EVANGELIUM
Wir haben seinen Stern aufgehen
sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach
Matthäus
1Als
Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen
Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem
2und
fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen
sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
3Als
König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.
4Er
ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und
erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle.
5Sie
antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten:
6Du,
Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den
führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt
meines Volkes Israel.
7Danach
rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau
sagen, wann der Stern erschienen war.
8Dann
schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo
das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich
hingehe und ihm huldige.
9Nach
diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie
hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort
blieb er stehen.
10Als
sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.
11Sie
gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie
nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm
Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.
12Weil
ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie
auf einem anderen Weg heim in ihr Land.
Es gibt nur wenige biblische Geschichten,
die so bekannt sind wie diese Erzählung von den „Weisen aus dem
Morgenland“.
Sie hat die Menschen durch die
Jahrhunderte hin unglaublich fasziniert.
Wie oft ist diese Szene in Krippen
dargestellt worden!
Wie oft ist diese Szene gemalt worden!
Wie oft wurde sie nacherzählt oder neu
gedichtet!
Ich denke nur an die Geschichte vom
vierten König!
Oder auch nachgespielt.
Ich denke an das Brauchtum der
Sternsinger.
Wie oft wurde schon darüber gepredigt!
Was ist es, das die Menschen an dieser
Erzählung so fasziniert?
Ehrlich gesagt: dass es Menschen gibt,
die aus großer Ferne aufbrechen, buchstäblich alles stehen und liegen
lassen, sich auf die Suche machen, in die Fremde ziehen, ins Ungewisse,
dass sie unter Millionen von Sternen einen als Wegweiser erkennen, dass
sie sogar Wüsten durchqueren, um schließlich vor einem Kind auf dem
Schoß einer armen Mutter niederzuknien, in ihm Christus erkennen und ihm
huldigen, das spricht auch mich sehr an, es fasziniert mich jedes Jahr
neu.
Mir sind die Heiligen Drei Könige sehr
sympathisch.
„Heilige Drei Könige“
nennen wir sie.
Die Schrift spricht von Magiern, Weisen,
Sterndeutern.
Wenn es auch keine Könige waren, so waren
es doch königliche Menschen, in denen wir uns wiederfinden können.
Für mich sind es exemplarische Menschen, Symbolfiguren,
die eine Urmöglichkeit zeigen, die jedem Menschen gegeben ist: sich auf den Weg machen, dessen Verlauf man nicht
kennt - dem Zeichen folgen und nicht aufgeben - einem Ziel
entgegengehen, das einem verheißen, dessen man aber nicht sicher ist.
Stern, Weg, Wanderschaft, Suchen, Finden,
Anbeten und Schenken sind Kennworte der Erzählung.
Dass es Könige waren steht nicht in der
Schrift, dass es drei waren auch nicht. Darauf schloss man später auf
Grund der Dreizahl der Geschenke.
Dass sie Caspar, Melchior, Balthasar
hießen, ist in der Schrift auch nicht gesagt. Dazu kommt es erst
Jahrhunderte später auf Grund der Haussegnung am Dreikönigsfest.
Dieser Segen, der bis heute an Haus- und
Wohnungstüren geschrieben wird, lautet nämlich: „Christus Mansionem
Benedicat“. Aus den Anfangsbuchstaben dieser drei Worte hat man die
Namen der Heiligen Drei Könige abgeleitet.
Die Schrift spricht von Magiern bzw.
Sterndeutern, eine Berufsbezeichnung, die es schon lange nicht mehr
gibt. Aus der Beobachtung der Sterne, aus bestimmten Stellungen und
Zuordnungen der Gestirne deuteten sie Ereignisse oder sagten Zukünftiges
voraus. Ihre Sicht der Dinge war sehr gefragt und ihr Rat war wichtig
für viele Entscheidungen, persönliche wie gesellschaftliche und
politische. Noch heute sprechen wir davon, daß etwas unter einem guten
oder schlechten Stern steht.
Die Schrift sagt, dass sie aus dem Osten
kamen. Als solche personifizieren sie die ganze Weisheit
und Religiosität des Ostens, die sich damals - wie heute - großer
Beliebtheit erfreute.
