geistliche Impulse

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Vortrag

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Die Sterndeuter - Epiphanie (Mt 2, 1 - 12)

I. Teil

 

EVANGELIUM                                                                                Mt 2, 1-12

Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen

 

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus

1Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem

2und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.

3Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.

4Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle.

5Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten:

6Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel.

7Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war.

8Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige.

9Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.

10Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.

11Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

12Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.

 

 

Es gibt nur wenige biblische Geschichten, die so bekannt sind wie diese Erzählung von den „Weisen aus dem Morgenland“.

Sie hat die Menschen durch die Jahrhunderte hin unglaublich fasziniert.

Wie oft ist diese Szene in Krippen dargestellt worden!

Wie oft ist diese Szene gemalt worden!

Wie oft wurde sie nacherzählt oder neu gedichtet!

Ich denke nur an die Geschichte vom vierten König!

Oder auch nachgespielt.

Ich denke an das Brauchtum der Sternsinger.

Wie oft wurde schon darüber gepredigt!

 

Was ist es, das die Menschen an dieser Erzählung so fasziniert?

Ehrlich gesagt: dass es Menschen gibt, die aus großer Ferne aufbrechen, buchstäblich alles stehen und liegen lassen, sich auf die Suche machen, in die Fremde ziehen, ins Ungewisse, dass sie unter Millionen von Sternen einen als Wegweiser erkennen, dass sie sogar Wüsten durchqueren, um schließlich vor einem Kind auf dem Schoß einer armen Mutter niederzuknien, in ihm Christus erkennen und ihm huldigen, das spricht auch mich sehr an, es fasziniert mich jedes Jahr neu.

Mir sind die Heiligen Drei Könige sehr sympathisch.

 

„Heilige Drei Könige“ nennen wir sie.

Die Schrift spricht von Magiern, Weisen, Sterndeutern.

Wenn es auch keine Könige waren, so waren es doch königliche Menschen, in denen wir uns wiederfinden können.

Für mich sind es exemplarische Menschen, Symbolfiguren, die eine Urmöglichkeit zeigen, die jedem Menschen gegeben ist: sich auf den Weg machen, dessen Verlauf man nicht kennt - dem Zeichen folgen und nicht aufgeben - einem Ziel entgegengehen, das einem verheißen, dessen man aber nicht sicher ist.

Stern, Weg, Wanderschaft, Suchen, Finden, Anbeten und Schenken sind Kennworte der Erzählung.

 

Dass es Könige waren steht nicht in der Schrift, dass es drei waren auch nicht. Darauf schloss man später auf Grund der Dreizahl der Geschenke.

Dass sie Caspar, Melchior, Balthasar hießen, ist in der Schrift auch nicht gesagt. Dazu kommt es erst Jahrhunderte später auf Grund der Haussegnung am Dreikönigsfest.

Dieser Segen, der bis heute an Haus- und Wohnungstüren geschrieben wird, lautet nämlich: „Christus Mansionem Benedicat“. Aus den Anfangsbuchstaben dieser drei Worte hat man die Namen der Heiligen Drei Könige abgeleitet.

 

Die Schrift spricht von Magiern bzw. Sterndeutern, eine Berufsbezeichnung, die es schon lange nicht mehr gibt. Aus der Beobachtung der Sterne, aus bestimmten Stellungen und Zuordnungen der Gestirne deuteten sie Ereignisse oder sagten Zukünftiges voraus. Ihre Sicht der Dinge war sehr gefragt und ihr Rat war wichtig für viele Entscheidungen, persönliche wie gesellschaftliche und politische. Noch heute sprechen wir davon, daß etwas unter einem guten oder schlechten Stern steht.

 

Die Schrift sagt, dass sie aus dem Osten kamen. Als solche

personifizieren sie die ganze Weisheit und Religiosität des Ostens, die sich damals - wie heute - großer Beliebtheit erfreute.

 

Was hat die Sterndeuter auf die Beine gebracht?

Wer hat ihnen den entscheidenden Impuls gegeben loszuziehen?

