ERSTE LESUNG
Dieser Jesus, der in den Himmel
aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel
hingehen sehen
Lesung
aus der Apostelgeschichte
1Im
ersten Buch, lieber Theóphilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus
von Anfang an getan und gelehrt hat,
2bis
zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er den
Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisung
gegeben.
3Ihnen
hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt;
vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes
gesprochen.
4Beim
gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern
wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt!
5Denn
Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen
mit dem Heiligen Geist getauft werden.
6Als
sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser
Zeit das Reich für Israel wieder her?
7Er
sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren,
die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
8Aber
ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen
wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa
und Samárien und bis an die Grenzen der Erde.
9Als
er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine
Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
10Während
sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei
Männer in weißen Gewändern bei ihnen
11und
sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel
empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde,
wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Kennen
Sie „Hans-guck-in-die-Luft“? Bestimmt! Aus ihrer Kindheit! Eine der
Geschichten aus dem „Struwwelpeter“. So fängt sie an:
„Wenn
der Hans zur Schule ging, stets sein Blick am Himmel hing.
Nach
den Dächern, Wolken, Schwalben, schaut er auf, allenthalben.
Vor
die eignen Füße dicht, ja, da sah der Bursche nicht.
Also,
dass ein jeder ruft: „Seht, den Hans-guck-in-die-Luft!“
Und dann passiert‘s.
Es kommt, was kommen muss: Auf dem Weg zur Schule – immer den Blick nach
oben – stolpert er über alles Mögliche und schließlich – plumps – fällt
er ins Wasser und kann gerade noch – mit knapper Not – gerettet werden,
sonst wäre er ertrunken. Ich habe bis heute noch das Bild vor Augen, wie
„Hans-guck-in-die-Luft“ – die Mappe unterm Arm, Kopf und Blick stramm
nach oben – den verhängnisvollen Schritt über die Ufermauer tut. Das hat
sich mir eingeprägt.
Und die Moral von der Geschichte?
Pass auf! Sei mit deinen Gedanken nicht andauernd woanders, in den
Wolken! Sei im Hier, im Jetzt! Sei kein Träumer! Bau keine
Luftschlösser! Verlier den Boden nicht unter Deinen Füßen! Schau, was
Sache ist! Sei ganz in der Gegenwart! Nimm mit Deinen Augen und all
deinen Sinnen die Wirklichkeit wahr.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Die
Geschichte von „Hans-guck-in-die-Luft“ kommt mir immer den Sinn, wenn
ich die erste Lesung vom heutigen Festtag höre. Und zwar an der Stelle,
wo die zwei Männer in weißen Gewändern zu den Aposteln sagen: „Was
steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Alte Darstellungen von Christi Himmelfahrt zeigen es:
Da sehen wir die Jünger wie sie ihre Köpfe verrenken und unverwandt –
sehnsüchtig und wehmütig – nach oben schauen. Und dort – am Bildrand
oben – sieht man Jesus wie er in den Wolken des Himmels entschwebt.
„Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Liebe
Mitchristen! Das ist für mich ein ganz spannender Moment in der
Himmelfahrtsgeschichte. Was geschieht da?
Die
beiden Engel holen die Apostel aus ihrem starren Blick, der staunend
nach oben geht. Sie holen sie gleichsam herunter. Sie bringen sie wieder
zu sich, in die Gegenwart, auf den Boden der Wirklichkeit. Sie weisen
sie auf das hin, was jetzt dran und zu tun ist. Die Jünger haben nämlich
einen Auftrag, eine Sendung.
Jesus
hatte zu ihnen am Osterabend gesagt: „Wie mich der Vater gesandt hat,
so sende ich euch!“ (Joh 20, 21) Und heute in diesem Abschnitt aus
der Apostelgeschichte sagt Jesus unmittelbar vor seiner Himmelfahrt zu
den Seinen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen…und
ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien
und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1, 8).
Liebe
Schwestern und Brüder!
Mir ist
aufgefallen: Zu allen Himmelfahrtserzählungen im Neuen Testament gehört
der Auftrag hinauszugehen, sich auf den Weg zu machen und Jesu Boten und
Zeugen zu sein, Boten des Evangeliums und glaubhafte Zeugen seiner
Liebe.
Nicht
stehen bleiben und Löcher in den Himmel starren, sondern weitersagen und
weitertragen sollen die Jünger, was sie von Jesus gehört und gesehen
haben, was sie bei ihm und mit ihm erlebt haben.
