Evangelium
Gott hat seinen Sohn gesandt, damit
die Welt durch ihn gerettet wird
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Johannes
16Gott
hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen
einzigen Sohn hingab,
damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht,
sondern ewiges Leben hat.
17Denn
Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,
damit er
die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
18Wer
an ihn glaubt,
wird
nicht gerichtet;
wer nicht glaubt, ist schon gerichtet,
weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes
Gottes geglaubt hat.
Von
dem Tübinger Alttestamentler Fridolin Stier findet sich in seinem
Tagebuch folgende (leicht veränderte) Geschichte:
Und
dann kam Gott zu einem namhaften Theologen, dessen Buch vom Wesen und
Wirken des dreifaltigen Gottes demnächst erscheinen sollte. „Sie kommen
mir höchst gelegen“, sagte der Professor, „von meinem Buch haben Sie
sicher schon gehört? Ich lese Ihnen gerne einiges vor.“ Gott nickte:
„Lesen Sie, Herr Professor, ich bin ganz Ohr.“ Er las – Gott schwieg.
Als er
zu Ende gelesen, das Manuskript weggelegt hatte, sah er auf, und da sah
er den Blick… Er wagte nicht zu fragen. Endlich sprach Gott:
„Meisterhaft, Herr Professor, mein Kompliment! Aber ob Sie es wohl
verstehen? Wissen Sie, als Objekt, als Gegenstand betrachtet,
besprochen, beschrieben, wird mir ganz seltsam zumute, grad , als ob ich
meine eigene Leiche sähe. Einmal schreiben Sie, und das finde ich sehr
treffend, ich wolle nicht in erster Linie als eine Wahrheit angesehen
werden, eine für wahr zu haltende Wahrheit, sagen Sie, ich wolle
vielmehr den Menschen selbst. Das ist es, Herr Professor, genau das!“
Und da wieder der Blick. – Gott erhob sich und schritt zur Tür. „Was
wollen Sie von mir?“ schrie der Professor ihm nach. „Sie will ich“,
sagte Gott, „Sie!“ – und die Tür schloss sich leise.
Der Franziskanerpater Heribert Arens,
mein Predigtlehrer vor vielen Jahren in Münster, hat zu dieser
Geschichte eine ähnlich erfunden, eine Geschichte aus unserem Leben:
Eine
Frau kam in das Arbeitszimmer ihres Mannes, eines gelehrten
Psychologieprofessors. Er hatte gerade ein Manuskript über das Wesen der
Liebe abgeschlossen. Tag und Nacht hatte er daran gearbeitet. „Du kommst
mir gerade recht“, sagte er zu seiner Frau, „ich möchte dir gern einige
Passagen meines neuen Manuskriptes vorlesen. Sie nickte. „Lies nur“,
sagte sie. Er las – sie schwieg. Er las wunderbare Passagen über das
Wesen der Liebe, über Hingabe und Füreinander-Dasein, über Schenken und
Beschenkt-Werden, über die personale Ausrichtung auf ein Du. Als er das
Manuskript schloss, sah er sie erwartungsvoll und unsicher an.
„Meisterhaft“, sagte sie, „wirklich meisterhaft!“ Aber ob du wirklich
verstanden hast, was du schreibst? Weißt du, während du gelesen hast,
wurde ich immer bedrückter. Du schriebst, wenn Menschen sich lieben,
dann werden Worte immer unwesentlicher, Liebe will gelebt werden; der
Mensch sehnt sich nicht nach vielen Worten, er sehnt sich nach dem
anderen. Das ist es, das!“ – Und sie erhob sich und ging langsam zur
Tür. „Was willst du von mir?“ rief er aufgeragt nach. „Dich will ich“,
flüsterte sie, „Dich!“ Die Tür schloss sich leise.
Pater
Heribert fügt dieser Geschichte folgende Gedanken hinzu:
“Es gibt Worte, es gibt Wahrheiten, es gibt Themen, die sind
nachdenkenswert. Es lohnt sich, forschend in die Tiefe vorzudringen.
Gleichzeitig drängen sie danach, Leben zu werden, sonst verfehlen sie
ihren Sinn – und alle noch so tiefgreifenden Worte werden zum –
vielleicht niveauvollen – Geschwätz.“ Und dann sagt P.
Heribert: „Arme Frau, wenn du mit einem Mann
verheiratet bist, der die Liebe forschend durchdringt, aber selber nicht
von Liebe durchdrungen ist.“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Im Neuen
Testament lautet eine der zentralen Aussagen: „Gott ist die Liebe“.
Ein Spitzensatz! Gott hat nicht nur Liebe. Gott ist die Liebe. Sein
Wesen ist Liebe. Aber das ist nicht nur ein Satz, eine abstrakte
Wahrheit, eine theoretische Erkenntnis, sondern zuwendend, liebend, hat
sich Gott im Laufe der Heilsgeschichte immer wieder geoffenbart und sich
in Liebe kundgetan.
