeder Zeit. |