Was macht es eigentlich so schwer zu danken? Was
blockiert, was hindert uns? Tun wir es nicht viel zu wenig?
Können wir vielleicht besser klagen und jammern als danken?
Können wir besser kritisieren und protestieren? Sehen wir eher alles
negativ? Ist unser Denken mehr destruktiv?
Der erste Feind der Dankbarkeit ist der Stolz. Der stolze
Mensch glaubt alles sich selbst zu verdanken, seiner Leistung, seiner
Fähigkeit, seiner Tüchtigkeit, der eigenen Kraft. Alles im Griff. Mir
machen das schon. Der Stolze schreibt alles sich selber zu. Sind wir
vielleicht zu stolz, um noch dankbar sein zu können?
Ein zweiter Feind der Dankbarkeit, sozusagen ein
Dankbarkeitstöter, ist die Selbstverständlichkeit. Nehmen wir nicht
vieles zu selbstverständlich? Aber was ist schon
selbstverständlich? Ist es wirklich selbstverständlich, dass ich
gesund bin, dass ich morgens aufstehen kann, dass ich atme, dass ich
lebe, dass ich Arbeit habe und ein Zuhause, Nahrung und Kleidung? Gehen
können, meine Sinne gebrauchen können, hören, sehen, riechen, tasten,
schmecken können, ist das selbstverständlich? Ist es so
selbstverständlich, dass Menschen an mich denken, es gut mit mir meinen,
für mich da sind? Sind Zuneigung, Freundschaft, Liebe, Treue und
Vertrauen selbstverständlich? Nichts ist eigentlich selbstverständlich,
auch nicht die kleinen Dinge, weder ein gesunder Schlaf, noch die
gebügelte Wäsche, weder das fertige Essen noch die frischen Blumen auf
dem Tisch.
Ein dritter Feind der Dankbarkeit ist die Gedankenlosigkeit.
Gehen wir an vielem Gutem und Schönem nicht achtlos vorbei?
Sind wir nicht weithin blind für die Gaben, die uns jeden Tag
zukommen? Leben wir nicht viel zu ruhelos, zu fiebrig, zu
gehetzt, um uns noch besinnen und danken zu können? Sind wir
nicht viel zu beschäftigt und besetzt mit unseren Sorgen und Problemen
und übersehen das kleine Glück, die alltäglichen Freuden? Auch ein
Dankbarkeitstöter: die Gedankenlosigkeit.
Ein vierter Feind der Dankbarkeit ist das überzogene
Anspruchsdenken. Wir meinen dieses oder jenes müssten wir unbedingt
haben. Wir fordern es ein, klagen es ein. Wo aber ein Mensch nur
aus dieser Haltung lebt, verliert das Leben den Geschenkcharakter. Der
Mensch wird immer unglücklicher und unzufriedener. Wo aber eine
Grundstimmung der Unzufriedenheit herrscht, ist kein Raum für
Dankbarkeit. Wo das Fordern zu sehr in den Vordergrund tritt, das
Pochen auf mein Recht, das Anmelden meines Anspruchs, da wird das Danken
im Keim erstickt. Es hat keine Chance, es kommt nicht zum Zug.
Ein letzter Feind der Dankbarkeit, den ich nennen möchte, ein
Dankbarkeitstöter, ist die Verwöhnung. Sind wir nicht in vielfacher
Hinsicht heutzutage verwöhnt? Wir haben riesige Auswahl. Wir haben viele
Angebote. Die Regale der Supermärkte sind übervoll. Geht es uns nicht
manchmal wie dem Kind, das zu viele Spielsachen hat? Es nimmt dieses und
jenes und will mit keinem spielen. Der verwöhnte Mensch ahnt den Wert
der Dinge nicht mehr. Er vergisst die Dankbarkeit. Er fordert immer noch
mehr und kann nie genug kriegen.
Wie können wir wieder
zum Danken kommen? Wie können wir es wieder lernen?
Wir können auf andere
Menschen schauen, z. B auf Maria.
Ihr Magnifikat ist ein Danklied auf die Größe und Güte des Herrn.
Oder Franz von Assisi: In ihm war der
Geist der Dankbarkeit ganz lebendig. Danken bildet so etwas wie einen
Grundakkord in seinem Leben. Franziskus sieht sich ganz als
Empfangender. Alles ist für ihn Geschenk, Gabe, Gnade. Und in jeder Gabe
entdeckt er den Geber, in allem Guten den Ursprung des Guten. -
Franziskus lebte aus dem Bewusstsein, dass er nichts aus sich selber ist
und hat, dass alles ihm zukommt von einem anderen her, der größer ist,
der gut ist, der die Liebe ist und absoluter Reichtum.
Wie können wir das
Danken wieder lernen?
Einen leicht gangbaren Weg zeigt uns auch der hl. Ignatius v. L.
Er empfiehlt die Gewissenserforschung am Abend jedes Tages mit dem Dank
an Gott zu beginnen. Also nicht nur zu suchen, was habe ich heute falsch
gemacht, wo habe ich mich versündigt; nicht nur nach Mängeln, Fehlern
und Versäumnissen Ausschau halten, auch nicht auf sonst Negatives
fixiert sein, Ärger, Enttäuschungen, Konflikte, sondern mit liebender
Aufmerksamkeit den zu Ende gehenden Tag noch einmal in den Blick nehmen
mit der Frage, wofür kann ich heute danken? Was habe ich heute Schönes
erlebt? Wo ist mir Gutes widerfahren? Was hat mich gefreut? Was ist mir
heute gelungen? - Jeder Tag hat Anlässe zur Freude und Erfahrungen, die
uns dankbar stimmen können. Vergessen wir nicht die kleinen Dinge
wahrzunehmen, den erfreulichen Telefonanruf, ein nettes Wort, das Lachen
eines Kindes, das Scheinen der Sonne, die Farben des Herbstes, das
Zwitschern eines Vogels, den abendlichen Sternenhimmel, den knirschenden
Schnee im Winter. Oder eine nette Begegnung, ein gutes Gespräch, schöne
Musik, ein fröhliches Lied. Es sind nicht unbedingt immer die großen
Dinge, die das Leben schön machen. Die Welt ist voll von kleinen
Freuden. Das Unscheinbare ist oft das Wunderbare. Die Kunst besteht nur
darin, es zu sehen und zu begreifen, dass es Geschenke sind, Geschenke
Gottes, Geschenke, die aus seiner Liebe stammen. Und auf Liebe kann man
nur mit Liebe antworten.
Seit einiger Zeit hören wir oft, dass wir positiv denken sollen. Danken
ist „positives Denken“. Undankbarkeit ist die Wurzel vieler Übel.
Dankbarkeit ist das Gegenmittel zu Stolz, Selbstverständlichkeit,
Gedankenlosigkeit und Anspruchsdenken. Dankbarkeit ist der Schlüssel zur
Lebensfreude.
Franz v. Sales sagt: „Grüßen wir jeden Tag mit Freude und
Hoffnung, denn er ist ein Geschenk der Güte Gottes.“ Mit einem
„Danke“ morgens aufstehen und mit einem „Danke“ abends schlafen gehen!
Und wenn es einmal gar
nicht danach aussieht, als hätten wir Grund zu danken, vielleicht ist es
an einem solchen Tag nur der Dank dafür, dass das Leidvolle und Schwere
durchgestanden werden konnte, dass Gott auch an diesem Tag mir nahe war
und dass ich auch diesen Tag mit all seinen Sorgen auf ihn hin loslassen
und in seine Hände legen darf.
Undank verschließt das Herz.
Dank öffnet es - für Gott und die Menschen.