Traditionen? Unbestimmte Ahnungen? Außergewöhnliche Zeichen oder Konstellationen am Sternenhimmel? Ein Komet? Ein kosmisches Ereignis? Eine sensationelle Veränderung am Firmament? War es Erlösungssehnsucht? Oder ein Gemisch von all dem?

 

Wir wissen es nicht. Klar ist nur eines: Die Führung durch Gott.

Symbol der göttlichen Führung ist der Stern.

 

Eine andere Frage ist: Was wollte Matthäus, der als einziger der vier Evangelisten die Geschichte von den Sterndeutern in sein Evangelium aufgenommen hat, mitteilen? Was wollte er sagen?

 

Gewiss ist: Er wollte uns kein historisches Ereignis mitteilen.

Er wollte keine Reportage bringen. Es ging ihm nicht um äußere Daten und Fakten.

Matthäus wollte viel mehr eine wichtige Glaubensaussage machen.

Und zwar folgende: Jesus ist nicht nur das Heil für das Volk Israel, sondern auch ein Licht, das die Heiden erleuchtet. (vgl. auch Lk 2, 29 - 32)

 

Es sind Heiden, die den Weg zum neugeborenen König der Juden finden. Und während sich die führenden Repräsentanten Israels Jesus verweigern, werden sich Menschen anderer Völker und Kulturen für das Evangelium der Gottesherrschaft öffnen.

 

Ja, die Erzählung von den Sterndeutern zeigt auf:

Der verheißene Retter, der Messiaskönig, wird von Anfang an von seinem Volk abgelehnt, ja verfolgt. (Unmittelbar nach der Erzählung von den Sterndeutern steht bei Matthäus der Bericht von der Flucht nach Ägypten und vom Kindermord von Bethlehem).

Von Anfang an scheiden sich an Jesus die Geister. Die, die ihn kennen müssten, verschließen sich; denen, die ihn „von Herzen suchen“ erschließt sich sein Geheimnis.

Das Wunder des Glaubens und die Tragik des Unglaubens liegen ganz nah beieinander!

 

Heiden kommen und ehren Jesus als ihren Gott und Herrn.

Schon am Anfang des Matthäusevangeliums weitet sich der Blick über Israel hinaus.

Am Ende des Matthäusevangeliums lautet dann der Auftrag Jesu:

„Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern...“

Es geht Matthäus um die Universalität des Heilswillens Gottes.

Der Immanuel, der „Gott mit uns“, ist der Gott aller Menschen.

Sein Heil ist grenzenlos. Allen Menschen wird zuteil: Gottes Heil.

Die Sterndeuter sind Vorboten und Vertreter einer künftigen, weltweiten Christenheit.

 

Der Weg der Sterndeuter ist aber auch ein Spiegel unserer eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte mit allem Auf und Ab, Dunkel und Licht, Ungewißheit und Wagnis, Suchen und Finden, Freude und Enttäuschung.

Nicht umsonst werden die drei Weisen auf Bildern der Kunst oft den verschiedenen menschlichen Lebensaltern zugeordnet.

Einer sieht noch ganz jugendlich aus, der zweite steht in der Lebensmitte und der dritte ist als Greis gezeichnet.

So dürfen wir in den Sterndeutern exemplarische Menschen sehen und in ihrem Unterwegssein tatsächlich einen Spiegel unseres Lebensweges, unserer Pilgerschaft einem Ziel, Sinn und Ziel entgegen.

Wir selbst sind es, die in dieser Sterndeuter-Geschichte vorkommen. Sie sagt aus, was mit jedem von uns auf seinem Glaubensweg geschehen kann. Nur verdichtet die Sterndeuter‑Geschichte und rafft zeitlich, wozu es bei uns oft ein ganzes Leben braucht.

Auch ist bei der Sterndeuter-Geschichte das, was geschieht, ein äußeres Geschehen, das sich aber in unserem Leben vorwiegend innerlich abspielt. Wir können und sollen uns also in den Weisen wiederfinden.

 

Machen wir uns mit ihnen auf den Weg und schauen wir einmal, was sie und die anderen Personen, die in der Erzählung vorkommen, uns zu sagen haben!

