Krankheit und Leid gehören zu unserem
Leben.
Neben den Schmerzen bereitet das
Angewiesensein auf die Hilfe anderer oft Kummer.
Heutzutage ist vieles gut organisiert.
Wir haben bestens ausgebildete Ärzte und ein professionelles
Pflegepersonal.
Die medizinische Versorgung ist weithin
sichergestellt.
Aber genügt das? Was ist mit der inneren
Not der Kranken? Was ist mit den Fragen und Sorgen um Zukunft und
Existenz, Sinn und Ziel, die sich quälend auf die Seele legen können?
Wer schon einmal länger Zeit krank war,
der weiß, dass neben einer guten ärztlichen Diagnose und Medizin
liebende Pflege und Begleitung ganz wertvoll und wichtig ist, sei es
durch das Pflegepersonal der Klinik, durch Familienangehörige zu Hause,
durch Hospizdienste oder durch Seelsorgerinnen und Seelsorger.
Mit bezahltem Dienst ist es nicht getan.
Es braucht Menschen, die zur Seite stehen, mittragen, aushalten, Zeit
haben, zuhören, ein gutes Wort zur rechten Zeit sagen oder einfach da
sind.
Liebende Sorge und aufmerksame Zuwendung
sind nicht weniger bedeutsam wie die richtigen medizinischen Präparate.
Wilhelm Wilms hat die Bedeutung solcher
Zuwendung in die Worte gefasst:
„Wussten Sie schon, dass die Nähe eines
Menschen gesund machen, krank machen, tot und lebendig machen kann?...
Wussten Sie schon, dass das Wegbleiben
eines Menschen sterben lassen kann, dass das Kommen eines Menschen
wieder leben lässt?
Wussten Sie schon, dass das Zeithaben für
einen Menschen mehr ist als Geld, mehr als Medikamente, unter Umständen
mehr als eine geniale Operation?“
Kamillus ist diese Wahrheit
aufgegangen. In seinem Leben spielte eine Krankheit eine geradezu
entscheidende Rolle.
Es
war eine große Beinwunde, an der er litt und die nie mehr verheilte.
Zur Behandlung dieser Wunde begab er sich
in das St. Jakobs Spital nach Rom. Zu diesem Zeitpunkt war er innerlich
ein zerrissener Mensch. Man mochte ihn dort nicht. Er war
selbstherrlich, haltlos und in seinem Verhalten undiszipliniert.
In seinem weiteren Lebensverlauf – er
hatte als Jugendlicher seine Eltern verloren, war also Vollwaise –
suchte er Sinn und Erfüllung in einem abenteuerlichen Leben als Soldat,
verfiel der Leidenschaft des Kartenspiels, vergeudete dabei all seine
Habe, verlor sein letztes Erspartes und geriet immer mehr auf die
schiefe Bahn und an den Rand des Lebens.
Schließlich endete er als Bettler an den
Kirchenportalen.
Soweit kam er herunter. Ähnlich dem
verlorenen Sohn im Gleichnis vom barmherzigen Vater.
Als er beim Neubau eines Klosters die
Arbeit eines Handlangers und Eseltreibers annahm, lernte er einen
erfahrenen und gütigen Pater kennen. Der nahm ihn ins Gebet und führte
ein ernstes Gespräch mit ihm. – Kamillus begann zu begreifen und fing
den Weg der Umkehr an, eine echte und wirkliche Umkehr, die seine
Einstellung und sein Leben völlig veränderte.
Kamillus ist ein Beispiel dafür, dass ein
noch so entgleistes und verkorkstes Leben zu innerer und äußerer Ordnung
zurückfinden kann. Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.
Aber Kamillus musste seinen Weg und die
Aufgabe, die Gott ihm zugedacht hatte, erst suchen. – Er wollte
Kapuziner werden. Zweimal hat er es probiert. Wegen seiner unheilbaren
Fußwunde wurde er nicht aufgenommen bzw. aus dem Noviziat wieder
entlassen.
