„Für wen hältst du
mich eigentlich?“,
fragen wir jemanden, der uns etwas unterstellt, was wir weit von uns
weisen. „Was denkst du denn von mir?“
Jesus
stellt heute im Evangelium ähnliche Fragen, Fragen die bei ihm aus dem
Raum des Gebetes erwachen, denn am Anfang sehen wir Jesus im Gebet.
Die erste Frage
ist recht allgemein gehalten: „Für wen halten die Leute den
Menschensohn?“ Was denkt man von mir? Wer bin ich in den Augen der
Menschen?
Dann hat Jesus aber
eine zweite Frage.
Und die richtet er ganz direkt und ganz persönlich an die Seinen: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Wer bin ich für euch? Was
bedeute ich euch? Bin ich relevant für euch und euer Leben? Haben meine
Worte und mein Beispiel Einfluss auf euch?
Wer bin ich für euch?
Diese Frage ist überzeitlich. Sie gilt auch heute. Das ist eine
Grundfrage für jeden Christen. Jesus stellt sie auch uns. Er stellt sie
mir und dir: Wer bin ich für dich?
Ist Jesus
für mich der Weg, auf dem ich gehe? Ist er für mich die Wahrheit, an die
ich glaube? Ist er für mich der Weinstock, ohne den ich keine Zukunft
habe? Ist er für mich das Licht, das mich erleuchtet und die Kraft, die
mich erfüllt? Ist da eine Beziehung zu ihm, nicht nur oberflächlich,
nicht nur sporadisch, sondern eine tiefe, innige Beziehung und
Verbundenheit? Ist Jesus für mich mein Freund, mein Vertrauter?
Auf die Frage „Ihr aber, für wen haltet ihr mich“, gibt Petrus im Evangelium
eine ganz großartige Antwort. Er bekennt: „Du bist der Messias
Gottes“. Das ist ein Glaubensbekenntnis. Denn Petrus sagt
damit: Du kommst von Gott. Du bist der Retter, du bist der Erlöser, auf
den Israel wartet. In dir ist Gott mit seinem ganzen Heil in der Welt
erschienen. Auf dich setzen wir all unsere Hoffnung.
Aber dann
geschieht etwas Sonderbares, liebe Schwestern und Brüder. Jesus gebietet
darüber zu schweigen. Er erteilt ein Redeverbot. Warum das? Warum soll
die Welt nicht wissen, dass er der Messias ist?
Nun, Jesus hat seine
Gründe.
Er will keinen falschen Messiaserwartungen Nahrung geben. Er ist
gekommen, um die Menschen zu erlösen, um sie wieder zu Gott zurück zu
führen. Er will ihnen den Shalom, das Heil und den Frieden Gottes,
schenken.
Aber
er ist nicht da, um ihnen jeden Tag den Brotschrank aufzufüllen. Er will
nicht der Nationalheld sein, der die Römer aus dem Land schmeißt, kein
politischer Messias, kein Befreiungskämpfer. Das alles will und
wird Jesus nicht liefern. – Also bitte keine falschen Erwartungen!
Retter ja, aber in einem
viel größeren Sinn und auf eine ganz andere Weise, als die Menschen sich
das vorstellen.
Und damit
die Jünger – und sicher auch wir – uns keine falschen Hoffnungen machen,
deshalb fügt der Evangelist gleich dieses harte Wort vom Kreuztragen
hinzu:
„Wer mir nachfolgen
will, verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich."
Wirklich harte Worte.
Sein Kreuz auf sich nehmen.
Beten wir nicht oft genug
zum Herrn, dass er ein Kreuz von uns nimmt, dass er uns vor einem Übel
bewahrt, dass er uns von Gefahr und Unheil verschont? Und jetzt sollen
wir das Kreuz auch noch auf uns nehmen – und ihm folgen?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Was könnte mit „Kreuz
tragen“ gemeint sein?