 

1. Es sind wache Menschen, achtsam, aufmerksam, offen für Zeichen, hellsichtig, hellhörig, ansprechbar und ihrer Sehnsucht trauen.

 

Nicht das Studium der Zeitung, nicht die Tagesschau mit den neuesten Nachrichten von den Palastintrigen im Judenland, auch nicht endloses Surfen im Internet und der Austausch der Informationen mit aller Welt haben ihnen ihre Ahnung, ja ihr Wissen vom neugeborenen König der Juden gegeben, sondern der Blick nach oben, das Schauen zum Himmel.

 

In einem fernen Land des Orients sehen sie einen Stern.

Inmitten ihres gesicherten Lebens halten sie nach etwas Größerem Ausschau. Sie schauen auf, sie schauen nach oben. Ihr Blick ist nicht eingeengt und gebeugt auf irdische Sorgen und Nöte, nicht fixiert auf Zwecke und Leistungen, nicht gebannt auf das Nur-Irdische. Sie haben die Sehnsucht des Herzens nicht zugedeckt und erstickt in Geschäftigkeit und ruheloser Betriebsamkeit.

Sie spüren, dass es noch mehr als das alles geben muß.

Was sie täglich umgibt und das Leben der anderen ausmacht, genügt ihnen nicht.

„Gott nur genügt“, sagt Theresia von Avila.

 

Die Weisen leben mit einem aufmerksamen, horchendem, sehnsüchtig ausgespanntem Herzen; sensibel und wach, die leisen Berührungen und Impulse zu spüren und bereit, entsprechend zu reagieren und in konkretem Tun Antwort zu geben, entschieden zu handeln.

Sie lassen alles hinter sich und folgen vertrauensvoll dem Stern.

Die Weisen können uns Mut machen, das Abenteuer eines Lebens zu wagen, dem nichts anderes genügt als Gott allein.

 

Den Stern konnten alle wahrnehmen. Er stand sichtbar am Himmel wie der Mond in klaren Nächten. Und viele sahen ihn trotzdem nicht. Oder sie sahen ihn, haben auch darüber geredet und diskutiert, ließen sich vielleicht auch für einen flüchtigen Augenblick anrühren, aber ließen die Sache nicht wirklich an sich heran als etwas, das sie angeht, gingen vielmehr wieder zur Tagesordnung über, vergaßen das Ungewöhnliche, überließen sich wieder dem Vertrauten, dem Kleinen, dem Begrenzten und hielten die Weisen vielleicht sogar ein bißchen für verrückt und sahen sie irgendwie als Spinner oder Narren an, die auf Grund eines Zeichens auf ein außergewöhnliches Ereignis schließen.

 

Für die Weisen ist der Stern aber nicht nur Zeichen für ein außergewöhnliches Ereignis, sondern er ist ihnen Wegweiser und Fingerzeig. Der Stern läßt in ihnen die Sehnsucht nach mehr, nach Größerem aufleben. Sie spüren, dass in ihnen noch mehr leben will, dass noch entscheidendes in ihrem Leben und auf ihrem Weg aussteht. Sie nehmen den Stern wahr und sein Leuchten zeigt ihnen die Richtung, in die sie aufbrechen müssen, damit das noch nicht Gelebte in ihnen zum Leben kommen darf.

 

Ich kann mich fragen:

Wie ist es um meine Achtsamkeit und Wachsamkeit bestellt?

Wo bin ich blind und taub oder abgestumpft und oberflächlich für die Zeichen Gottes in meinem Leben, die Zeichen der Zeit in Kirche und Welt?

Nehme ich sie wahr? Verstehe ich sie zu deuten?

Erkenne ich das Zeichen durch das Gott mich auf den Weg bringen will? Wie reagiere ich?

 

Anders gefragt:

Höre ich ihn? Höre ich die Stimme, die innere Wahrheitsstimme?

Sie hören, nicht überhören und ihr folgen!

Oder nochmals anders gefragt:

Schaue ich nach dem Stern, nehme ich ihn wahr, meinen Stern? Und traue ich mich, dem Stern zu folgen, breche ich auf, mache ich mich auf den Weg?

