Am
Sonntag nach Weihnachten feiert die Kirche das Fest der Heiligen
Familie.
„Heilige
Familie“, heißt das „Familienidyll“, „Bilderbuchfamilie“?
„Heilige
Familie“, bedeutet das „heile Familie“?
Eine
Familie weit entfernt von unseren Sorgen und Nöten?
Ganz und
gar nicht!
Maria,
Josef und Jesus sind von den Härten des Lebens keineswegs verschont
geblieben. Im Gegenteil!
Sie haben
Not und Leid voll zu spüren bekommen.
Da ist
zunächst die Schwangerschaft Mariens, welche die beiden Verlobten in
eine große Beziehungskrise stürzt. Josef ist nicht der Vater des Kindes
und soll trotzdem die Vaterrolle und damit Verantwortung übernehmen.
Dann
folgt die Herbergsuche, verschlossene Türen, verschlossene Herzen.
Schließlich die Geburt in einem armen Stall. Dann die Flucht vor
Herodes. Nachts auf die Straße, über die Grenze, in ein fremdes Land.
Heute
hören wir im Evangelium, wie Jesus bei der Wallfahrt nach Jerusalem
verloren geht. Der Zwölfjährige seilt sich ab, er büxt aus – anscheinend
ohne Rücksprache. Er geht eigene Wege. Er macht sich selbständig. Seine
Eltern suchen ihn verzweifelt drei Tage lang.
Von wegen
„Heilige Familie“ = „heile Welt“!
Die Sache
eskaliert: „Kind, wie konntest du uns das antun?“
fragt ihn
seine Mutter vorwurfsvoll – und verweist auf ihre und des Vaters Angst
und Schmerz.
Wer
könnte Maria und Josef nicht verstehen?
Welche
Eltern haben nicht auch schon mal so gefragt?
Welche
Eltern haben nicht – genauso wie Maria und Josef – schmerzhaft und
mühevoll lernen müssen loszulassen, ihr Kind oder ihre Kinder in ihr
eigenes Leben zu entlassen?
„Wusstet ihr nicht, dass ich dem sein muss, was meinem Vater gehört?“
fragt Jesus.
Eigentlich eine freche Antwort. Und keine Entschuldigung.
Der
Zwölfjährige wird erwachsen und unmissverständlich macht er seinen
Eltern klar, dass er sich von ihnen ablösen wird, dass er nicht mehr nur
ihr Sohn ist, sondern dass er woanders hingehört und woanders beheimatet
ist. Jesus spürt, dass er ein Geheimnis in sich trägt, das von Gott
kommt und mit Gott zu tun hat. Er wird sich bewusst, dass Gott sein
eigentlicher Vater ist.
Für Maria
und Josef ist der ganze Vorfall allerdings eine harte Probe. Sie
reagieren betroffen und entsetzt. Und es heißt ausdrücklich, dass sie
Jesus nicht verstehen.
Das wird
auch später immer wieder einmal der Fall sein, z. B., wenn seine Mutter
und andere Verwandte Jesus zurückholen wollen, weil sie meinen er sei
von Sinnen.
An der
Stelle fragt Jesus: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“
Von wegen
„Familienidyll“! Maria und Josef müssen manche schmerzhafte Erfahrung
durchleiden. Das Leben war – wie in vielen unserer Familien auch – nicht
ohne Spannungen und Konflikte.
Aber ich
denke, gerade deswegen kann die Heilige Familie Vorbild sein für jede
christliche Familie auch heute.
Was
auffällt und bemerkenswert ist:
Jesu Leben steht unter einem „Muss“.
„Wusstet
ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“
Für Jesus
steht Gott und der Wille Gottes an erster Stelle.
Alles
andere, auch die Familie, ist nachrangig.
Das
göttliche „Muss“ gilt nicht allein für Jesus, den Sohn Gottes.
Wir alle
sind Töchter und Söhne Gottes. Auch unser Ursprung ist in Gott. –
Gewiss, wir können diesen Ursprung vergessen, wir können ihn
vernachlässigen oder leugnen.
Aber dann
berauben wir uns unserer eigenen Quelle.
Wer
jedoch der Grundmelodie seines Lebens folgt, der eigenen Berufung und
Sendung, dessen Leben bleibt nicht verschont von Kreuz und Leid, aber es
gelangt ans Ziel, es wird – aufs Ganze gesehen – sinnvoll und gut.
Von Maria
heißt es noch, dass sie über alles nachdachte und die Worte und
Geschehnisse in ihrem Herzen bewegte.
Vieles
braucht Zeit. Manches muss sich erst setzen. Manches muss erst „verdaut“
werden.
Aber
Maria hat sich von dem, was sie gehört hat und was ihr widerfahren ist,
berühren und zum Nachdenken anregen lassen. Sie hat es in ihrem Herzen
bewahrt und reifen lassen, bis die anderen „drei Tage“ kamen und die
neue Begegnung am Ostermorgen.
Gerade darin kann Maria uns Vorbild sein, die Dinge und Geschehnisse –
auch die leidvollen und schmerzhaften – nicht zu zudecken oder zu
verdrängen, sondern in der Stille, in der Besinnung, in der Betrachtung,
im Gebet und in der Meditation, all das, was uns beweget, all die Dinge,
die uns auch manchmal zu schaffen machen, im Herzen zu erwägen, vor Gott
hinzutragen und alles letztlich seiner Allmacht, seiner Führung und
seiner Gnade zu überlassen, gemäß dem Wort Mariens: „Mir geschehe nach deinem Wort.“
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