Ich denke, auf keinen
Fall geht es um Leid um des Leidens willen, Leiden nicht als
Selbstzweck. Und auch nicht um „Opfer“, mit denen man sich was verdienen
will.
Wir brauchen uns das
Kreuz nicht suchen. Wir brauchen uns kein Kreuz zu zimmern. Es ist
einfach da. Es begegnet uns in vielerlei Weise. Es steht vor unserer
Haustür. Es hat viele Namen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Es gibt kein Leben ohne
Leid. Den einen begleitet es ein ganzes Leben lang, beim anderen
schleicht es sich heimlich ein, einen dritten trifft es überfallartig. –
Oft besteht das Kreuz, vor allem jenes, das wir Jesu Worten zu
Folge „täglich“ auf uns nehmen sollen, oft besteht es tatsächlich
einfach aus den Herausforderungen und Zumutungen des Alltags, den
täglichen Sorgen und Pflichten und Aufgaben. Dass wir davor nicht
fliehen, dass wir diese Kreuze nicht scheuen, sondern uns ihnen stellen
und sie in Verantwortung annehmen und die unausweichlichen Mühsale des
Lebens der Arbeit und des Miteinanders auf uns nehmen, das gehört zum
täglichen Kreuztragen.
Dass wir
nicht gedankenlos und egoistisch nur an uns selbst denken und nur für
uns selbst leben, sondern auch das Wohl der anderen und das Wohl der
Gemeinschaft im Blick haben – und dann tun, was getan werden kann und
muss – auch wenn was anderes vielleicht viel verlockender und „lustiger“
wäre und mehr Spaß machen würde, auch das gehört zum täglichen Kreuz
tragen. Geduld und Treue und die liebevolle Zuwendung zu den
Mitmenschen.
Manchmal
mag das Kreuz auch darin bestehen, den anderen zu ertragen, die Lästige,
die Unsympathische, die Unausstehliche. „Ertragt einander!“ sagt
der Apostel Paulus. Und er fügt hinzu: „in Liebe“. Wie kann das
gehen? Segen hinschicken, zu denen, die uns das Leben schwer machen.
Beten für die, die uns
quälen!
Was könnte mit „täglichem Kreuz“ noch gemeint sein?
Gibt es nicht so vieles,
was immer wieder quer kommt, was uns gegen den Strich geht, was unser
Leben durchkreuzt, was Hoffnungen und Pläne zunichtemacht, und was uns
ganz arg zusetzen und belasten kann: eine Krankheit, ein Unglücksfall,
ein Schicksalsschlag, der Verlust eines lieben Menschen, Trennung, aber
auch die Gebrechen des Alters, Einsamkeit, Ohnmacht, Misserfolg,
Enttäuschung, Verkennung und Missachtung, Missverständnisse und
Konflikte und nicht zuletzt die alltäglichen menschlichen Ärgernisse.
Ja-Sagen zum Kreuz,
zum unvermeidlich Schweren und Harten, sofern wir es nicht ändern
können, sehen Sie, wo das jemand fertig bringt, da hat das Leid bereits
ein Stück weit seine Bitterkeit verloren. Wer sich dagegen sträubt,
macht es dagegen oft doppelt so schwer. Und wer davor flieht, bekommt
später oft noch ein größeres.
Manchmal
schielen wir auch auf das Kreuz des anderen, weil wir meinen es sei
angenehmer und leichter. Aber wenn wir genau hinsehen, dann merken wir:
dem ist nicht so. Wie sehr kann man sich vergucken und täuschen!
Liebe Schwestern und
Brüder!
Der Herr nimmt die Kreuze
nicht weg, wie wir das so gerne hätten. Auch wenn wir noch so viel darum
beten.
Aber er macht uns Mut, unser Kreuz zu tragen, indem er uns vorangeht mit
seinem
Kreuz. Und: indem er uns unter unserem Kreuz nicht allein lässt.
Von Kardinal Faulhaber
stammt das Wort: „Nah beim Kreuz, ist nah bei Gott“.