 

Von dem Physiker Werner Heisenberg stammt das Wort:

„Wir fahren auf einem Luxusdampfer, haben allen erdenklichen Komfort, aber eines fehlt: der Kompaß. Wir haben die Richtung verloren und drehen uns um uns selbst.“

Augustinus sagt: „Unser Herz ist nicht wach, es ist nicht frei. Es ist vollgestopft mit Vorurteilen und mit Besserwisserei, es ist betäubt durch Geschäfte und Pflichten, gelähmt durch die Hektik.“

 

Ich kann mich fragen:

Was versperrt mir die Sicht? Wo sind meine Ohren verstopft? Was schüttet die Sehnsucht meines Herzens zu?

 

Wachsamkeit, Offenheit sind neutestamentliche Jüngertugenden.

Es geht um die Aufmerksamkeit für die leisen Impulse des Herzens. Es geht um das Offensein für die innere Wahrheitsstimme. Es geht darum, dass wir unserer Sehnsucht trauen.

Gott gibt Zeichen, Winke, Hinweise. Er klopft an, leise und hoffend. Gott ist viel mehr auf Sendung als wir denken.

Nur haben wir die Antenne nicht immer ausgefahren, haben zu, dicht gemacht, uns abgeschottet, sind besetzt, anderweitig beschäftigt.

Und doch: „die Welt ist Gottes so voll“, sagt Alfred Delp und „er will Begegnung und liebende Antwort“.

 

Glücklich, wer sich das bewahrt hat, mitten in einer Welt des Machens und Leistens und der Zwecke und Nützlichkeiten offen zu sein, Auge und Ohr zu haben für das Geheimnis, die Botschaft in allen Dingen.

Glücklich, wer es sich bewahrt hat, nicht taub, nicht blind, nicht fühllos zu sein, sondern empfindsam, spürig, offen und ansprechbar für Gottes Ruf, seinen Fingerzeig, seinen Anstoß.

Und dann nicht zaudernd vor der Entscheidung, sondern bereit, die nötigen Schritte zu tun.

 

2. Es sind Menschen in Be-weg-ung

Es sind Menschen, die sich in ihrem „Land“ noch nicht fest angesiedelt und eingerichtet haben.

Auf das gesehene Zeichen hin, die Vision eines messianischen Königskindes – brechen sie auf, lassen Bekanntes, Gewohntes, Sicherheit zurück, ziehen aus, machen sich auf den Weg, auf einen Weg, den sie nicht kennen, unbekanntem Terrain, einer ungewissen Zukunft entgegen.

Sie beginnen eine abenteuerliche Reise, eine Expedition im wahrsten Sinn des Wortes.

Gestandene, gelehrte Männer auf der Suche und mit einer Sehnsucht im Herzen, Sehnsucht nach „echtem“ Leben, Sehnsucht nach Sinn und Ziel.

Es ist die Haltung, die wir bei Abraham finden. Er läßt sich herausrufen aus seiner vertrauten Heimat, aus Schutz und Sicherheit und macht sich auf den Weg.

Es ist die Haltung der Israeliten, die einen Exodus wagen, Aufbruch, Auszug in eine zwar verheißene, aber ungewisse Zukunft.

Auf-dem-Weg-Sein gehört zum Volk Gottes. In der Apg. wird die junge Christengemeinde der „(neue) Weg“ genannt.

 

Ich kann mich fragen:

Wie ist es bei mir mit Offenheit, Aufbruch, Wagnis?

Wie ist es bei mir mit Loslassen-Können, mich be-weg-en lassen, einem Ziel entgegengehen?

 

Die Weisen warten nicht darauf, was die anderen tun, was „man“ tut.

Sie wagen es, sich aus dem liebgewordenen Alltag zu lösen, weil sie dem inneren Ruf, der Wahrheitsstimme, dem Stern mehr glauben als der sicheren und behaglichen Seßhaftigkeit.

Sie haben sich noch nicht endgültig eingewöhnt in die vier Wände ihres Habens und Wissens, nicht angepasst an die Gesetze ihrer Umwelt und der herrschenden Verhältnisse.

