Als Student
in Münster/Westf. habe ich gern die Ludgeri Kirche in der Stadt besucht.
Zum einen, weil Edith Stein in dieser Kirche ihre Berufung zum Karmel
erfahren hat. Und zum anderen, weil in
dieser
Kirche ein besonderes Kreuz verehrt wird. Es handelt sich um ein großes
Holzkreuz mit einem handgeschnitzten Corpus.
Das Auffällige daran:
Jesus am Kreuz fehlen beide Arme.
Das Kreuz
wurde im September 1944 bei einem Bombenangriff beschädigt. – Man hat
aber das Kreuz nicht restauriert, sondern hat es ganz bewusst so
gelassen. – Allerdings, an der Stelle, wo zuvor die Arme des
Gekreuzigten waren, hat man in Großbuchstaben eine Inschrift angebracht:
„ICH HABE
KEINE ANDEREN HÄNDE ALS DIE EUREN“
Liebe
Mitchristen!
Jesus
ohne Arme und die entsprechende Inschrift dazu bringen meines Erachtens
eine wesentliche Dimension von Christi Himmelfahrt zum Ausdruck.
An Christi Himmelfahrt
sind wir nämlich eingeladen, unseren Blick nicht nur nach oben zu
lenken, zum Himmel, wo Jesus beim Vater ist, zum Himmel, der auch unser
Ziel ist, wo wir ewig Heimat haben werden im Licht und Leben Gottes,
sondern wir sind eingeladen, unseren Blick auch auf unsere Berufung und
unsere Sendung hier auf der Erde und in diesem Leben zu richten.
Wir haben eine Aufgabe,
nämlich als Jünger und Jüngerinnen Jesu, seine Botschaft weiterzusagen
und sein Werk auf Erden fortzusetzen.
Hören auf
sein Wort! Seiner Weisung folgen! Lieben wie ER geliebt hat. Leben wie
ER gelebt hat. Aus SEINEM Geiste handeln, Werkzeuge des Friedens sein
und Boten SEINER Liebe.
Nun, liebe Schwestern und Brüder,
es besteht kein Zweifel: ein Herzstück des Lebens und der Botschaft Jesu
ist Vergebung und Versöhnung. Nicht nur sieben Mal, sondern
siebenundsiebzig Mal, immer! Nicht nur die lieben und denen vergeben,
die mir sympathisch sind, sondern auch denen, die mir nicht so liegen
und die mir vielleicht wirklich Schlimmes zugefügt und Böses getan
haben.
In der Bergpredigt sagt Jesus: „Liebt eure Feinde! Tut Gutes denen, die euch hassen! Betet für die,
die euch verfolgen!“ – Und: „wenn ihr nur
die liebt, die euch lieben, was tut ihr da Besonders? Und wenn ihr nur
denen gebt, die euch geben, welchen Lohn wollt ihr dafür erwarten? Tun
das nicht auch die Heiden?“
Und den hartherzigen Knecht,
dem im Gleichnis, das Jesus erzählt, eine millionenhohe Summe erlassen
wurde, der aber seinerseits mit einem seiner Kollegen ganz grausam
verfährt, dem er ein paar lumpige Denare gepumpt hat, ihn fragt der
König am Schluss: „Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen, wie
ich mit dir Erbarmen hatte?“ Jesus sagt: „Seid barmherzig, wie
auch euer Vater im Himmel barmherzig ist!“ Und: „Vergebt einander, dann wird auch euch vergeben werden!“
Von Gertrud von le Fort stammt das Wort: „In der Verzeihung des Unverzeihlichen ist der Mensch der göttlichen
Liebe am nächsten.“ – Von Herzen verzeihen, gar nicht so leicht,
meines Erachtens etwas vom Schwersten!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wissen
Sie, was heute vor 40 Jahren passiert ist, am 13. Mai 1981? Erinnern Sie
sich? Da geschah das schlimme Attentat auf Papst Johannes Paul II.
