Es wird
viel demonstriert. Menschen gehen auf die Straße.
Die
Motive sind unterschiedlich. Früher waren es Demos gegen Atomkraft und
militärische Aufrüstung. In den letzten zwei Jahren haben die
Fridays-for-Future-Demonstrationen für Aufmerksamkeit gesorgt. Seit
einigen Wochen gibt es hierzulande sogenannte Hygienedemos, Proteste
gegen die Corona-Maßnahmen.
Zurzeit
sind es große Demonstrationen mit tausenden Teilnehmern in Washington
und anderen Städten in Amerika und auf der ganzen Welt gegen Rassismus
und Polizeiwillkür.
Menschen
versammeln sich auf Straßen und auf Plätzen, machen ihrem Ärger und
ihrer Wut Luft und fordern Gerechtigkeit.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Einmal im
Jahr gehen auch wir katholische Christen auf die Straße – auch wenn es
in diesem Jahr Corona-bedingt nur eingeschränkt oder gar nicht möglich
ist: genau sechzig Tage nach Ostern, an Fronleichnam, dem Fest des
heiligsten Leibes und Blutes Christi.
Allerdings demonstrieren wir nicht für ein politisches oder
gesellschaftliches Anliegen. Wir protestieren überhaupt nicht für oder
gegen etwas. Uns bewegt auch nicht Ärger, Angst oder Wut, wenn wir auf
die Straße gehen. Wir tun es wegen unseres Herrn Jesus Christus. Wir tun
es nicht triumphalistisch-überheblich – die Zeiten sind vorbei. Wir
ballen auch nicht die Fäuste, sondern falten unsere Hände. Wir tun es
betend und singend, dankend und segnend. Wir tun es im Glauben und
Vertrauen darauf, dass Gott uns in Jesus Christus wirklich und
wahrhaftig, mit Fleisch und Blut, nahegekommen ist und dass wir seine
Gegenwart auch heute noch erfahren können. Dass er uns begleitet auf
allen Wegen unseres Lebens, in dunklen und schweren Zeiten genauso wie
in hellen und frohen.
Wir gehen
nicht nur für IHN auf die Straße, sondern auch mit
IHM. Wir bekennen in aller Öffentlichkeit, was uns heilig und
unaufgebbar ist: Gottes Gegenwart in der sichtbaren Gestalt des
eucharistischen Brotes.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Inhaltlich ist Fronleichnam ein österliches Fest, das an den
Gründonnerstag anknüpft. Wie der Gründonnerstag, so wird auch
Fronleichnam immer an einem Donnerstag gefeiert, und zwar neun Wochen
danach, jeweils am zweiten Donnerstag nach Pfingsten.
Was am
Gründonnerstag wegen des stillen Charakters der Karwoche nicht möglich
ist, das darf jetzt aufklingen und kann sich entfalten. Der Grundton am
Gründonnerstag ist eher dunkel, bereits vom Karfreitag überschattet.
Fronleichnam dagegen ist unbeschwert, lebendig, farbenprächtig und
sinnenfroh. Und die voll erwachte, aufgeblühte Natur trägt das ihre dazu
bei.
Die Mitte
der Fronleichnamsprozession ist jedoch die unscheinbare, kleine Hostie
in der Monstranz, die von einem Diakon oder Priester getragen wird.
Alles andere drum rum dient der liebenden und dankbaren Verehrung der
heiligen Eucharistie, die an diesem Fest in vielfältigen Symbolen zum
Ausdruck kommt: Der Baldachin, „Himmel“ genannt, der von vier Männern
getragen wird und ein schützendes Dach für das Allerheiligste bildet,
die Erstkommunionkinder in Festtagskleidern, die Blüten streuen, die
wunderbar und kunstvoll gestalteten Blumenteppiche – oft der ganze Stolz
eines Ortes oder eines Stadtviertels –, die Fähnchen, Tannen- oder
Birkenzweige am Wegrand, Ministranten mit Altarschellen und Weihrauch.