Der Mensch ist ein „homo viator“, ein Wanderer, ein Pilger, ob er will oder nicht.

Unsere Zeit fließt dahin. Was gestern war, kann morgen schon anders sein.

Wie schnell sind wir der Kindheit entwachsen! Wie schnell ist die Jugendzeit vorbei und die Lebensmitte überschritten. „Wir wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden...“ heißt es in einem Lied.

Gut, wer da einem Stern folgt, gut, wer nicht ziellos läuft!

 

Bei Dom Helder Camara findet sich das Wort:

„Wenn dein Boot, seit langem im Hafen vor Anker, dir den Anschein einer Behausung erweckt, wenn dein Boot Wurzeln zu schlagen beginnt in der Unbeweglichkeit des Kais: Suche das Weite! Um jeden Preis müssen die reiselustige Seele deines Bootes und deine Pilgerseele bewahrt bleiben.“

 

Was die Sterndeuter noch kaum ahnen, wissen wir:

Das Kind, das sie suchen wird in seinem Leben viel unterwegs und oft unbehaust sein.

„Die Vögel haben Nester und die Füchse Höhlen, aber der Menschensohn hat keinen Ort, sein Haupt hinzulegen“, beschreibt Jesus später einmal seine Lebensweise. Er wird zu Gast an fremder Leute Tische sitzen. Er wird ein Leben auf der Straße führen – und doch in dieser Welt sein wie niemand sonst.

 

Genügt es, im Gewohnten zu bleiben, im Vertrauten, im Liebgewordenen, im Bewährten?

Oder ist da auch die Gefahr, zu erschlaffen, abzustumpfen, sich einzurichten, immer eindimensionaler zu leben, immer oberflächlicher und gleichgültiger?

Es geht darum, mich innerlich anrühren zu lassen, mich be-weg-en zu lassen durch die Sehnsucht, die Gott in mein Herz gelegt hat.

 

Augustinus betet in seinen Bekenntnissen:

„Du, o Gott, hast uns zu dir hin erschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir.“

Loslassen kann für uns heißen: Mit den Weisen aus dem 0sten aufbrechen, dem Licht entgegen, auch wenn es so klein ist wie der Strahl eines Sterns.

 

3. Es sind Menschen, die Wüsten durchwandern und sternlose Zeiten durchleben.

Wir wissen nicht, welche Reiseroute die Weisen gewählt haben. Der Schrifttext sagt nichts darüber.

Eines ist klar: Ihr Weg war weit, ganz anders als bei den Hirten von Bethlehem; die hatten vom Hirtenfeld bis zum Stall eine relativ kurze Strecke.

 

Für viele ist der Weg zum Herrn weit gewesen und keineswegs geradlinig. Der Weg eines Paulus war weit, auch der eines Franziskus oder der Weg eines Charles de Foucauld und einer Edith Stein.

 

Auch heute sind die Wege zu Christus oft weit.

Unsere Zeit ist so unruhig, lärmvoll, verwirrend, ablenkend, kompliziert.

Es gibt so viele Heilsangebote, so viele Programme, so viele Wege.

 

Die Weisen kommen von weither. Der Weg ist unabsehbar, das Ziel in ungeahnter Ferne, der Ausgang ihrer Expedition unsicher.

Der Weg verläuft sich oft buchstäblich im Sand: einsames Fragen, Zweifel des Herzens, Umwege, Mutlosigkeit, der schweigende Gott. Der Stern zeigt sich nicht immer.

Sie erleben Wüsten und sternlose Zeiten draußen und in ihrem Innern.

 

Es sind die Versuchungen und Prüfungen, die auch Israel in der Wüste bedrängt haben und welche jeder, der sich von Gott herausrufen lässt auf den Weg zu Ihm, in irgendeiner Weise erfährt.

Diese Wüsten kann nur bestehen, wer sich trotz aller Schwierigkeiten, Widerstände, Hindernisse, Irrlichtern und Irrtümern der Leuchtkraft seines Sternes, sprich der Führung Gottes anvertraut.