Anschließend lag er mehrere Tage auf Leben und Tod in der Gemelli-Klinik
in Rom. Die Ärzte rangen um sein Leben. Viele beteten. – Ein Jahr
später machte Johannes Paul eine Wallfahrt nach Fatima und übergab
Maria als Dank die Kugel, die nur um Millimeter ihr tödliches Ziel
verfehlt hatte. Die Kugel wurde dann in die Krone der Fatima-Madonna
eingefügt.
Anderthalb Jahre später,
im Dezember 1983 besuchte der Papst Johannes Paul II. seinen Attentäter
Ali Agca im Gefängnis. Die Begegnung ging durch die Presse und alle
Medien: Keine Vorwürfe, kein Nachtragen, sondern ein Treffen der
Versöhnung, ein Gespräch brüderlicher, verzeihender Liebe.
„Was
wir einander gesagt haben, bleibt ein Geheimnis zwischen mir und ihm.
Ich habe zu ihm gesprochen, wie man zu einem Bruder spricht, dem ich
vergeben habe und dem ich vertraue.“
Das war
alles, was Johannes Paul II. den Journalisten anschließend mitteilte. – „Ein überraschendes Drama von Verzeihung und Versöhnung“, schrieb
damals die Times.
Es
war für mich damals sehr beeindruckend, als ein Journalist im Fernsehen
seinen Rückblick auf das Jahr mit eben diesen Bildern der Versöhnung
beendete. Noch mehr beeindruckten mich die Worte, die nachdenklich die
Szene beschlossen, Worte, die das aussprachen, was letztlich uns allen
und der ganzen Welt nottut: „Herr, vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“
In einem Hochgebet der heiligen Messe heißt es: „Dein Geist bewegt die Herzen, wenn Feinde miteinander sprechen,
Gegner sich die Hände reichen und Völker einen Weg zueinander suchen.“
Und
weiter: „Dein Werk ist es, wenn der Wille zum
Frieden den Streit beendet, Verzeihung den Hass überwindet und Rache der
Vergebung weicht.“
Auf einem Kalenderblatt habe ich gelesen: „Die Höchstform der Liebe ist die Vergebung.“ Das stimmt. Und es
stimmt auch: „Wer seinen Nächsten verurteilt,
kann irren, wer ihm verzeiht, der irrt nie.“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Was
auf dem Querbalken des Kreuzes in St. Ludgeri in Münster geschrieben
steht, da, wo sonst die Arme und Hände Jesu sind, ist zeitlos gültig. Es
gilt auch heute für uns und jede und jeden Einzelnen: „Ich habe keine anderen Hände als die Euren.“
Durch uns
will Jesus heute in der Welt gegenwärtig sein. Durch uns will er sein
Heilswerk heute weiterführen.
Das Fest Christi Himmelfahrt ist
so gesehen Herausforderung und Aufbruch zum Zeugnisgeben. Christi
Himmelfahrt ist gleichsam Startsignal für Sendung und Evangelisierung.
Und das, liebe Mitchristen,
ist eine Sache nicht nur für den Papst und die Bischöfe oder andere
Hauptamtliche in der Kirche, sondern für alle Getauften, für uns alle,
die wir berufen sind, nicht nur Christen zu heißen, sondern es zu sein
und aus Christi Geist zu leben und zu handeln.
Christus hat keine anderen Hände als die deinigen, um anderen Menschen
zu helfen, um zu heilen, um Gutes zu tun.
Christus hat keine anderen Füße als die deinigen, um zu anderen Menschen
zu gehen und sie auf seinen Weg zu führen.
Christus hat keine anderen Augen als die deinigen, um andere Menschen
anzusehen und ihnen Ansehen zu schenken.
Christus hat keinen anderen Mund als den deinigen, um Menschen von ihm
zu erzählen und die gute Botschaft weiterzugeben.
Christus hat kein anderes Herz als das deinige, um die Menschen zu
lieben, um ihnen Güte, Verzeihen und Freundlichkeit zu schenken. Jesu
Herz ruft unser Herz. |