Was hat die Sterndeuter auf die Beine
gebracht?
Wer hat ihnen den entscheidenden Impuls
gegeben loszuziehen?
Traditionen? Unbestimmte Ahnungen?
Außergewöhnliche Zeichen oder Konstellationen am Sternenhimmel? Ein
Komet? Ein kosmisches Ereignis? Eine sensationelle Veränderung am
Firmament? War es Erlösungssehnsucht? Oder ein Gemisch von all dem?
Wir wissen es nicht. Klar ist nur eines:
Die Führung durch Gott.
Symbol der göttlichen Führung ist der
Stern.
Eine andere Frage ist: Was wollte
Matthäus, der als einziger der vier Evangelisten die Geschichte von den
Sterndeutern in sein Evangelium aufgenommen hat, mitteilen? Was wollte
er sagen?
Gewiss ist: Er wollte uns kein
historisches Ereignis mitteilen.
Er wollte keine Reportage bringen. Es
ging ihm nicht um äußere Daten und Fakten.
Matthäus wollte viel mehr eine wichtige
Glaubensaussage machen.
Und zwar folgende: Jesus ist nicht nur
das Heil für das Volk Israel, sondern auch ein Licht, das die Heiden
erleuchtet. (vgl. auch Lk 2, 29 - 32)
Es sind Heiden, die den Weg zum
neugeborenen König der Juden finden. Und während sich die führenden
Repräsentanten Israels Jesus verweigern, werden sich Menschen anderer
Völker und Kulturen für das Evangelium der Gottesherrschaft öffnen.
Ja, die Erzählung von den Sterndeutern
zeigt auf:
Der verheißene Retter, der Messiaskönig,
wird von Anfang an von seinem Volk abgelehnt, ja verfolgt. (Unmittelbar
nach der Erzählung von den Sterndeutern steht bei Matthäus der Bericht
von der Flucht nach Ägypten und vom Kindermord von Bethlehem).
Von Anfang an scheiden sich an Jesus die
Geister. Die, die ihn kennen müssten, verschließen sich; denen, die ihn
„von Herzen suchen“ erschließt sich sein Geheimnis.
Das Wunder des Glaubens und die Tragik
des Unglaubens liegen ganz nah beieinander!
Heiden kommen und ehren Jesus als ihren
Gott und Herrn.
Schon am Anfang des Matthäusevangeliums
weitet sich der Blick über Israel hinaus.
Am Ende des Matthäusevangeliums lautet
dann der Auftrag Jesu:
„Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen
Jüngern...“
Es geht Matthäus um die Universalität des Heilswillens
Gottes.
Der Immanuel, der „Gott mit uns“,
ist der Gott aller Menschen.
Sein Heil ist grenzenlos. Allen Menschen
wird zuteil: Gottes Heil.
Die Sterndeuter sind Vorboten und Vertreter einer
künftigen, weltweiten Christenheit.
Der Weg der Sterndeuter ist aber auch ein
Spiegel
unserer eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte
mit allem Auf und Ab, Dunkel und Licht, Ungewißheit und Wagnis, Suchen
und Finden, Freude und Enttäuschung.
Nicht umsonst werden die drei Weisen auf
Bildern der Kunst oft den verschiedenen menschlichen Lebensaltern
zugeordnet.
Einer sieht noch ganz jugendlich aus, der
zweite steht in der Lebensmitte und der dritte ist als Greis gezeichnet.
So dürfen wir in den Sterndeutern
exemplarische Menschen sehen und in ihrem Unterwegssein tatsächlich
einen Spiegel unseres Lebensweges, unserer Pilgerschaft einem Ziel, Sinn
und Ziel entgegen.
Wir selbst sind es, die in dieser
Sterndeuter-Geschichte vorkommen. Sie sagt aus, was mit jedem von uns
auf seinem Glaubensweg geschehen kann. Nur verdichtet die
Sterndeuter‑Geschichte und rafft zeitlich, wozu es bei uns oft ein
ganzes Leben braucht.
Auch ist bei der Sterndeuter-Geschichte
das, was geschieht, ein äußeres Geschehen, das sich aber in unserem
Leben vorwiegend innerlich abspielt. Wir können und sollen uns also in
den Weisen wiederfinden.
