Seit gut drei Jahren
bin ich in einem Kapuzinerkloster im Schwarzwald, in Zell am Harmersbach und
habe dort auch jedes Jahr Fronleichnam mitgefeiert. Bei schönem Wetter wird der
Festgottesdienst auf einer Wiese unter freiem Himmel abgehalten. Farbenprächtig zieht am Schluss die Fronleichnamsprozession durch das
schmucke Städtchen zur Stadtpfarrkirche, wo der Segen mit dem Allerheiligsten
gespendet wird.
Fahnen begleiten die Prozession, der Kirchenchor
geht mit, Musikkapellen, Erstkommunionkinder in Festkleidern, die Bürgerwehr,
Trachtenvereine und Reitergruppen. Viele Ministranten begleiten das
Allerheiligste, das in einer barocken Strahlenmonstranz unter einem brokaten
Traghimmel vom Stadtpfarrer gehalten wird.
Fähnchen und Tannenzweige zieren hier und dort
den Straßenrand, Blütenteppiche sind liebevoll bereitet. Von manchem Haus
grüßen den frommen Zug Christusstatuen, Herz-Jesu-Bilder und Heiligenfiguren.
Weihrauch liegt in der Luft.
Auffallend viele Zuschauer säumen die Straße:
Einheimische, Urlauber, Touristen, Kurgäste. Sogar vom Elsass kommen die Leute,
um das Schauspiel zu betrachten.
„Wann ist morgen der Umzug?“
so fragte voriges Jahr jemand unseren Klosterpförtner am Telefon. Ja, für viele
ist es ein Umzug, eine folkloristische Veranstaltung, bestenfalls religiöses
Brauchtum. Der innere Bezug fehlt, das Verständnis. Und die Ehrfurcht weitgehend
auch. Kaum dass jemand einmal das Kreuzzeichen macht, wenn das Allerheiligste
vorbeikommt, geschweige denn eine Kniebeuge. Nein, es wird fleißig fotografiert,
Eis geschlotzt, geschwätzt, hocken geblieben, neugierig, was da abgeht.
Die wenigstens haben eine Ahnung oder wissen um
die Bedeutung dessen, was da geschieht.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wissen wir, was wir an Fronleichnam feiern?
Wissen wir, was der Sinn und Inhalt dieses Festes ist? Ist uns bewusst,
dass dieses Fest eine der wichtigsten und zentralsten Wahrheiten unseres
christlichen Glaubens herausstellen und feiern möchte?
GOTT IST DA – FÜR UNS! Das will das Fest sagen
und anschaulich machen. Als Brot und im Brot ist er da für uns.
Er ist nicht nur einer von uns geworden in der
Menschwerdung.
Er ist so sehr Gott für uns und Gott mit uns,
dass er sich uns selbst gibt, dass er sich uns hingibt und uns zur Speise wird.
Alles,
was Jesus getan hat, alles, was Jesus für uns ist, ist in diesem Brot
versammelt. Seine Liebe, seine Hingabe, sein Opfertod am Kreuz ist in diesem
Brot. Dies Brot ist sein Leib für das Leben der Welt.
Unsere Augen sehen Brot. Doch unser Glaube
bekennt: Christus selbst ist hier. Hier ist unser Herr und Meister gegenwärtig.
Hier begegnen wir unserem Heiland, unserem Erlöser.
Das kleine Stück Brot in der Monstranz, das
kleine Stück Brot am Sonntag in unseren Händen ist Jesu Leib, ist Christus
selbst, real gegenwärtig.
Ahnen wir,
realisieren wir, was es heißt, Eucharistie zu feiern und die heilige Kommunion
zu empfangen?
Christus
schenkt sich uns, er schenkt sich mir im Brot des Lebens. Welche Nähe! Welche
Freude, welches Glück geht da von ihm aus!?
Immer wieder denk ich beim Kommunionempfang: ein so
unergründliches Gut, eine so große, überfließende Liebe für mich, wirklich für
mich? Und ich bete darum, dass mir diese Freude und dieses Staunen
erhalten bleibe, dass mir das unfassbare Wunder der Eucharistie nicht zur
Routine und zur Gewohnheit wird.
