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Heilige Familie - heile Familie? (Lk 2, 41 - 52)
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Am Sonntag nach Weihnachten feiert die Kirche das Fest der Heiligen Familie.
„Heilige Familie“, heißt das „Familienidyll“, „Bilderbuchfamilie“? „Heilige Familie“, bedeutet das „heile Familie“? Eine Familie weit entfernt von unseren Sorgen und Nöten? Ganz und gar nicht!
Maria, Josef und Jesus sind von den Härten des Lebens keineswegs verschont geblieben. Im Gegenteil! Sie haben Not und Leid voll zu spüren bekommen.
Da ist zunächst die Schwangerschaft Mariens, welche die beiden Verlobten in eine große Beziehungskrise stürzt. Josef ist nicht der Vater des Kindes und soll trotzdem die Vaterrolle und damit Verantwortung übernehmen.
Dann folgt die Herbergsuche, verschlossene Türen, verschlossene Herzen. Schließlich die Geburt in einem armen Stall. Dann die Flucht vor Herodes. Nachts auf die Straße, über die Grenze, in ein fremdes Land.
Heute hören wir im Evangelium, wie Jesus bei der Wallfahrt nach Jerusalem verloren geht. Der Zwölfjährige seilt sich ab, er büxt aus – anscheinend ohne Rücksprache. Er geht eigene Wege. Er macht sich selbständig. Seine Eltern suchen ihn verzweifelt drei Tage lang.
Von wegen „Heilige Familie“ = „heile Welt“! Die Sache eskaliert: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ fragt ihn seine Mutter vorwurfsvoll – und verweist auf ihre und des Vaters Angst und Schmerz.
Wer könnte Maria und Josef nicht verstehen? Welche Eltern haben nicht auch schon mal so gefragt? Welche Eltern haben nicht – genauso wie Maria und Josef – schmerzhaft und mühevoll lernen müssen loszulassen, ihr Kind oder ihre Kinder in ihr eigenes Leben zu entlassen?
„Wusstet ihr nicht, dass ich dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ fragt Jesus. Eigentlich eine freche Antwort. Und keine Entschuldigung.
Der Zwölfjährige wird erwachsen und unmissverständlich macht er seinen Eltern klar, dass er sich von ihnen ablösen wird, dass er nicht mehr nur ihr Sohn ist, sondern dass er woanders hingehört und woanders beheimatet ist. Jesus spürt, dass er ein Geheimnis in sich trägt, das von Gott kommt und mit Gott zu tun hat. Er wird sich bewusst, dass Gott sein eigentlicher Vater ist.
Für Maria und Josef ist der ganze Vorfall allerdings eine harte Probe. Sie reagieren betroffen und entsetzt. Und es heißt ausdrücklich, dass sie Jesus nicht verstehen.
Das wird auch später immer wieder einmal der Fall sein, z. B., wenn seine Mutter und andere Verwandte Jesus zurückholen wollen, weil sie meinen er sei von Sinnen. An der Stelle fragt Jesus: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“
Von wegen „Familienidyll“! Maria und Josef müssen manche schmerzhafte Erfahrung durchleiden. Das Leben war – wie in vielen unserer Familien auch – nicht ohne Spannungen und Konflikte. Aber ich denke, gerade deswegen kann die Heilige Familie Vorbild sein für jede christliche Familie auch heute.
Was auffällt und bemerkenswert ist: Jesu Leben steht unter einem „Muss“. „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ Für Jesus steht Gott und der Wille Gottes an erster Stelle. Alles andere, auch die Familie, ist nachrangig.
Das göttliche „Muss“ gilt nicht allein für Jesus, den Sohn Gottes. Wir alle sind Töchter und Söhne Gottes. Auch unser Ursprung ist in Gott. – Gewiss, wir können diesen Ursprung vergessen, wir können ihn vernachlässigen oder leugnen. Aber dann berauben wir uns unserer eigenen Quelle. Wer jedoch der Grundmelodie seines Lebens folgt, der eigenen Berufung und Sendung, dessen Leben bleibt nicht verschont von Kreuz und Leid, aber es gelangt ans Ziel, es wird – aufs Ganze gesehen – sinnvoll und gut.
Von Maria heißt es noch, dass sie über alles nachdachte und die Worte und Geschehnisse in ihrem Herzen bewegte. Vieles braucht Zeit. Manches muss sich erst setzen. Manches muss erst „verdaut“ werden. Aber Maria hat sich von dem, was sie gehört hat und was ihr widerfahren ist, berühren und zum Nachdenken anregen lassen. Sie hat es in ihrem Herzen bewahrt und reifen lassen, bis die anderen „drei Tage“ kamen und die neue Begegnung am Ostermorgen. Gerade darin kann Maria uns Vorbild sein, die Dinge und Geschehnisse – auch die leidvollen und schmerzhaften – nicht zu zudecken oder zu verdrängen, sondern in der Stille, in der Besinnung, in der Betrachtung, im Gebet und in der Meditation, all das, was uns beweget, all die Dinge, die uns auch manchmal zu schaffen machen, im Herzen zu erwägen, vor Gott hinzutragen und alles letztlich seiner Allmacht, seiner Führung und seiner Gnade zu überlassen, gemäß dem Wort Mariens: „Mir geschehe nach deinem Wort.“ |
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