Machen wir uns mit ihnen auf den Weg und
schauen wir einmal, was sie und die anderen Personen, die in der
Erzählung vorkommen, uns zu sagen haben!
1. Es sind wache Menschen,
achtsam, aufmerksam, offen für Zeichen, hellsichtig, hellhörig,
ansprechbar und ihrer Sehnsucht trauen.
Nicht das Studium der Zeitung, nicht die
Tagesschau mit den neuesten Nachrichten von den Palastintrigen im
Judenland, auch nicht endloses Surfen im Internet und der Austausch der
Informationen mit aller Welt haben ihnen ihre Ahnung, ja ihr Wissen vom
neugeborenen König der Juden gegeben, sondern der Blick nach oben, das
Schauen zum Himmel.
In einem fernen Land des Orients sehen
sie einen Stern.
Inmitten ihres gesicherten Lebens halten
sie nach etwas Größerem Ausschau. Sie schauen auf, sie schauen nach
oben. Ihr Blick ist nicht eingeengt und gebeugt auf irdische Sorgen und
Nöte, nicht fixiert auf Zwecke und Leistungen, nicht gebannt auf das
Nur-Irdische. Sie haben die Sehnsucht des Herzens nicht zugedeckt und
erstickt in Geschäftigkeit und ruheloser Betriebsamkeit.
Sie spüren, dass es noch mehr als das
alles geben muß.
Was sie täglich umgibt und das Leben der
anderen ausmacht, genügt ihnen nicht.
„Gott nur genügt“,
sagt Theresia von Avila.
Die Weisen leben mit einem aufmerksamen,
horchendem, sehnsüchtig ausgespanntem Herzen; sensibel und wach, die
leisen Berührungen und Impulse zu spüren und bereit, entsprechend zu
reagieren und in konkretem Tun Antwort zu geben, entschieden zu handeln.
Sie lassen alles hinter sich und folgen
vertrauensvoll dem Stern.
Die Weisen können uns Mut machen, das
Abenteuer eines Lebens zu wagen, dem nichts anderes genügt als Gott
allein.
Den Stern konnten alle wahrnehmen. Er
stand sichtbar am Himmel wie der Mond in klaren Nächten. Und viele sahen
ihn trotzdem nicht. Oder sie sahen ihn, haben auch darüber geredet und
diskutiert, ließen sich vielleicht auch für einen flüchtigen Augenblick
anrühren, aber ließen die Sache nicht wirklich an sich heran als etwas,
das sie angeht, gingen vielmehr wieder zur Tagesordnung über, vergaßen
das Ungewöhnliche, überließen sich wieder dem Vertrauten, dem Kleinen,
dem Begrenzten und hielten die Weisen vielleicht sogar ein bißchen für
verrückt und sahen sie irgendwie als Spinner oder Narren an, die auf
Grund eines Zeichens auf ein außergewöhnliches Ereignis schließen.
Für die Weisen ist der Stern aber nicht
nur Zeichen für ein außergewöhnliches Ereignis, sondern er ist ihnen
Wegweiser und Fingerzeig. Der Stern läßt in ihnen die Sehnsucht nach
mehr, nach Größerem aufleben. Sie spüren, dass in ihnen noch mehr leben
will, dass noch entscheidendes in ihrem Leben und auf ihrem Weg
aussteht. Sie nehmen den Stern wahr und sein Leuchten zeigt ihnen die
Richtung, in die sie aufbrechen müssen, damit das noch nicht Gelebte in
ihnen zum Leben kommen darf.
Ich kann mich fragen:
Wie ist es um meine Achtsamkeit und
Wachsamkeit bestellt?
Wo bin ich blind und taub oder
abgestumpft und oberflächlich für die Zeichen Gottes in meinem Leben,
die Zeichen der Zeit in Kirche und Welt?
Nehme ich sie wahr? Verstehe ich sie zu
deuten?
Erkenne ich das Zeichen durch das Gott
mich auf den Weg bringen will? Wie reagiere ich?
Anders gefragt:
Höre ich ihn? Höre ich die Stimme, die
innere Wahrheitsstimme?
Sie hören, nicht überhören und ihr
folgen!
