geistliche Impulse

www.pius-kirchgessner.de

Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

"Was steht ihr da und schaut in den Himmel?"

(Christi Himmelfahrt, Lesejahr A; Apg 1 1- 11)

 

ERSTE LESUNG                                                                                                   

 

Dieser Jesus, der in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen

 

Lesung

aus der Apostelgeschichte

1Im ersten Buch, lieber Theóphilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat,

2bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er den Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisung gegeben.

3Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.

4Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt!

5Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden.

6Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?

7Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.

8Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samárien und bis an die Grenzen der Erde.

9Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.

10Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen

11und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Kennen Sie „Hans-guck-in-die-Luft“? Bestimmt! Aus ihrer Kindheit! Eine der Geschichten aus dem „Struwwelpeter“. So fängt sie an:

„Wenn der Hans zur Schule ging, stets sein Blick am Himmel hing.

Nach den Dächern, Wolken, Schwalben, schaut er auf, allenthalben.

Vor die eignen Füße dicht, ja, da sah der Bursche nicht.

Also, dass ein jeder ruft: „Seht, den Hans-guck-in-die-Luft!“

 

Und dann passiert‘s. Es kommt, was kommen muss: Auf dem Weg zur Schule – immer den Blick nach oben – stolpert er über alles Mögliche und schließlich – plumps – fällt er ins Wasser und kann gerade noch – mit knapper Not – gerettet werden, sonst wäre er ertrunken. Ich habe bis heute noch das Bild vor Augen, wie „Hans-guck-in-die-Luft“ – die Mappe unterm Arm, Kopf und Blick stramm nach oben – den verhängnisvollen Schritt über die Ufermauer tut. Das hat sich mir eingeprägt.

 

Und die Moral von der Geschichte? Pass auf! Sei mit deinen Gedanken nicht andauernd woanders, in den Wolken! Sei im Hier, im Jetzt! Sei kein Träumer! Bau keine Luftschlösser! Verlier den Boden nicht unter Deinen Füßen! Schau, was Sache ist! Sei ganz in der Gegenwart! Nimm mit Deinen Augen und all deinen Sinnen die Wirklichkeit wahr.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Geschichte von „Hans-guck-in-die-Luft“ kommt mir immer den Sinn, wenn ich die erste Lesung vom heutigen Festtag höre. Und zwar an der Stelle, wo die zwei Männer in weißen Gewändern zu den Aposteln sagen: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“

 

Alte Darstellungen von Christi Himmelfahrt zeigen es: Da sehen wir die Jünger wie sie ihre Köpfe verrenken und unverwandt – sehnsüchtig und wehmütig – nach oben schauen. Und dort – am Bildrand oben – sieht man Jesus wie er in den Wolken des Himmels entschwebt.

 

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“

Liebe Mitchristen! Das ist für mich ein ganz spannender Moment in der Himmelfahrtsgeschichte. Was geschieht da?

Die beiden Engel holen die Apostel aus ihrem starren Blick, der staunend nach oben geht. Sie holen sie gleichsam herunter. Sie bringen sie wieder zu sich, in die Gegenwart, auf den Boden der Wirklichkeit. Sie weisen sie auf das hin, was jetzt dran und zu tun ist. Die Jünger haben nämlich einen Auftrag, eine Sendung.

 

Jesus hatte zu ihnen am Osterabend gesagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“ (Joh 20, 21) Und heute in diesem Abschnitt aus der Apostelgeschichte sagt Jesus unmittelbar vor seiner Himmelfahrt zu den Seinen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen…und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1, 8).

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Mir ist aufgefallen: Zu allen Himmelfahrtserzählungen im Neuen Testament gehört der Auftrag hinauszugehen, sich auf den Weg zu machen und Jesu Boten und Zeugen zu sein, Boten des Evangeliums und glaubhafte Zeugen seiner Liebe.

Nicht stehen bleiben und Löcher in den Himmel starren, sondern weitersagen und weitertragen sollen die Jünger, was sie von Jesus gehört und gesehen haben, was sie bei ihm und mit ihm erlebt haben.