Weil Gott Liebe ist,
darum drängt ihn diese Liebe, nicht in sich selbst zu ruhen, nicht in
sich selbst zu bleiben und – erhaben, unnahbar und fern – um sich selbst
zu kreisen, sondern aus sich herauszugehen, in Kontakt zu treten und
Beziehung aufzunehmen. Liebe will lieben und Liebe will Liebe. Sie sehnt
sich nach Erwiderung. Liebe will Antwort.
In
Beziehung treten, Beziehung aufnehmen – aus Liebe und im Verlangen nach
Liebe, das hat Gott immer wieder getan.
Schon am Anfang in der Schöpfung des Menschen.
Auf die
Frage „Warum hat Gott den Menschen geschaffen?“ hat der
Franziskanertheologe Duns Skotus im Mittelalter die Antwort
gegeben: „Deus vult condiligentes se“ In freier Übersetzung:
„Weil er Sehnsucht hat nach Wesen, die mit ihm lieben!“
Sodann tat er es Israel gegenüber.
Er schloss mit Abraham einen Bund und hat ihn später immer wieder
erneuert. Er hat sein Volk begleitet. Auch wenn es von ihm abgefallen
ist, hat er es nicht fallen lassen. In Treue hat er an ihm festgehalten,
auch wenn das Volk störrisch war, aufbegehrte, untreu wurde. Immer
wieder hat er seine Hand ausgestreckt, immer wieder war er bereit zu
verzeihen und einen neuen Anfang zu gewähren. Immer wieder war sein
Erbarmen größer als alle Schuld.
Das kommt auch in der ersten Lesung heute zum Ausdruck, aus dem
Buch Exodus. Da spricht Gott zu Mose: „Ich bin (Jahwe ist) ein
barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue.“
Sind das
nicht gleichsam Worte aus dem Herzen Gottes? Eine ganz großartige
Selbstoffenbarung Gottes! Und das kurz nach dem Tanz ums Goldene Kalb,
dem schlimmen Abfall von Gott!
Der
größte Beweis der Liebe Gottes ist die Menschwerdung seines Sohnes.
In Jesus Christus zeigt sich die Barmherzigkeit Gottes und seine Treue
zu den Menschen auf unüberbietbare Weise. Im Evangelium heute haben wir
es gehört: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn
für uns dahingab.“ – Und Jesus, der Sohn sprach nicht nur von der
Liebe Gottes, sondern – von Liebe erfüllt – hat er sie in seinem Leben
wirksam und lebendig werden lassen: Den Heillosen gegenüber, den
Sündern, den Schwachen und Armen, allen gegenüber die sich sehnten nach
Liebe und Erlösung. Von diesem Sohn heißt es: „Da er die Seinen
liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung“,
bis zum Äußersten, bis zum Tod am Kreuz.
Und dann
ließ er – in seiner Liebe – die Seinen nicht allein und auf sich
gestellt zurück, sondern sandte seinen Geist als Influencer, als
Tröster und Beistand, den Geist „der in den Herzen der Gläubigen, die
Liebe entzündet“, den Geist, der das Werk Jesu weiterführt, die
Kirche begleitet und alle Heiligung vollendet (siehe 4. Hochgebet).
Liebe
Schwestern und Brüder!
All diese
Liebesbewegungen Gottes wollen den Menschen nicht dazu bringen, sich
über die dreifaltige Liebe schlaue und hochtrabende Gedanken zu machen,
darüber zu theoretisieren, zu philosophieren und Manuskripte zu
erstellen, sondern im Menschen ebenfalls eine Bewegung der Liebe zu
entfalten.
Sehen Sie:
Wenn es stimmt, dass der dreieinige Gott Liebe ist, und wenn es stimmt,
dass er in dieser Liebe auf uns zugeht, dann lautete die entscheidende
Frage nicht: „Was können wir heute über diesen Gott und sein dreieiniges
Wesen sagen, wie können wir es erklären?“ Die entscheidende Frage
lautet: „Wie können wir einschwingen in die Bewegung seiner Liebe?“ –
Die Kernfrage ist nicht: „Wie gut und klug sind unsere Spekulationen,
wie richtig unsere Definitionen, wie gescheit unsere Formulierungen und
Abhandlungen über den dreieinigen, liebenden Gott?“, sondern: „Wie
nehmen wir diese Liebe an und auf, wie reagieren wir darauf? Prägt diese
Liebe unser Leben? Und wie wird sie im Alltag wirksam und lebendig?“
Wie recht hat doch Paulus,
wenn er den Korinthern schreibt: „Wenn ich mit Menschen-, ja mit
Engelszungen reden könnte, hätte aber die Liebe nicht…“ (1 Kor 13)!
„Was
willst du von mir?“ rief er ihr aufgeregt nach. – „Dich will ich“,
flüsterte seine Frau, „Dich!“
„Was
willst du“ schrie der Professor ihm nach, „was?“ – „Dich will ich“,
antwortete Gott. „Dich!“
Diese
Predigtgedanken verdanke ich einer Vorlage von P. Heribert Arens |