Desencano am Gardasee.
– Hier erblickt Angela Merici 1474 das Licht der Welt. Sie darf zunächst
eine glückliche Kindheit erleben. Doch früh erfährt sie tiefes Leid. Mit
10 Jahren wird sie Vollwaise. Sie verliert beide Elternteile.
Zusammen
mit ihrer Schwester, mit der sie sich sehr gut versteht, kommt sie zu
einem Onkel nach Salo, eine Art Ersatzheimat.
Der Onkel
ist gut zu den beiden Mädchen. Er behandelt sie wie seine eigenen
Kinder. Er sorgt gut für sie.
Dann
bricht neues Leid über Angela herein. Der treu sorgende Onkel stirbt und
auch die geliebte Schwester wird durch den Tod von ihr genommen.
Doch die
erlittenen Schicksalsschläge bringen die junge Frau nicht zur
Verzweiflung, sondern führen sie eher noch näher zu Gott und verstärken
ihr Sehnen nach einem entschiedenen religiösen Leben.
21-jährig kehrt Angela in ihren Heimatort Desencano zurück.
Ihr
religiöses Leben gewinnt immer mehr an Tiefe.
Sie
verschenkt ihr väterliches Erbe an die Armen und wird
Franziskanerterziarin. Das heißt: Sie schließt sich der franziskanischen
Laiengemeinschaft an, dem Dritten Orden des hl. Franziskus.
Nicht in
einem Kloster, sondern mitten in der Welt und mitten in ihrem Alltag
will sie die 3 Räte des Evangeliums leben.
Ihren
Lebensunterhalt verdient sie sich 20 Jahre lang als Dienstmagd bei
Verwandten. Dadurch bekommt sie engen Kontakt zu den einfachen
Bevölkerungsschichten. Sie erkennt die materielle und geistige Armut der
Menschen.
Der
aufgeweckten, hübschen, jungen Frau tun besonders die Kinder leid. Oft
genug wachsen sie nicht nur in äußerster Not, sondern auch in seelischer
Verwahrlosung auf und jede Bildung – auch in religiöser Hinsicht – ist
ihnen versagt. Und so beginnt sie, die armen Kinder religiös zu
unterweisen und bringt den Mädchen auch Fertigkeiten in der
Haushaltsführung bei.
Bald
verbreitet sich der gute Ruf Angelas und andere ideal gesinnte Frauen
machen mit und schließen sich ihr an.
Auch in
der nah gelegenen Stadt Brescia wird man auf Angela aufmerksam. Man
bittet sie dorthin zu kommen und in dieser Stadt ihre Arbeit
fortzuführen. Angela lässt sich dazu bewegen, zieht um und findet in
Brescia ihren Platz und ihren Ort, wo sie noch umfassender wirken und
ihre Arbeit entfalten kann.
Auch dort
holen Angela und ihre Gefährtinnen die Mädchen aus der Nachbarschaft und
den umliegenden Straßen zusammen und erteilen ihnen regelmäßig und
kostenlos Religionsunterricht.
Sie
machen Hausbesuche und betreuen die Alten und Kranken in ihren Häusern.
Sie arbeiten – so würden wir heute sagen – als Katechetinnen und
Pfarrhelferinnen.
Aber mehr
und mehr weitet sich der Blick Angelas.
Sie
erkennt, dass die Familie intakt sein muss, damit sich die Gesellschaft
und der Einzelne wohlfühlen. Ungeheuer wichtig für den Zustand der
Familie ist in den Augen Angelas die Frau.
Und so
sorgt sie für eine ganzheitliche Bildung der Jugend, vor allem der
Mädchen und jungen Frauen. Erziehungsberatung und Sozialdienst würden
wir das heute nennen, was Angela damals schon praktizierte.
Mehr und
mehr wird Angela die Fürsorgerin und Nothelferin der ganzen Stadt. Man
nennt sie einfach „la madre“ – „die Mutter“!
Mit allen
Anliegen und Nöten kommen die Menschen zu ihr und suchen bei ihr Rat und
Hilfe.
