Der Abstand zum
Weihnachtsfest wird fühlbar größer. Auch liturgisch befinden wir uns
bereits seit einer Woche im „grünen“ Jahreskreis. Und doch hat der
heutige Sonntag noch einmal Epiphaniecharakter. Noch einmal fällt ein
weihnachtlicher Glanz in diese gottesdienstliche Feier.
Wie in Betlehem bei der
Huldigung der Sterndeuter und wie am Jordan bei der Taufe Jesu, so
scheint auch bei der Hochzeit in Kana Jesu göttliche Herrlichkeit auf.
„Er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine
Jünger glaubten an ihn.“
Doch zunächst fäll etwas
anderes auf und es fasziniert mich:
Jesu öffentliches Wirken
beginnt nicht im Tempel und auch nicht in einer Synagoge, sondern im
Rahmen eines Festes, bei einer Hochzeit. Und Jesus mittendrin, ebenso
Maria, seine Mutter, sowie seine ersten Jünger.
Jesus auf einer
Hochzeitsfeier! Und das nicht als Moralprediger, der dem Hochzeitspaar
Ermahnungen und gute Ratschläge mit auf dem Weg gibt, sondern als einer
der mitfeiert, der sich freut, der es genießt, mit Freunden, Verwandten
und anderen Hochzeitsgästen zusammen zu sein. Ich glaube nicht, dass
Jesus auf der Hochzeit nur Wasser getrunken hat. Er wird gut mitgefeiert
haben – wie später auch bei den Gastmählern, wenn er zusammen mit
Zöllner und Sündern isst und trinkt.
Das erste Zeichen, das
Jesus setzt, geschieht auf einer Hochzeit. Und die erste Tat, mit er
sich in der Öffentlichkeit zeigt, ist ein Weinwunder! Wer hätte das
gedacht! Spannend, nicht wahr?!
Liebe Schwestern und
Brüder!
Hochzeit feiern war zur
Zeit Jesu und ist auch heute noch etwas vom Größten und Schönsten, was
Menschen feiern. Das lassen sich Paare nach wie vor etwas kosten. Damals
zur Zeit Jesu in Palästina konnte eine Hochzeit Tage lang gefeiert
werden, ja sie konnte eine ganze Woche lang dauern. Es geschah auch
nicht im engsten Familienkreis. Die ganze Verwandtschaft, die ganze
Sippe von beiden Seiten, ja die ganze Dorfgemeinschaft war eingeladen
und konnte mitfeiern.
Im Rahmen eines solchen
Festes kommt es zum ersten von sieben Zeichen, die Jesus im
Johannesevangelium wirkt: Wasser wird in Wein verwandelt. Das
Hochzeitsfest wird gewissermaßen zur Bühne der Offenbarung der
Herrlichkeit Jesu.
Das ist kein Zufall. Denn
das Hochzeitsmahl gilt in der Bibel als Bild des Reiches Gottes, an dem
alle gemeinsam am Tisch sitzen und festlich Mahl halten in Fülle und
Überfluss. Und der Wein ist schon im Alten Testament das Zeichen der
Freude und der Heilszeit.
Doch dann geht der Wein
aus. Was für eine Blamage! Hochzeit und kein Wein. Eine Katastrophe!
Albtraum jedes Gastgebers. Da hat sich „der für das Festmahl
Verantwortliche“, der „Speisemeister“ hieß eine frühere
Übersetzung, heute würden wir sagen der Wedding-Planer, ganz schön
verrechnet. Da sind wohl mehr gekommen als angenommen und es wurde mehr
getrunken als gedacht. Kein Wein mehr. Wie peinlich! Das Fest droht zu
platzen.
Und wer bemerkt den
Notstand? Maria. Sie erkennt den Ernst der Lage. Sie sieht, wo‘s fehlt.
Maria ist aufmerksam und besorgt. Nicht nur das. Sie kümmert sich auch.