Evangelisierung
steht auf dem Programm. Rechenschaft geben ist angesagt, Rechenschaft
von der Hoffnung, die sie bewegt und dabei selber in Bewegung kommen,
die Frohbotschaft zu allen Völkern bringen, bis an die Enden der Erde.
Das ist jetzt die Sendung.
Früher,
als Jesus sie schon einmal ausgesandt hatte und er sie zwei und zwei
vorausschickte, in Stadt und Land das Reich Gottes anzusagen, Kranke zu
heilen, Dämonen auszutreiben, da war ihre Sendung begrenzt. Damals
sollten sie nicht zu den Heiden gehen, sondern nur zu den verloren
Schafen des Hauses Israel.
Jetzt
weitet sich ihre Sendung. Sie wird grenzenlos, universal. Alle sollen
die Botschaft hören. Allen Menschen soll das Heil Gottes zuteilwerden.
„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?
Interessant, ausgerechnet Engel, himmlische Wesen also, sagen: Jetzt
guckt doch nicht weiter wie gebannt nach oben, in den Himmel. Hier unten
spielt die Musik, hier auf der Erde! Da habt ihr eine Aufgabe. Da habt
ihr Verantwortung. Da werdet ihr gebraucht. Hier engagiert euch! Hier
macht euch stark für das Gute, für Gerechtigkeit und Frieden, für die
Ausbreitung des Glaubens, für die Bewahrung der Schöpfung! Hier tragt
bei zur Versöhnung! Hier seid ein Segen! Da bringt Heil!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Den Blick
zur Erde richten, der Erde treu sein, sich um sie kümmern,
Weltverantwortung wahrnehmen, heißt das, dass der Himmel keine Rolle
spielt? Keineswegs! Ein bittender oder auch dankbarer Blick nach oben
zum Geber aller Gaben ist nie verkehrt, der ist immer heilsam und gut.
Neben der Sendung braucht’s auch immer wieder die Sammlung. Das Zupacken
braucht das Händefalten, die Aktion die Meditation. Keine Frage:
Gottvertrauen und Gebet sind und bleiben wichtig und notwendig.
Andererseits gilt aber auch:
Gott handelt nicht ohne uns, sondern immer nur mit uns. Und damit wir
das Unsere zu tun vermögen, verspricht Jesus den Seinen – und damit auch
uns – sozusagen himmlische Unterstützung. Er sendet den Heiligen Geist
als Helfer, als Beistand, als Mutmacher und Tröster. Mit Hilfe dieser
göttlichen Geistkraft kann und soll die Kirche – sollen wir, denn wir
sind Kirche – das Werk Jesu auf Erden weiterführen.
Der Geist Jesu:
Er weht, wo Menschen sich solidarisch zeigen und sich für andere
engagieren. Er weht, wo Menschen sich der Armen und Unterdrückten
annehmen, wo sie sich denen zuwenden, die am Rande stehen. Der Geist
Jesu weht, wo Menschen Zeugen und Zeuginnen für Gottes Liebe sind.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Das
heutige Fest ist keine Legitimation, als „Hans-guck-in-die-Luft“ durchs
Leben zu gehen – im Gegenteilt! Es geht am Himmelfahrtstag entschieden
auch um die Erde.
Als
Christen müssen wir und dürfen wir getrost mit beiden Füssen auf dem
Boden der Realität stehen. Als Christinnen und Christen haben wir einen
Auftrag für diese Welt und eine Sendung in dieser Welt.
Wir
sollen nicht Löcher in den Himmel starren. Wir sollen unseren Blick auf
die Erde richten und – von Jesus und seinem Geist bewegt – uns selber
auf den Weg machen, auf den Weg zu den Menschen, um ihnen die Frohe
Botschaft der Liebe zu bringen, Heil und Segen, Licht und Hoffnung. Salz
der Erde sein und Licht der Welt. Das ist unsere Berufung!
„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“
Die Engel
der Himmelfahrts-Erzählung sagen auch zu uns: „Seid keine
Hans-guck-in-die Luft! Sucht mich nicht oben, in den Wolken, sondern auf
der Erde, bei den Menschen, in eurer Arbeit, in eurem Alltag!“
Ein bekanntes Gebet
bringt es meines Erachtens sehr treffenden auf den Punkt:
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu
tun. – Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu
führen. – Er hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um den Menschen von
ihm zu erzählen…“
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