geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Maria, aufgenommen in den Himmel

Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel - 15. August

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist eines der ältesten Feste der Christenheit, das wir heute feiern. Und gleichzeitig ist es das jüngste Dogma der Kirche, von Papst Pius XII. 1950 feierlich verkündet.

 

Allerdings, in der Bibel ist vom heutigen Festgeheimnis mit kei­nem Wort die Rede. Da wird zwar die Himmelfahrt Jesu berichtet, aber von einer Aufnahme Mariens steht nirgendwo etwas.

Hat also dieses Fest gar keine biblische Grundlage? Ist das, was wir heute feiern, aus der Luft gegriffen? Ist die Aufnahme Mariens in den Himmel vielleicht mehr Wunschtraum als Wirklichkeit?

 

Doch wie kommt’s, dass sich schon in den ersten Jahrhunderten diese Glaubenswahrheit herausgebildet hat und sehr früh schon in der Kirche gefeiert wurde? – Auch wenn von einer Aufnahme Mariens in den Himmel in der heiligen Schrift nicht die Rede ist, so sind doch die Keime des Festgeheimnisses vorhanden.

 

Maria durfte die Worte des Engels hören: „Du bist voll der Gnade.“ – Elisabeth sagte zu Maria: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen.“ – Von sich selbst sagt Maria: „Großes hat an mir getan der Mächtige.“ – Und: „Selig werden mich preisen alle Geschlechter.“ – Im Evangelium ruft eine Frau Jesus zu: „Selig der Leib, der dich getragen hat.“

 

Sehen Sie, liebe Schwestern und Brüder:

All diese Worte sind wie Samenkörner, die dem Festgeheimnis zugrunde liegen. Sie sind wie Keime, aus denen es sich entfaltet hat und zu einem der größten Marienfeste gewachsen ist.

 

Maria, die Begnadete, die vielfach Gepriesene, die das Wort Gottes gläubig gehört und befolgt hat, Maria, die den Sohn Gottes in ihrem Schoß getragen und den Urheber des Lebens geboren hat, sie, die als Mutter des Herrn wie kein anderer Mensch mit Gott verbunden war, von ihr glaubt und bekennt die Kirche, dass sie in einzigartiger Weise hineingenommen ist in das Geheimnis der Auferstehung ihres Sohnes.

 

Als erste von allen Geschöpfen durfte Maria Ostern an sich erfahren. – Als erste von allen Menschen ist sie ganz bei Gott, in der Fülle des Lebens und des Lichtes, mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein österliches Fest.

Die Kirche feiert es mit österlichem Jubel. Maria, die niedrige Magd, ist erhöht zu Gott und ihr Leben hat seine Vollendung gefunden in Gott.

 

Gut und schön, kann jetzt jemand sagen. Doch was geht das mich an? – Was hat das mit mir zu tun und meinem Leben?

Hat das eine Bedeutung für meine Arbeit und meinen Alltag?

Hat das eine Bedeutung für das, was mich bewegt u. umtreibt, meine Hoffnungen und Ängste, meine Freuden und Sorgen?

 

Eugen Jonesco, einer der besten Kenner und Kritiker unserer Zeit, hat einmal gesagt: „Aufschauen müssten wir wieder können, aufschauen nach oben, zu den Sternen.“

Aufschauen, meint er, zu den Geheimnissen, die für uns im grauen Alltag, Zeichen des Lichtes und der Hoffnung sind.

 

Liebe Schwestern und Brüder! Heute schauen wir auf. Unser Blick geht nach oben und unser Herz erhebt sich mit. Wir schauen auf zu Maria, in den Himmel aufgenommen.

 

Und was sehen wir? Eine von uns, Geschöpf Gottes und Mensch wie wir, Mädchen von Nazareth, Mutter von Betlehem, eine Frau aus dem Volk. Im Lied heißt es von ihr: Kennst Arbeit und Sorge ums tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not.

 

Was sehen wir? Keine der oberen Zehntausend, keine Diva, keinen Star, sondern eine Frau, die das Leben und Los der Kleinen und Geringen geteilt hat, unsere Schwester im Glauben. Ihr Leben war keineswegs frei von Leid, keineswegs auf Rosen gebettet.

 

Es war ein geprüftes Leben, schmerzensreich und leiderprobt. Die Mater Dolorosa und die Pieta stehen dafür und bezeugen es.

 

Aber nun wird offenbar – im Aufschauen zu ihr, der in den Himmel Aufgenommenen –, dass alles, was wir hier Leben nennen, dieses Ineinander von Alltag und Arbeit, von Freude und Enttäuschung, von Hoffnung und Schmerz, Glück und Leid, dass all dies nicht das Letzte ist, sondern dass das alles offen ist für das Ewige. – Das alles wird heimgebracht und eingebracht wie eine Ernte zu Gott. Das alles erhält und erfährt seinen letzten Sinn und seine Vollendung bei Gott und durch Gott.

 

Maria, die in den Himmel Aufgenommene, ist uns ein untrügliches Zeichen. Sie ist uns Unterpfand und Garantie: Was ihr zuteil geworden ist in Fülle, daran sollen, dürfen und werden auch wir Anteil haben.

 

Marias Aufnahme in den Himmel zeigt, wozu wir alle berufen sind: einzugehen in die Herrlichkeit Gottes. Unser Leben, liebe Schwestern und Brüder, dieses oft so rätselhafte, so bruchstückhafte, so sehr verwundete Leben: Gott wird es heil machen und ganz. Gott hat auch für uns jenseits des Todes selige Auferstehung und Licht und Freude, Glück und Leben in Fülle.

 

Mariä Himmelfahrt, mitten in der Erntezeit, ist ein Fest der Hoffnung. – „Maria, du, unsere Hoffnung, sei gegrüßt!“