Oder nochmals anders gefragt:
Schaue ich nach dem Stern, nehme ich ihn
wahr, meinen Stern? Und traue ich mich, dem Stern zu folgen, breche ich
auf, mache ich mich auf den Weg?
Von dem Physiker Werner Heisenberg stammt
das Wort:
„Wir fahren auf einem Luxusdampfer, haben
allen erdenklichen Komfort, aber eines fehlt: der Kompass. Wir haben die
Richtung verloren und drehen uns um uns selbst.“
Augustinus sagt:
„Unser Herz ist nicht wach, es ist nicht frei.
Es ist vollgestopft mit Vorurteilen und mit Besserwisserei, es ist
betäubt durch Geschäfte und Pflichten, gelähmt durch die Hektik.“
Ich kann mich fragen:
Was versperrt mir die Sicht? Wo sind
meine Ohren verstopft? Was schüttet die Sehnsucht meines Herzens zu?
Wachsamkeit, Offenheit sind
neutestamentliche Jüngertugenden.
Es geht um die Aufmerksamkeit für die
leisen Impulse des Herzens. Es geht um das Offensein für die innere
Wahrheitsstimme. Es geht darum, dass wir unserer Sehnsucht trauen.
Gott gibt Zeichen, Winke, Hinweise. Er
klopft an, leise und hoffend. Gott ist viel mehr auf Sendung als wir
denken.
Nur haben wir die Antenne nicht immer
ausgefahren, haben zu, dicht gemacht, uns abgeschottet, sind besetzt,
anderweitig beschäftigt.
Und doch:
„die Welt ist Gottes so voll“, sagt Alfred Delp und „er will
Begegnung und liebende Antwort“.
Glücklich, wer sich das bewahrt hat,
mitten in einer Welt des Machens und Leistens und der Zwecke und
Nützlichkeiten offen zu sein, Auge und Ohr zu haben für das Geheimnis,
die Botschaft in allen Dingen.
Glücklich, wer es sich bewahrt hat, nicht
taub, nicht blind, nicht fühllos zu sein, sondern empfindsam, spürig,
offen und ansprechbar für Gottes Ruf, seinen Fingerzeig, seinen Anstoß.
Und dann nicht zaudernd vor der
Entscheidung, sondern bereit, die nötigen Schritte zu tun.
2. Es sind Menschen in Be-weg-ung
Es sind Menschen, die sich in ihrem
„Land“ noch nicht fest angesiedelt und eingerichtet haben.
Auf das gesehene Zeichen hin, die Vision
eines messianischen Königskindes – brechen sie auf, lassen Bekanntes,
Gewohntes, Sicherheit zurück, ziehen aus, machen sich auf den Weg, auf
einen Weg, den sie nicht kennen, unbekanntem Terrain, einer ungewissen
Zukunft entgegen.
Sie beginnen eine abenteuerliche Reise,
eine Expedition im wahrsten Sinn des Wortes.
Gestandene, gelehrte Männer auf der Suche
und mit einer Sehnsucht im Herzen, Sehnsucht nach „echtem“ Leben,
Sehnsucht nach Sinn und Ziel.
Es ist die Haltung, die wir bei Abraham finden. Er lässt sich herausrufen aus seiner vertrauten
Heimat, aus Schutz und Sicherheit und macht sich auf den Weg.
Es ist die Haltung der Israeliten,
die einen Exodus wagen, Aufbruch, Auszug in eine zwar verheißene, aber
ungewisse Zukunft.
Auf-dem-Weg-Sein
gehört zum Volk Gottes. In der Apostelgeschichte wird die junge Christengemeinde der
„(neue) Weg“ genannt.
Ich kann mich fragen:
Wie ist es bei mir mit Offenheit,
Aufbruch, Wagnis?
Wie ist es bei mir mit Loslassen-Können,
mich be-weg-en lassen, einem Ziel entgegengehen?
Die Weisen warten nicht darauf, was die
anderen tun, was „man“ tut.
Sie wagen es, sich aus dem liebgewordenen
Alltag zu lösen, weil sie dem inneren Ruf, der Wahrheitsstimme, dem
Stern mehr glauben als der sicheren und behaglichen Sesshaftigkeit.