Für ihre
Sendung zur Mädchen- und Frauenbildung bzw. Familienseelsorge erscheint
ihr mehr und mehr eine neue Form von Ordensgemeinschaft nötig zu sein.
Ihr schwebt eine geistliche Gemeinschaft vor, deren Mitglieder nicht in
Klausur leben und keine Ordenstracht tragen, sondern ein apostolisches
Leben mitten in der Welt führen.
Viele
Jahre reift der Wunsch in Angela nach einer solchen Lebensform. Fast 40
Jahre dauert es – Angela selbst ist rund 60 Jahre alt – bis ihr Vorhaben
zur Verwirklichung kommt.
Im Jahr
1553 ist es dann soweit. 28 Mädchen vollziehen ihre Weihe an Gott und
schließen sich dem Werk Angelas an. Aus der losen Verbindung, in der sie
mit ihren Gefährtinnen bisher lebte, entsteht die „Compangna di Santa
Orsolana“, die Gesellschaft der hl. Ursula. Angela wählt die hl.
Ursula zur Schutzpatronin der neuen Gemeinschaft. Später werden die
Schwestern in der ganzen katholischen Welt als „Ursulinen“
bekannt.
Bereits
fünf Jahre nach ihrer Ordensgründung starb Angela am 27. Januar 1540.
Erst spät, 1768 wurde sie selig- und 1807 heiliggesprochen. Bis dahin
hatte sich ihr Orden in viele Länder ausgebreitet und war zu einer der
wichtigsten religiösen Gemeinschaften geworden, die sich um die
Erziehung der weiblichen Jugend kümmerten.
Angela
war mit ihrer Neugründung ihrer Zeit weit voraus.
Dass
gottgeweihte Frauen in der Welt leben und apostolisch, caritativ und
sozial tätig sind, ohne Ordenstracht und nicht an eine strenge Klausur
gebunden, und doch ganz von der dienenden Liebe geleitet, das war damals
eine große Neuerung, ja es war geradezu revolutionär.
Der
Bischof von Verona approbiert zwar die Regel und bestätigt damit diese
ungewohnte Lebensweise von Ordensfrauen. Und solange Angela lebt, können
ihre Schwestern auch so leben und arbeiten, wie es ihr vorschwebt. Aber
bald nach ihrem Tod müssen sich die Ursulinen, um der drohenden
Aufhebung zu entgehen, an die Gesetze des allgemeinen Kirchenrechts
halten, ein Ordenskleid anlegen und sich in die Klausur zurückziehen.
Sie
dürfen nicht mehr in die Häuser der Leute gehen, um dort Unterricht zu
halten. Sie müssen ihre eigenen Schulen und Internate bauen. Um sie zu
unterhalten, müssen sie Schulgeld nehmen – und können deshalb nur die
Kinder begüterter Eltern aufnehmen. Damit werden die Ursulinen – ganz
gegen die ursprüngliche Intention der heiligen Angela – zu der
Ordensgemeinschaft, die in Klausur lebt und „Höhere Töchterschulen“
mit dazugehörigen Internaten führt.
Angela
hatte zu ihren Lebzeiten ihren Schwestern den Auftrag gegeben, „sich
der jeweiligen Zeit anzupassen, selbst wenn das eine Änderung der Regel
bedingt“.
Mit allen
anderen Ordensgemeinschaften haben nach dem 2. Vatikanischen Konzil auch
die Ursulinen begonnen, sich auf die ursprüngliche Idee ihrer Gründerin
zu besinnen: Mitarbeit in der Seelsorge, Bildungs- und Erziehungsarbeit
für die Kinder einfacher Volksschichten. Auch bemühen sie sich, ihren
Lebensstil im Sinne der heiligen Angela zu erneuern.
Bitten
wir Gott, dass er auf die Fürbitte der hl. Angela ihren Schwestern und
allen Ordensgemeinschaften hilft, die Zeichen und Nöte unserer Zeit zu
erkennen und ihnen tatkräftig zu begegnen.
Beten wir
auch darum, dass der Jugend von heute ideal gesinnte und selbstlose
Erzieher und Erzieherinnen nicht fehlen. |