EVANGELIUM
All das hast du den
Weisen verborgen, den Unmündigen aber hast du es offenbart
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
25In
jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und
der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den
Unmündigen aber offenbart hast.
26Ja,
Vater, so hat es dir gefallen.
27Mir
ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur
der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der
Sohn offenbaren will.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wo ordnen Sie sich ein?
Rechnen Sie sich zu den „Klugen“ oder eher zu den „Unmündigen“? Oder
sagen sie: Ich weiß nicht? Weder - noch?
Nun, zur Zeit Jesu war
klar, wohin jemand gehörte.
Die Weisen und Klugen
waren die wenigen Gebildeten, die sich in den Schriften des Alten Bundes
auskannten oder in der Philosophie bewandert waren und die sich auf ihre
Klugheit und ihr Wissen oft etwas einbildeten.
Die Unmündigen, das
waren diejenigen, die nicht die Gelegenheit hatten zu studieren,
gelehrte Bücher zu lesen oder sich in der Thora auszukennen, dem Gesetz
Gottes mit seinen hunderten von Geboten und Verboten.
Die Unmündigen, das
waren diejenigen, die sich in vielfacher Hinsicht als abhängig und ohne
eigene Stimme erfuhren – also im wahrsten Sinne des Wortes – als
„unmündig“.
Nun macht Jesus
aber die Erfahrung, dass Gott sich offensichtlich diesen „Unmündigen“
in besonderer Weise mitteilt, sich ihnen – so die Sprache des
Evangeliums – „offenbart“. Das heißt: Ihnen geht auf und sie
erkennen, wie er ist und wer er ist. Sie finden eher zum Glauben an ihn
als die Wissenden, die Klugen, die meinen, auch über Gott ganz genau
Bescheid zu wissen. Doch genau diese Haltung des Wissens,
Vielwissens, ganz genau Bescheid-Wissens und Besser-Wissens birgt auch
die Gefahr, Jesus und seiner Heilsbotschaft gegenüber taub und immun zu
werden, unfähig zu sein, sich offen und vorbehaltlos auf ihn
einzulassen.
Wer sind die
Unmündigen? Es sind z. B. die Hirten von Betlehem. Es ist Maria, die
einfache Frau aus Nazareth. Es sind Handwerker wie Josef, der
Zimmermann. Es sind Fischer von See Genezareth, Hausfrauen wie Marta und
Maria. Es sind Leute wie der Zöllner Zachäus, über die man die Nase
rümpft. Es sind Sünder und Sünderinnen, auf die man von oben
herabschaut, wie auf die Frau, die Jesus im Haus des Pharisäers die Füße
salbt. – Es sind vor allem die Geplagten, die Armen, die Kranken und
Gestrandeten. Menschen, die sich als hilfsbedürftig erfahren und um ihre
Heilsbedürftigkeit wissen, Menschen, die nicht alles von sich, sondern
alles von Gott erwarten.
Und sehen Sie:
Diese Erfahrung lässt Jesus ganz spontan in einen Jubelruf ausbrechen,
in einen Lobpreis auf Gott: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels
und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den
Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.“
Mit „all das“, was
geoffenbart wurde, ist die Botschaft vom Reich Gottes gemeint, die Jesus
verkündet hat. Die Botschaft von einem rettenden und liebenden Gott.
„Verborgen“ blieb
es den „Klugen und Weisen“. Gemeint sind die damaligen Schriftgelehrten,
die Gesetzeskundigen, die Pharisäer und geistlichen Führer Israels. Sie
taten sich schwer, sich der Botschaft vom Heil zu öffnen. Sie blieben
skeptisch, misstrauisch, verschlossen. Sie vermochten es nicht, sich auf
Jesus einzulassen. Sie erkannten nicht, was ihnen zum Shalom, zum Heil,
zum Frieden dienen wollte.
„Offenbart“
hingegen wurde die Heilsbotschaft den „Unmündigen“. Gemeint sind
diejenigen, die über keine theologische und bibelwissenschaftliche
Gelehrsamkeit verfügten. Es waren die im guten Sinne „Einfältigen“, die
Menschen mit schlichtem und einfachem Herzen. Es waren die mit leeren
Händen vor Gott, die vor Gott Armen. Sie preist Jesus selig. Denn sie
öffneten ihr Herz und ließen sich von Jesus mit der Liebe Gottes
beschenken.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wir mögen uns noch so in
der Bibel auskennen und fit und firm sein in der Glaubenslehre der
Kirche. Dies alles ist zu wenig, ja es ist vergeblich, wenn wir nicht in
eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus kommen. – Nicht ein
Wissensglaube, sondern ein Erfahrungsglaube lässt uns den Zugang finden
zu dem Gott, der sich schon im Alten Bund – dann aber besonders in Jesus
Christus – kundgetan hat als ein Gott „mit uns“, ein Gott ganz nah „bei
uns“ und in seiner Geistkraft als Gott „in uns“.
Wie erfahre ich die
heilende Nähe Jesu? Sicher nicht über den Weg der Gelehrsamkeit und
theologischer Wahrheiten.
Damals und heute
gibt es nur einen einzigen wirksamen Zugang zu IHM: Mich IHM – ohne Wenn
und Aber – mit kindlichem Vertrauen – anheimgeben, mich IHM schlicht und
einfach anvertrauen.
Dann darf auch ich
einstimmen in das Gebet Jesu: „Ich preise dich, Vater, Herr des
Himmels und der Erde, weil du all das den Klugen und Weisen verborgen,
aber den Unmündigen“ – mir Unmündigem – „offenbart hast. Ja, Vater, so
hat es dir gefallen.“ |