Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist eines der ältesten Feste der
Christenheit, das wir heute feiern. Und gleichzeitig ist es das jüngste
Dogma der Kirche, von Papst Pius XII. 1950 feierlich verkündet.
Allerdings, in der Bibel ist vom heutigen
Festgeheimnis mit keinem Wort die Rede. Da wird zwar die Himmelfahrt
Jesu berichtet, aber von einer Aufnahme Mariens steht nirgendwo etwas.
Hat also dieses Fest gar keine biblische
Grundlage? Ist das, was wir heute feiern, aus der Luft gegriffen? Ist
die Aufnahme Mariens in den Himmel vielleicht mehr Wunschtraum als
Wirklichkeit?
Doch wie kommt’s, dass sich schon in den
ersten Jahrhunderten diese Glaubenswahrheit herausgebildet hat und sehr
früh schon in der Kirche gefeiert wurde? – Auch wenn von einer Aufnahme
Mariens in den Himmel in der heiligen Schrift nicht die Rede ist, so
sind doch die Keime des Festgeheimnisses vorhanden.
Maria durfte die Worte des Engels
hören: „Du bist voll der Gnade.“ – Elisabeth sagte zu Maria:
„Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen.“ – Von sich selbst
sagt Maria: „Großes hat an mir getan der Mächtige.“ – Und:
„Selig werden mich preisen alle Geschlechter.“ – Im Evangelium ruft
eine Frau Jesus zu: „Selig der Leib, der dich getragen hat.“
Sehen Sie, liebe Schwestern und
Brüder:
All diese Worte sind wie Samenkörner,
die dem Festgeheimnis zugrunde liegen. Sie sind wie Keime, aus
denen es sich entfaltet hat und zu einem der größten Marienfeste
gewachsen ist.
Maria, die Begnadete, die vielfach
Gepriesene, die das Wort Gottes gläubig gehört und befolgt hat, Maria,
die den Sohn Gottes in ihrem Schoß getragen und den Urheber des Lebens
geboren hat, sie, die als Mutter des Herrn wie kein anderer Mensch mit
Gott verbunden war, von ihr glaubt und bekennt die Kirche, dass sie in
einzigartiger Weise hineingenommen ist in das Geheimnis der Auferstehung
ihres Sohnes.
Als erste von allen Geschöpfen durfte
Maria Ostern an sich erfahren. – Als erste von allen Menschen ist sie
ganz bei Gott, in der Fülle des Lebens und des Lichtes, mit Leib und
Seele aufgenommen in den Himmel.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Aufnahme Mariens in den Himmel ist
ein österliches Fest.
Die Kirche feiert es mit österlichem
Jubel. Maria, die niedrige Magd, ist erhöht zu Gott und ihr Leben hat
seine Vollendung gefunden in Gott.
Gut und schön, kann jetzt jemand sagen.
Doch was geht das mich an? – Was hat das mit mir zu tun und meinem
Leben?
Hat das eine Bedeutung für meine Arbeit
und meinen Alltag?
Hat das eine Bedeutung für das, was mich
bewegt u. umtreibt, meine Hoffnungen und Ängste, meine Freuden und
Sorgen?
Eugen Jonesco, einer der besten Kenner
und Kritiker unserer Zeit, hat einmal gesagt: „Aufschauen müssten wir
wieder können, aufschauen nach oben, zu den Sternen.“
Aufschauen, meint er, zu den
Geheimnissen, die für uns im grauen Alltag, Zeichen des Lichtes und der
Hoffnung sind.
Liebe Schwestern und Brüder! Heute
schauen wir auf. Unser Blick geht nach oben und unser Herz erhebt sich
mit. Wir schauen auf zu Maria, in den Himmel aufgenommen.
Und was sehen wir? Eine von uns, Geschöpf
Gottes und Mensch wie wir, Mädchen von Nazareth, Mutter von Betlehem,
eine Frau aus dem Volk. Im Lied heißt es von ihr: Kennst Arbeit und
Sorge ums tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not.
Was sehen wir? Keine der oberen
Zehntausend, keine Diva, keinen Star, sondern eine Frau, die das Leben
und Los der Kleinen und Geringen geteilt hat, unsere Schwester im
Glauben. Ihr Leben war keineswegs frei von Leid, keineswegs auf Rosen
gebettet.
Es war ein geprüftes Leben,
schmerzensreich und leiderprobt. Die Mater Dolorosa und die Pieta stehen
dafür und bezeugen es.
Aber nun wird offenbar – im Aufschauen zu
ihr, der in den Himmel Aufgenommenen –, dass alles, was wir hier Leben
nennen, dieses Ineinander von Alltag und Arbeit, von Freude und
Enttäuschung, von Hoffnung und Schmerz, Glück und Leid, dass all dies
nicht das Letzte ist, sondern dass das alles offen ist für das Ewige. –
Das alles wird heimgebracht und eingebracht wie eine Ernte zu Gott. Das
alles erhält und erfährt seinen letzten Sinn und seine Vollendung bei
Gott und durch Gott.
Maria, die in den Himmel Aufgenommene,
ist uns ein untrügliches Zeichen. Sie ist uns Unterpfand und Garantie:
Was ihr zuteil geworden ist in Fülle, daran sollen, dürfen und werden
auch wir Anteil haben.
Marias Aufnahme in den Himmel zeigt, wozu
wir alle berufen sind: einzugehen in die Herrlichkeit Gottes. Unser
Leben, liebe Schwestern und Brüder, dieses oft so rätselhafte, so
bruchstückhafte, so sehr verwundete Leben: Gott wird es heil machen und
ganz. Gott hat auch für uns jenseits des Todes selige Auferstehung und
Licht und Freude, Glück und Leben in Fülle.
Mariä Himmelfahrt, mitten in der
Erntezeit, ist ein Fest der Hoffnung. – „Maria, du, unsere Hoffnung,
sei gegrüßt!“
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