Evangelisierung steht auf dem Programm. Rechenschaft geben ist angesagt, Rechenschaft von der Hoffnung, die sie bewegt und dabei selber in Bewegung kommen, die Frohbotschaft zu allen Völkern bringen, bis an die Enden der Erde. Das ist jetzt die Sendung.

 

Früher, als Jesus sie schon einmal ausgesandt hatte und er sie zwei und zwei vorausschickte, in Stadt und Land das Reich Gottes anzusagen, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben, da war ihre Sendung begrenzt. Damals sollten sie nicht zu den Heiden gehen, sondern nur zu den verloren Schafen des Hauses Israel.

Jetzt weitet sich ihre Sendung. Sie wird grenzenlos, universal. Alle sollen die Botschaft hören. Allen Menschen soll das Heil Gottes zuteilwerden.

 

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?

Interessant, ausgerechnet Engel, himmlische Wesen also, sagen: Jetzt guckt doch nicht weiter wie gebannt nach oben, in den Himmel. Hier unten spielt die Musik, hier auf der Erde! Da habt ihr eine Aufgabe. Da habt ihr Verantwortung. Da werdet ihr gebraucht. Hier engagiert euch! Hier macht euch stark für das Gute, für Gerechtigkeit und Frieden, für die Ausbreitung des Glaubens, für die Bewahrung der Schöpfung! Hier tragt bei zur Versöhnung! Hier seid ein Segen! Da bringt Heil!

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Den Blick zur Erde richten, der Erde treu sein, sich um sie kümmern, Weltverantwortung wahrnehmen, heißt das, dass der Himmel keine Rolle spielt? Keineswegs! Ein bittender oder auch dankbarer Blick nach oben zum Geber aller Gaben ist nie verkehrt, der ist immer heilsam und gut. Neben der Sendung braucht’s auch immer wieder die Sammlung. Das Zupacken braucht das Händefalten, die Aktion die Meditation. Keine Frage: Gottvertrauen und Gebet sind und bleiben wichtig und notwendig.

 

Andererseits gilt aber auch: Gott handelt nicht ohne uns, sondern immer nur mit uns. Und damit wir das Unsere zu tun vermögen, verspricht Jesus den Seinen – und damit auch uns – sozusagen himmlische Unterstützung. Er sendet den Heiligen Geist als Helfer, als Beistand, als Mutmacher und Tröster. Mit Hilfe dieser göttlichen Geistkraft kann und soll die Kirche – sollen wir, denn wir sind Kirche – das Werk Jesu auf Erden weiterführen.

 

Der Geist Jesu: Er weht, wo Menschen sich solidarisch zeigen und sich für andere engagieren. Er weht, wo Menschen sich der Armen und Unterdrückten annehmen, wo sie sich denen zuwenden, die am Rande stehen. Der Geist Jesu weht, wo Menschen Zeugen und Zeuginnen für Gottes Liebe sind.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das heutige Fest ist keine Legitimation, als „Hans-guck-in-die-Luft“ durchs Leben zu gehen – im Gegenteilt! Es geht am Himmelfahrtstag entschieden auch um die Erde.

Als Christen müssen wir und dürfen wir getrost mit beiden Füssen auf dem Boden der Realität stehen. Als Christinnen und Christen haben wir einen Auftrag für diese Welt und eine Sendung in dieser Welt.

Wir sollen nicht Löcher in den Himmel starren. Wir sollen unseren Blick auf die Erde richten und – von Jesus und seinem Geist bewegt – uns selber auf den Weg machen, auf den Weg zu den Menschen, um ihnen die Frohe Botschaft der Liebe zu bringen, Heil und Segen, Licht und Hoffnung. Salz der Erde sein und Licht der Welt. Das ist unsere Berufung!

 

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“

Die Engel der Himmelfahrts-Erzählung sagen auch zu uns: „Seid keine Hans-guck-in-die Luft! Sucht mich nicht oben, in den Wolken, sondern auf der Erde, bei den Menschen, in eurer Arbeit, in eurem Alltag!“

 

Ein bekanntes Gebet bringt es meines Erachtens sehr treffenden auf den Punkt:

„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun. – Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen. – Er hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um den Menschen von ihm zu erzählen…“