Er ging in das Krankenhaus nach Rom
zurück. Der einst so aufsässige und unverträgliche Mann war wie
umgewandelt.
Er suchte nicht nur Heilung für seine
Wunde. Er, der Kranke, begann die anderen Kranken zu pflegen. Er tat es
gern, mit Hingabe und Liebe. Er tat es vorbildlich. Schließlich machte
man ihn zum Verwaltungsdirektor des Krankenhauses.
Mit der Zeit sammelten sich
Gleichgesinnte um ihn. So entstand allmählich eine Genossenschaft von
Krankenpflegern. Daraus erwuchs der Orden der Kamillianer, der heute
weltweit verbreitet ist und überall im Dienst der kranken Menschen steht
und derer, die sich um die Kranken bemühen.
Kamillus selbst studierte bei den
Jesuiten noch Theologie und wurde Priester. Er wurde in seiner Zeit zu
einem großen Erneuerer des Gesundheitswesens in Italien. Er reformierte
den Krankenhausbetrieb und die Krankenseelsorge in Rom und im ganzen
Land.
Kamillus war von einer tiefen Liebe zu
den kranken Menschen erfüllt. Er verfügte über ein wunderbares
Einfühlungsvermögen. Er stand buchstäblich Tag und Nacht im selbstlosen
Dienst an den Kranken und Sterbenden. Aus eigener schmerzlicher
Erfahrung wusste er, was Krankheit bedeutet. Er hatte aber auch erlebt,
dass seine Krankheit ihm seinen Lebensweg gewiesen hat. Er resignierte
nicht. Er ließ sich führen – auch aus den tiefsten Tiefen menschlicher
Grenzerfahrung heraus. Er fand seine Lebenserfüllung in Gott, die ihren
Ausdruck fand in seinem hingebungsvollen Dienst an den kranken Menschen.
Aber auch den Armen widmete er sich und nahm sich der Strafgefangenen
an.
Die Kraft zu solchem Einsatz schöpften
Kamillus und seine Gefährten aus dem Beispiel Jesu. Ihm und seinen
Gefährten war deutlich geworden: In den Kranken und Armen, in den
Gefangenen und Obdachlosen begegnet uns Christus. Und sie pflegen, sie
besuchen und ihnen dienen, schenkt einem selbst die Begegnung mit
Christus.
Am 14. Juli 1614 ist Kamillus in Rom
gestorben. Er ist der Patron der Kranken und Krankenpfleger. In den
Gebeten für die Sterbenden ruft ihn die Kirche um Fürbitte an.
Spritzen und Tabletten allein machen
einen Kranken noch nicht heil. Medizinische Präparate und Apparate
genügen nicht.
Es braucht Menschen, die sich in
liebender Sorge und Aufmerksamkeit dem Menschen in Not zuwenden. Es
braucht Güte und Hilfsbereitschaft, dienende Liebe und liebende Hingabe.
– Kamillus wusste aus eigener Erfahrung um den Zusammenhang von Heil und
Heilung.
Heute gibt es nicht wenige, die in den
Gemeinden und darüber hinaus – oft auch ehrenamtlich – helfen und da
sind und sich einsetzen in der Hospizarbeit, bei Aidskranken, im
Kirchenasyl, in der Betreuung von Flüchtlingen, als Besuchsdienst in
Krankenhäusern und Gefängnissen. Nicht zu vergessen sind auch die
Seelsorger und Seelsorgerinnen in all diesen Bereichen.
Wer immer sich im Geist des Evangeliums
einsetzt für Menschen in Not, dessen Leben wird Christus-förmig und
Christus-haltig. Gottes- und Nächstenliebe sind ja keine Gegensätze,
sondern einander ergänzende und einander bedingende Formen der Liebe.
Überall dort, wo Menschen sich anderen in
ihren Nöten widmen und zuwenden, überall dort geschieht Seel-Sorge.
Überall dort wird durch die Zuwendung eines Menschen die liebende
Zuwendung Gottes erfahrbar, durch den Trost eines Menschen der Trost
Gottes, durch Erbarmen das Erbarmen Gottes.
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