Sie haben sich noch nicht endgültig
eingewöhnt in die vier Wände ihres Habens und Wissens, nicht angepasst
an die Gesetze ihrer Umwelt und der herrschenden Verhältnisse.
Der Mensch ist ein „homo viator“,
ein Wanderer, ein Pilger, ob er will oder nicht.
Unsere Zeit fließt dahin. Was gestern
war, kann morgen schon anders sein.
Wie schnell sind wir der Kindheit
entwachsen! Wie schnell ist die Jugendzeit vorbei und die Lebensmitte
überschritten. „Wir wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden...“
heißt es in einem Lied.
Gut, wer da einem Stern folgt, gut, wer nicht ziellos
läuft!
Bei Dom Helder Camara findet sich das Wort:
„Wenn dein Boot, seit langem im Hafen vor
Anker, dir den Anschein einer Behausung erweckt, wenn dein Boot Wurzeln
zu schlagen beginnt in der Unbeweglichkeit des Kais: Suche das Weite! Um
jeden Preis müssen die reiselustige Seele deines Bootes und deine
Pilgerseele bewahrt bleiben.“
Was die Sterndeuter noch kaum ahnen,
wissen wir:
Das Kind, das sie suchen wird in seinem
Leben viel unterwegs und oft unbehaust sein.
„Die Vögel haben Nester und die Füchse Höhlen, aber der
Menschensohn hat keinen Ort, sein Haupt hinzulegen“,
beschreibt Jesus später einmal seine Lebensweise. Er wird zu Gast an
fremder Leute Tische sitzen. Er wird ein Leben auf der Straße führen –
und doch in dieser Welt sein wie niemand sonst.
Genügt es, im Gewohnten zu bleiben, im
Vertrauten, im Liebgewordenen, im Bewährten?
Oder ist da auch die Gefahr, zu
erschlaffen, abzustumpfen, sich einzurichten, immer eindimensionaler zu
leben, immer oberflächlicher und gleichgültiger?
Es geht darum, mich innerlich anrühren zu
lassen, mich be-weg-en zu lassen durch die Sehnsucht, die Gott in mein
Herz gelegt hat.
Augustinus betet in seinen Bekenntnissen:
„Du, o Gott, hast uns zu dir hin
erschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir.“
Loslassen kann für uns heißen: Mit den
Weisen aus dem 0sten aufbrechen, dem Licht entgegen, auch wenn es so
klein ist wie der Strahl eines Sterns.
3. Es sind Menschen, die Wüsten
durchwandern und sternlose Zeiten durchleben.
Wir wissen nicht, welche Reiseroute die
Weisen gewählt haben. Der Schrifttext sagt nichts darüber.
Eines ist klar: Ihr Weg war weit, ganz
anders als bei den Hirten von Bethlehem; die hatten vom Hirtenfeld bis
zum Stall eine relativ kurze Strecke.
Für viele ist der Weg zum Herrn weit
gewesen und keineswegs geradlinig. Der Weg eines Paulus war weit, auch
der eines Franziskus oder der Weg eines Charles de Foucauld und einer
Edith Stein.
Auch heute sind die Wege zu Christus oft
weit.
Unsere Zeit ist so unruhig, lärmvoll,
verwirrend, ablenkend, kompliziert.
Es gibt so viele Heilsangebote, so viele
Programme, so viele Wege.
Die Weisen kommen von weither. Der Weg
ist unabsehbar, das Ziel in ungeahnter Ferne, der Ausgang ihrer
Expedition unsicher.
Der Weg verläuft sich oft buchstäblich im
Sand: einsames Fragen, Zweifel des Herzens, Umwege, Mutlosigkeit, der
schweigende Gott. Der Stern zeigt sich nicht immer.
Sie erleben Wüsten und sternlose Zeiten
draußen und in ihrem Innern.
Es sind die Versuchungen und Prüfungen,
die auch Israel in der Wüste bedrängt haben und welche jeder, der sich
von Gott herausrufen lässt auf den Weg zu Ihm, in irgendeiner Weise
erfährt.
Diese Wüsten kann nur bestehen, wer sich
trotz aller Schwierigkeiten, Widerstände, Hindernisse, Irrlichtern und
Irrtümern der Leuchtkraft seines Sternes, sprich der Führung Gottes
anvertraut.
