Am Dreifaltigkeitsfest
stellt sich die Frage: „Wer ist Gott?“ „Für wen halten wir ihn?“ „Wie
erfahren wir ihn?“
„GOTT“ – Kein Name sei so
besudelt und missbraucht worden wie dieser Name, so ähnlich hat es der
große Theologe Karl Rahner formuliert. – Wenn man sieht, wie gedankenlos
und oberflächlich viele Menschen das Wort „Gott“ oft benutzen, dann kann
man Karl Rahner nur zustimmen. „Um Gottes Willen“, „ach, du lieber
Gott“, „mein Gott“ usw. Wer den Namen Gottes so oder ähnlich
verwendet, spricht keineswegs mit Gott – er/sie betet nicht – sondern
das Wort „Gott“ dient lediglich als Füllsel, als sprachliche
Null-Nummer. „Gott“ muss ersatzweise dort einspringen, wo man nichts zu
sagen weiß, einfach nur so, gedankenlos, herzlos, geistlos. Wie oft
geschieht das!?
Ob das auch damit zu tun
hat, dass das Bild, das viele Menschen von Gott haben, verkommen,
verzerrt und entstellt ist?
Da gibt es zum Beispiel
den „Opa-Gott“. Ein alter Mann mit langem Bart, harmlos und lieb.
Oder den „Klempner-Gott“: Man ruft ihn, wenn man akut in Not ist.
Dann muss er ganz schnell helfen. Ähnlich der „Feuerwehr-Gott“,
der da zu sein und einzuspringen hat, wenn man mit seinem Latein am Ende
ist. Gott als Lückenbüßer! Aber sonst, wenn’s einem gut geht, hat man
mit ihm nichts am Hut. Und er selbst soll einem gefälligst in Ruhe
lassen.
Dann gibt es noch den
„Weihrauch-Gott“. Man braucht ihn zur Dekoration von Familienfesten,
also Hochzeiten, Beerdigungen, eventuell auch noch Taufe und
Erstkommunion, vielleicht ist er auch am Heilig Abend ganz willkommen.
Aber sonst hat man keinen Kontakt mit ihm und möchte auch keinen.
Karl Rahner hat einmal gesagt:
„Gott sei Dank, gibt es nicht, was sich 70 - 80 Prozent als Gott
vorstellen.“
Ein Extrem zu diesen –
Gott nicht wirklich ernst nehmenden und ihn eher verharmlosenden Bildern
– ist der „Buchhalter-Gott“. Er sieht, registriert und
kontrolliert alles. Nichts, aber auch gar nichts, entgeht ihm. Ähnlich
der „Gott als Staatsanwalt“. Er forscht akribisch nach Fehlern,
Vergehen und Sünden. Er ahndet und bestraft alles hart und gnadenlos.
„Ein Auge ist, das alles sieht,
auch was in finstrer Nacht geschieht.“ – So sagte man früher den
Kindern. Man benutzte Gott als Erziehungshilfe und flößte den Kindern
Angst ein. Gott als einer, der überwacht, registriert, kontrolliert.
Dieses Gottesbild hat großen Schaden angerichtet in vielen Seelen.
Aber – in Geistlicher
Begleitung, bei Exerzitien-Gesprächen und im Beichtstuhl – erlebe ich
immer wieder: Dieses Gottesbild – Gott wie ein Wachmann – ist auch bei
Erwachsenen noch immer vorhanden. Mit diesem Gottesbild ist man auf
Schritt und Tritt in Gefahr, sich zu versündigen. Es erzeugt Angst vor
Gott.
„Ein Auge ist, das alles sieht…“
– In der Kunst wird dieses alles sehende Auge oft auch mit einem Dreieck
dargestellt, welches das Auge eckig, spitz umrahmt und einschließt.
Dieses Dreieck ist ein
Symbol für die Trinität. Es repräsentiert die Dreifaltigkeit und
Dreieinheit Gottes. Doch dieses geometrisch exakte Gottesbild wirkt
wenig anziehend und einladend, es wirkt eher streng und unnahbar.
Gott aber ist – nach unserer
christlichen Auffassung – ein menschenfreundlicher Gott. Er thront nicht
in unerreichbarer Ferne mit erhobenem Zeigefinger, unerbittlich, streng.
Er ist nicht ein Gott gegen uns, sondern „für uns“.
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Wir begegnen ihm als dem
Schöpfer, der alles erschaffen hat. Er hat auch uns gewollt und uns
ins Leben gerufen. Er liebt uns seit Ewigkeit.
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Wir begegnen ihm in seinem Sohn
Jesus Christus. Er hat unter uns Menschen gelebt. Er hat uns geliebt
und sich für uns hingegeben.
-
Und wir begegnen ihm im Geist,
der in uns lebendig ist. Durch ihn ist Gottes Liebe ausgegossen in
unsere Herzen.
Immer ist es der eine
Gott, der in seinem tiefsten Wesen Liebe und Beziehung ist, den man
anreden, zu dem man „Du“ sagen und zu dem man beten kann.
Irenäus von Lyon (gestorben
200) hat über den dreifaltigen und einen Gott den wunderschönen Satz
gesagt: „Der Sohn und der Heilige Geist sind die beiden Hände des
Vaters, mit denen er uns anrührt, uns umfasst und uns nach seinem Bild
und Gleichnis umformt.“ Welch anderes, welch warmes und attraktives
Gottesbild!
Allerdings, den Spruch
„Ein Auge ist, das alles sieht, auch was in finstrer Nacht geschieht“,
den kann man auch anders verstehen und auslegen, nämlich positiv: Da ist
einer, der verliert mich nicht aus den Augen. Er hat mich immer im
Blick. Er übersieht mich nicht. Mit Augen der Güte schaut er auf mich.
Er kennt mich und weiß um mich. In seinem Schutz darf ich mich geborgen
fühlen. Unter seinem Segen kann ich sicher gehen und leben.
Gottes Blick auf mir ruhend
– nicht prüfend, nicht ausspähend, nicht kontrollierend, nicht
unbarmherzig und gnadenlos, sondern liebevoll, verstehend, voll Langmut
und reich an Güte.
Dietrich Bonhoeffer
formuliert am Ende eines Gedichtes, in dem er vielen Fragen stellt:
„Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich o Gott.“
So wird das Auge Gottes zum
Trost- und Hoffnungsbild – aber auch zur Herausforderung für unseren
eigenen Blick in die Welt und in unsere Umgebung: Unser eigenes Sehen
soll nicht verwunden, sondern heilen. Es soll nicht erniedrigen, sondern
aufrichten, nicht vernichten, sondern retten und befreien.
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