Weiterhin gehen gewöhnlich in der Prozession mit: der Kirchenchor, die
Musikkapelle, hier im Schwarzwald auch Trachten- und Reitergruppen, die
Bürgerwehr, Ortsvorsteher und Bürgermeister und natürlich – last not
least – eine größere oder kleinere Schar von Gläubigen.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Ich finde
es wichtig und gut, dass an Fronleichnam der Glaube auf die Straße, ins
Freie geht und damit im wahrsten Sinne des Wortes „das Weite“ sucht. Ich
finde es wichtig, dass er nicht in der Sakristei, hinter geschützten
Kirchenmauern oder im Pfarrheim bleibt, dass er hinaus geht und sich in
der Öffentlichkeit zeigt. Es ist wichtig, heilsam und gut, dass unser
Herr und Heiland dahin kommt, wo das Leben spielt, in den Alltag.
Die
Prozession geht segnend vorbei an Wohnhäusern und Geschäften, an
Fabriken und Banken, an Spielplätzen und Schulen, an Fitnesscentern und
Eisdielen, an Rathaus, Krankenhaus und Altenheim…Kein anderes
Kirchenfest ist so volksnah und so dicht an der Alltagswelt der Menschen
– mit ihren Mühen, Sorgen und Freuden – wie Fronleichnam.
Wir
vertrauen die Straßen und Häuser, unser Arbeiten und Wohnen, uns selbst
und unser ganzes Leben IHM an, SEINER Güte und SEINEM Segen. Möge unser
Alltag durchdrungen und erfüllt sein von SEINER Gegenwart!
Segnend
wird durch den Ort getragen und hoch erhoben, woran wir als Christen
glauben und was uns Halt und Kraft gibt zum Leben. Wir zeigen IHN in der
Gestalt, in der ER bleibend gegenwärtig ist: in der unscheinbaren
Gestalt des Brotes, Brot des Lebens, „Leib des Herrn“. Unsere Augen
sehen Brot, doch unser Glaube bekennt: Christus selbst ist hier! „Du
bist da!“
Wir
erinnern uns daran, was Jesus gesagt hat: „Ich bin das Brot des
Lebens… Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern.“ Und: „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“
Dieses
Brot, dieser Jesus will nicht nur unseren leiblichen Hunger stillen,
sondern unseren Hunger nach dauerhaftem Lebensglück, nach unzerstörbarer
Gemeinschaft und nach endgültiger Zukunft. Dieses Brot will unseren
Glauben nähren, unsere Hoffnung stärken und unsere Liebe antreiben. Es
will uns Speise sein auf unserer Pilgerschaft zum endgültigen Leben.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Für
Passanten und Außenstehende ist die Prozession an Fronleichnam
vielleicht ein Schauspiel oder Folklore. Am Abend berichtet gewöhnlich
die Tagesschau kurz davon und zeigt Bilder von einem prunkvollen,
farbenfrohen „Umzug“ in Oberbayern oder im Allgäu. „Typisch katholisch“
denken da manche. Für Nicht-Glaubende möglicherweise auch Ärgernis. Für
viele ist Fronleichnam wahrscheinlich einfach nur ein willkommener
Brückentag. Für uns gläubige Christen ist es ein frohmachendes Fest mit
Bekenntnischarakter.
Heute
gehört Mut dazu, sich öffentlich zu Christus zu bekennen und mit ihm auf
dem Weg zu sein, nicht nur einmal im Jahr, sondern jeden Tag. Es genügt
nämlich nicht, andächtig hinter der Monstranz herzuziehen. Die Begegnung
mit Christus in der Eucharistie will und soll ihren Widerhall im Leben
finden.
Sehen
Sie: Mit der Prozession an Fronleichnam vollziehen wir im Grunde, was
uns jeden Tag neu als gläubige Christen aufgetragen ist, nämlich
Christus-Träger zu sein, Jesus zu den Menschen zu bringen bzw. Menschen
durch unser Leben auf Jesus hinzuweisen.
So
wünsche ich uns allen einen schönen, frohen und gesegneten
Fronleichnams-Feiertag! Und im Alltag dann auch wieder Kraft und Mut,
aus dem Glauben an Gottes Mit-uns-Sein zu leben und davon Zeugnis zu
geben. |