Bei Reinhold Schneider findet sich das Wort:
„Dir wird ein Weg, wenn du ihn wagst zu schreiten.“
Im Gehen wächst der Weg.
Und das ist das Wunder, dass im
Ausschreiten und im mutigen Wagen dem Gehorsamen und Vertrauenden immer
wieder ein Stück Weg geschenkt wird, bis er ankommt! So wie bei den
Weisen.
Ihre Reise ist mühevoll. Aber sie scheuen
die Strapazen nicht.
Sie lassen es sich etwas kosten, den
geahnten Sinn ihres Lebens zu finden.
Was sagt das uns?
Gott hat uns nicht versprochen, dass
unser Leben mühelos, sorgenfrei und ohne Leid sein wird – aber er hat
uns versprochen, immer bei uns zu sein. Gott verhindert nicht, dass wir
in Krise geraten, dass wir traurig sind und weinen – aber er hat uns
zugesagt, dass er alle Tränen abwischen wird. Gott hat nicht gesagt,
dass er alle unsere Wünsche erfüllt – aber alle seine
Verheißungen.
Die Weisen wagen zusammen das Äußerste.
Weggemeinschaft
durch alle Dunkelheiten und Fragen auf Christus hin.
Vielleicht ist hier auch gezeigt, was
Kirche ist und sein könnte!
Nicht umsonst hat Jesus seine Jünger zu
zweit auf den Weg geschickt, als er sie zu Missionsreisen aussandte.
4. Es sind Menschen, die suchen und
fragen
Ihr Weg ist nicht immer einfach, direkt.
Es gibt zu Jesus auch Umwege.
Sie kennen Orientierungslosigkeit und
müssen sich durchfragen.
Es sind Menschen mit einem langen Atem.
Sie brauchen Geduld und Durchhaltevermögen.
„Das Anfangen ist etwas Großes,
durchgehaltene Treue aber ist noch größer!“
Das Gehen des Menschen zu Gott (glauben
und vertrauen) ist keine Augenblicksaktion, sondern ein lebenslanger
Prozess,
Prozess im wörtlichen Sinn: ein
Fortschreiten, das viel Entschlossenheit, Tatkraft, Beharrlichkeit und
Konsequenz erfordert.
Als die Weisen nach Jerusalem kommen,
verlieren sie den Stern aus den Augen.
Haben sie der Botschaft ihres „Sterns“
nicht mehr gelauscht?
Hat sie die Größe und der Glanz
Jerusalems geblendet?
Dachten sie schon am Ziel zu sein? Wo
sonst als in dieser prächtigen Stadt sollte ein Königskind geboren sein?
Wer ahnt schon, dass der Traum seines
Herzens, die Vision seines Lebens sich erfüllen wird - abseits von dem,
was in den Augen der Menschen groß ist?
Ihn suchen, Jesus, mit der ganzen
Leidenschaft des Herzens und mein Leben nach ihm ausrichten und von ihm
bestimmen lassen, das kann ein sehr beschwerlicher Weg sein. Aber ganz
sicher ist es ein guter Weg.
5. Es sind Menschen, die nicht aufgeben.
Manches kommt ganz anders, als sie es
sich wohl gedacht, gewünscht und vorgestellt haben.
Sie folgen dem Stern allen Widerständen
zum Trotz und glauben an sein Neuerscheinen, als er über Jerusalem
erlischt.
Sie glauben an den Stern auch in der
sternloser Zeit.
Denn Sterne leuchten nicht immer. Es gibt
auch die finstere Nacht ohne Sterne. Es gibt den Zweifel und die
Verzweiflung. Und dunkle Nächte können sehr lange sein.
Die Weisen sind Menschen, die nicht
aufgeben, unterwegs nicht, wo ihnen der Stern abhanden kommt, in der Stadt nicht, wo ihnen Unaufrichtigkeit und Unverständnis
entgegenschlägt, am Ziel nicht, wo der gesuchte König anders
nämlich als erwartet ein einfaches Kind ist und in einem Futtertrog
liegt, nicht in einem Palast geboren, sondern in einer armseligen
Behausung.
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