Sie wird aktiv. Sie agiert und interveniert. Sie weiß, wohin sie mit
ihrem Anliegen gehen muss. Sie vertraut Jesus. Sie nimmt ihm auch seine
schroffe Antwort nicht übel. Sie zieht sich nicht pikiert zurück, sie
fühlt sich nicht beleidigt, geschweige denn, dass sie kontert, grollt
oder nachträgt. Maria scheint zu wissen oder zumindest intuitiv zu
ahnen, dass dieser ihr Sohn mehr als nur ihr Sohn ist. Und sie glaubt an
ihn. Sie traut ihm das Wunder zu.
So bleibt sie dran. Sie
gibt den entscheidenden Anstoß. Zu den Dienern sagt sie: „Was er euch
sagt, das tut!“ Maria bringt das Wunder gleichsam in Gang.
Dann überlässt sie Jesus
das Feld. Und das Unglaubliche geschieht: Das Wasser in den sechs
steinernen 100 Liter-Krügen wird zu vorzüglichem Wein. Das Fest ist
gerettet und dem Hochzeitspaar die Blamage erspart.
Mir fallen einige
Dingen auf,
Besonderheiten, teils verblüffend, teils seltsam:
Erstens:
Jesus und Maria und die Jünger bei einem Fest. Sollte man nicht meinen,
sie hätten Dringenderes und Wichtigeres zu tun?
Zweitens:
Jesus geizt nicht. 600 Liter! Wenn er schenkt, schenkt er in Überfülle.
Später wird er sagen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben
und es in Fülle haben.“ (Joh 10, 10)
Drittens:
Der gewandelte Wein war kein billiger Tafelwein. Es war bester
Qualitätswein, ein Spitzenwein, kein Vergleich zu dem, was das
Hochzeitspaar bisher seinen Gästen vorzusetzen hatte.
Viertens:
Sonderbar wie Jesus sich seiner Mutter gegenüber verhält! Recht
reserviert, sehr distanziert. Es ist als wolle er ihr klar machen, dass
er nicht mehr ihr, sondern einer anderen Macht untersteht. Schon als
Zwölfjähriger fragt er: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein
muss, was meines Vaters ist?“ Jesus weiß sich allein seinem Vater im
Himmel verpflichtet.
Fünftens:
Maria lässt stehen, was Jesus sagt. Bei allem Schmerz des Loslassens ist
sie offen für das, was ER will und was ER sagt. Und sie animiert und
fordert auch die Diener zur Offenheit und Bereitschaft auf: „Was er euch sagt, das tut!“
Sechstens: „Was er euch sagt, das tut!“
– Es ist das letzte Wort, das die Evangelien von Maria überliefern. Für
mich ist es wie ein Vermächtnis, wie ein Testament. Tun, was er sagt.
Das klingt so einfach. Und ist doch eine täglich neue und lebenslange
Aufgabe.
Siebtens:
Noch einmal Maria. Schon bei der Hochzeit zu Kana zeigt sich ihre
besondere Stellung im Heilsplan Gottes. Schon hier zeigt sich Maria als
Mittlerin und Fürsprecherin. Schon hier ist Maria Bild der fürbittenden
und sorgenden Kirche.
Ich frage mich: Sollte sie,
die in ihrem irdischen Leben Mangel wahrgenommen, Not gesehen,
fürbittend eingetreten ist, Hilfe erhofft und verschafft hat, sollte sie
– nun im Himmel – nicht für die Menschen da sein in ihren Nöten und
Sorgen? Jetzt kann sie es doch erst recht. Jetzt kann sie doch noch viel
mehr und umfassender wahrnehmen, wo‘s fehlt, besorgt sein um unser Heil
und in Nöten und Gefahren auf Rettung und Hilfe sinnen.
Mich wundert es nicht, dass
Maria schon von frühester Zeit an als Mittlerin und Fürsprecherin von
der Kirche angerufen wurde. Das älteste erhaltene Gebet zu Maria – es
stammt aus dem 4. Jahrhundert – lautet: „Unter den Schutz deiner
vielfachen Barmherzigkeit fliehen wir, Gottesgebärerin. Verachte nicht
unsere Bitten in unseren Nöten, rette uns vielmehr aus allen Gefahren,
du allein Gesegnete.“ Wir kennen das Gebet bis heute und wollen es
nun zum Schluss miteinander beten: „Unter deinen Schutz und Schirm
fliehen wir…" (GL. 5, 7).