Ich möchte in Andacht verweilen, ich möchte
verkosten, auskosten, die Vereinigung mit Christus verspüren, vertiefen und
nachklingen lassen. Und ich möchte Dank sagen und anbeten.
Liebe Schwestern und Brüder!
Fronleichnam
hat ganz viel mit dem Gründonnerstag zu tun, dem Tag der Einsetzung des
Abendmahles. In der Karwoche ist allerdings wenig Raum für Dank und Jubel. Der
Dank ist verhalten, der Jubel gedämpft. Die Passion steht im Vordergrund.
An Fronleichnam
kann Dank und Jubel voll aufkommen, sich entfalten und ausklingen.
„Lobt und preist, singt
Freudenlieder, festlich kehrt der Tag uns wieder, jener Tag von Brot und Wein,
da der Herr zu Tisch geladen und dies reiche Mahl der Gnaden setzte zum
Gedächtnis ein.“ - „Unser Lob soll laut erschallen und das Herz in Freude
wallen.“
Sehen Sie:
An Fronleichnam
drängt die Freude über den Raum der Kirche hinaus. Sie drängt über das eigene
Herz hinaus. Sie versucht die ganze Schöpfung einzubeziehen.
Darum
der festliche Gottesdienst, darum der Gang mit dem Herrn im eucharistischen Brot
durch die Gassen und Straßen, darum das Grün der Sträucher und die bunte
Vielfalt der Blumen.
All das
will Ausdruck der Freude sein, des Jubels, des Dankes.
Fronleichnam
ist ein großes, ein frohes „Dankeschön“.
Dieses Fest ist das jubelnde Amen der Kirche für das
Sakrament der Liebe, in dem der Herr zu uns kommt, sich uns schenkt als „Seelenspeise für unsre Pilgerreise“.
Aller Welt will die Kirche an diesem Tag ihre Freude
bekunden.
Gott ist da, da als Gott für uns und mit uns. Das bekennt die Kirche am
Fronleichnamstag auch außerhalb des Gotteshauses.
Liebe Schwestern und Brüder!
Was wir das ganze Jahr hindurch im Gotteshaus
feiern und verehren und gläubig empfangen, das tragen wir an Fronleichnam hinaus
in die Öffentlichkeit. Das Allerheiligste, sonst ehrfurchtsvoll in der
Kirche verwahrt, wird heute auf Straßen und Plätzen jedermann gezeigt. Es kommt
in unsere Welt, in unseren Alltag, dorthin, wo wir leben und arbeiten und
wohnen, vorbei an Läden und Geschäften, an Ämtern, Banken, Fabriken, Schulen,
Kinos und Theater.
Wenn wir mit dem Allerheiligsten durch die
Straßen ziehen, bekennen wir uns öffentlich zu Jesu Christus, geben wir Zeugnis
für ihn inmitten einer säkularisierten Welt. IHN grüßen wir, IHM singen wir
Lieder, IHN beten wir an im hl. Sakrament des Altares.
Fragen wir uns einmal:
Kommt Gott auch sonst vor in meinem Alltag, in meinem Beruf, in der Freizeit, in
der Familie? Hat er Platz? Gebe ich ihm Raum? Spielt er eine Rolle in all diesen
Lebensbereichen? Gibt er meinem Leben die Richtung? Ist sein Wort Maßstab und
sein Wille Orientierung bei meinem Handeln und Entscheiden?
Alle Frömmigkeit dieser Stunde und des heutigen Feiertages
will und muss sich ausweiten auf unseren Alltag, auf unsere Umgebung, in der wir
leben, auf die Mitmenschen, die uns begegnen. – Wir wollen und sollen
nicht nur bei der Prozession heute mit Christus auf die Straße gehen und ihn
hineintragen in unsere alltäglichen Lebensbereiche, sondern jeden Tag gleichsam
selbst eine lebendige Monstranz sein, Christusträger und Christusbringer hinein
in unsere Welt, Zeugen seiner Gegenwart, Werkzeuge seines Friedens, Künder und
Boten seiner Liebe.
Zum Gottesdienst gehört der Bruderdienst, zum Mahl der Liebe die
Tat der Liebe. – „Als Brot für viele Menschen hat uns
der Herr erwählt. Wir leben füreinander und nur die Liebe zählt.“
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