EVANGELIUM
Du bist der Christus Gottes.
Der Menschensohn muss vieles erleiden
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
18 betete
Jesus für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie:
Für wen halten mich die Leute?
19 Sie
antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elíja; wieder andere
sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
20 Da
sagte er zu ihnen: Ihr aber,
für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Christus Gottes.
21 Doch
er befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen.
22Und
er sagte:
Der Menschensohn muss vieles erleiden
und von den Ältesten, den Hohepriestern und den
Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet
und am dritten Tage auferweckt werden.
23 Zu
allen sagte er:
Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst,
nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
24 Denn
wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um
meinetwillen verliert, der wird es retten.
„Für wen hältst du mich eigentlich?“, fragen
wir jemanden, der uns etwas unterstellt, was wir weit von uns weisen. „Was
denkst du denn von mir?“
Jesus
stellt heute im Evangelium ähnliche Fragen, Fragen die bei ihm aus dem Raum des
Gebetes erwachen, denn am Anfang sehen wir Jesus im Gebet.
Die erste Frage ist recht allgemein
gehalten: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Was denkt man von
mir? Wer bin ich in den Augen der Menschen?
Dann hat Jesus aber eine zweite Frage. Und die
richtet er ganz direkt und ganz persönlich an die Seinen: „Ihr aber, für wen
haltet ihr mich?“ Wer bin ich für euch? Was bedeute ich euch? Bin ich
relevant für euch und euer Leben? Haben meine Worte und mein Beispiel Einfluss
auf euch?
Wer bin ich für euch? Diese Frage ist
überzeitlich. Sie gilt auch heute. Das ist eine Grundfrage für jeden Christen.
Jesus stellt sie auch uns. Er stellt sie mir und dir: Wer bin ich für dich?
Ist Jesus für mich der Weg, auf dem ich gehe?
Ist er für mich die Wahrheit, an die ich glaube? Ist er für mich der Weinstock,
ohne den ich keine Zukunft habe? Ist er für mich das Licht, das mich erleuchtet
und die Kraft, die mich erfüllt? Ist da eine Beziehung zu ihm, nicht nur
oberflächlich, nicht nur sporadisch, sondern eine tiefe, innige Beziehung und
Verbundenheit? Ist Jesus für mich mein Freund, mein Vertrauter?
Auf die Frage „Ihr aber, für wen haltet ihr
mich“, gibt Petrus im Evangelium eine ganz großartige Antwort. Er bekennt:
„Du bist der Messias Gottes“. Das ist ein Glaubensbekenntnis. Denn
Petrus sagt damit: Du kommst von Gott. Du bist der Retter, du bist der Erlöser,
auf den Israel wartet. In dir ist Gott mit seinem ganzen Heil in der Welt
erschienen. Auf dich setzen wir all unsere Hoffnung.
Aber dann
geschieht etwas Sonderbares, liebe Schwestern und Brüder. Jesus gebietet darüber
zu schweigen. Er erteilt ein Redeverbot. Warum das? Warum soll die Welt nicht
wissen, dass er der Messias ist?
Nun, Jesus hat seine Gründe. Er will keinen
falschen Messiaserwartungen Nahrung geben. Er ist gekommen, um die Menschen zu
erlösen, um sie wieder zu Gott zurück zu führen. Er will ihnen den Shalom, das
Heil und den Frieden Gottes, schenken.
Aber
er ist nicht da, um ihnen jeden Tag den Brotschrank aufzufüllen. Er will nicht
der Nationalheld sein, der die Römer aus dem Land schmeißt, kein politischer
Messias, kein Befreiungskämpfer. Das alles will und wird Jesus nicht
liefern. – Also bitte keine falschen Erwartungen!
Retter
ja, aber in einem viel größeren Sinn und auf eine ganz andere Weise, als die
Menschen sich das vorstellen.
Und damit die Jünger – und sicher auch wir –
uns keine falschen Hoffnungen machen, deshalb fügt der Evangelist gleich dieses
harte Wort vom Kreuztragen hinzu:
„Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf
sich."
Wirklich harte Worte. Sein Kreuz auf sich
nehmen.
Beten wir
nicht oft genug zum Herrn, dass er ein Kreuz von uns nimmt, dass er uns vor
einem Übel bewahrt, dass er uns von Gefahr und Unheil verschont? Und jetzt
sollen wir das Kreuz auch noch auf uns nehmen – und ihm folgen?