 

Bei Reinhold Schneider findet sich das Wort:

„Dir wird ein Weg, wenn du ihn wagst zu schreiten.“

Im Gehen wächst der Weg.

Und das ist das Wunder, dass im Ausschreiten und im mutigen Wagen dem Gehorsamen und Vertrauenden immer wieder ein Stück Weg geschenkt wird, bis er ankommt! So wie bei den Weisen.

Ihre Reise ist mühevoll. Aber sie scheuen die Strapazen nicht.

Sie lassen es sich etwas kosten, den geahnten Sinn ihres Lebens zu finden.

Was sagt das uns?

Gott hat uns nicht versprochen, dass unser Leben mühelos, sorgenfrei und ohne Leid sein wird – aber er hat uns versprochen, immer bei uns zu sein. Gott verhindert nicht, dass wir in Krise geraten, dass wir traurig sind und weinen – aber er hat uns zugesagt, dass er alle Tränen abwischen wird. Gott hat nicht gesagt, dass er alle unsere Wünsche erfüllt – aber alle seine Verheißungen.

 

Die Weisen wagen zusammen das Äußerste.

Weggemeinschaft durch alle Dunkelheiten und Fragen auf Christus hin.

Vielleicht ist hier auch gezeigt, was Kirche ist und sein könnte!

Nicht umsonst hat Jesus seine Jünger zu zweit auf den Weg geschickt, als er sie zu Missionsreisen aussandte.

 

4. Es sind Menschen, die suchen und fragen

Ihr Weg ist nicht immer einfach, direkt. Es gibt zu Jesus auch Umwege.

Sie kennen Orientierungslosigkeit und müssen sich durchfragen.

 Es sind Menschen mit einem langen Atem. Sie brauchen Geduld und Durchhaltevermögen.

„Das Anfangen ist etwas Großes, durchgehaltene Treue aber ist noch größer!“

 

Das Gehen des Menschen zu Gott (glauben und vertrauen) ist keine Augenblicksaktion, sondern ein lebenslanger Prozess,

Pro-zess im wörtlichen Sinn: ein Fortschreiten, das viel Entschlossenheit, Tatkraft, Beharrlichkeit und Konsequenz erfordert.

 

Als die Weisen nach Jerusalem kommen, verlieren sie den Stern aus den Augen.

Haben sie der Botschaft ihres „Sterns“ nicht mehr gelauscht?

Hat sie die Größe und der Glanz Jerusalems geblendet?

Dachten sie schon am Ziel zu sein? Wo sonst als in dieser prächtigen Stadt sollte ein Königskind geboren sein?

 

Wer ahnt schon, dass der Traum seines Herzens, die Vision seines Lebens sich erfüllen wird - abseits von dem, was in den Augen der Menschen groß ist?

Ihn suchen, Jesus, mit der ganzen Leidenschaft des Herzens und mein Leben nach ihm ausrichten und von ihm bestimmen lassen, das kann ein sehr beschwerlicher Weg sein. Aber ganz sicher ist es ein guter Weg.

 

5. Es sind Menschen, die nicht aufgeben.

Manches kommt ganz anders, als sie es sich wohl gedacht, gewünscht und vorgestellt haben.

Sie folgen dem Stern allen Widerständen zum Trotz und glauben an sein Neuerscheinen, als er über Jerusalem erlischt.

Sie glauben an den Stern auch in der sternloser Zeit.

Denn Sterne leuchten nicht immer. Es gibt auch die finstere Nacht ohne Sterne. Es gibt den Zweifel und die Verzweiflung. Und dunkle Nächte können sehr lange sein.

 

Die Weisen sind Menschen, die nicht aufgeben, unterwegs nicht, wo ihnen der Stern abhanden kommt, in der Stadt nicht, wo ihnen Unaufrichtigkeit und Unverständnis entgegenschlägt, am Ziel nicht, wo der gesuchte König anders nämlich als erwartet ein einfaches Kind ist und in einem Futtertrog liegt, nicht in einem Palast geboren, sondern in einer armseligen Behausung.