Liebe Schwestern und Brüder!
Was könnte mit „Kreuz tragen“ gemeint sein?
Ich
denke, auf keinen Fall geht es um Leid um des Leidens willen, Leiden nicht als
Selbstzweck. Und auch nicht um „Opfer“, mit denen man sich was verdienen will.
Wir
brauchen uns das Kreuz nicht suchen. Wir brauchen uns kein Kreuz zu zimmern. Es
ist einfach da. Es begegnet uns in vielerlei Weise. Es steht vor unserer
Haustür. Es hat viele Namen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt
kein Leben ohne Leid. Den einen begleitet es ein ganzes Leben lang, beim anderen
schleicht es sich heimlich ein, einen dritten trifft es überfallartig. – Oft
besteht das Kreuz, vor allem jenes, das wir Jesu Worten zu Folge „täglich“
auf uns nehmen sollen, oft besteht es tatsächlich einfach aus den
Herausforderungen und Zumutungen des Alltags, den täglichen Sorgen und Pflichten
und Aufgaben. Dass wir davor nicht fliehen, dass wir diese Kreuze nicht
scheuen, sondern uns ihnen stellen und sie in Verantwortung annehmen und die
unausweichlichen Mühsale des Lebens der Arbeit und des Miteinanders auf uns
nehmen, das gehört zum täglichen Kreuztragen.
Dass wir
nicht gedankenlos und egoistisch nur an uns selbst denken und nur für uns selbst
leben, sondern auch das Wohl der anderen und das Wohl der Gemeinschaft im Blick
haben – und dann tun, was getan werden kann und muss – auch wenn was anderes
vielleicht viel verlockender und „lustiger“ wäre und mehr Spaß machen würde,
auch das gehört zum täglichen Kreuz tragen. Geduld und Treue und die liebevolle
Zuwendung zu den Mitmenschen.
Manchmal
mag das Kreuz auch darin bestehen, den anderen zu ertragen, die Lästige, die
Unsympathische, die Unausstehliche. „Ertragt einander!“ sagt der Apostel
Paulus. Und er fügt hinzu: „in Liebe“. Wie kann das gehen? Segen
hinschicken, zu denen, die uns das Leben schwer machen.
Beten für
die, die uns quälen!
Was könnte mit „täglichem Kreuz“ noch gemeint sein?
Gibt es
nicht so vieles, was immer wieder quer kommt, was uns gegen den Strich geht, was
unser Leben durchkreuzt, was Hoffnungen und Pläne zunichtemacht, und was uns
ganz arg zusetzen und belasten kann: eine Krankheit, ein Unglücksfall, ein
Schicksalsschlag, der Verlust eines lieben Menschen, Trennung, aber auch die
Gebrechen des Alters, Einsamkeit, Ohnmacht, Misserfolg, Enttäuschung, Verkennung
und Missachtung, Missverständnisse und Konflikte und nicht zuletzt die
alltäglichen menschlichen Ärgernisse.
Ja-Sagen zum Kreuz, zum unvermeidlich Schweren und
Harten, sofern wir es nicht ändern können, sehen Sie, wo das jemand fertig
bringt, da hat das Leid bereits ein Stück weit seine Bitterkeit verloren. Wer
sich dagegen sträubt, macht es dagegen oft doppelt so schwer. Und wer davor
flieht, bekommt später oft noch ein größeres.
Manchmal
schielen wir auch auf das Kreuz des anderen, weil wir meinen es sei angenehmer
und leichter. Aber wenn wir genau hinsehen, dann merken wir: dem ist nicht so.
Wie sehr kann man sich vergucken und täuschen!
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Herr
nimmt die Kreuze nicht weg, wie wir das so gerne hätten. Auch wenn wir noch so
viel darum beten.
Aber er
macht uns Mut, unser Kreuz zu tragen, indem er uns vorangeht mit
seinem Kreuz. Und: indem er uns unter unserem Kreuz nicht allein
lässt.
Von
Kardinal Faulhaber stammt das Wort: „Nah beim Kreuz, ist nah bei Gott“.
Noch etwas: Kreuz und Leid haben in unserem Leben
nicht das letzte Wort, auch nicht die Dunkelheit und der Tod, sondern Hoffnung
und Licht, Auferstehung und Leben. Leben in seinem Leben, Leben in seinem Glück,
Leben in der Geborgenheit und Vollendung bei Gott. |