Marta: Ja, Maria, was sagst
du dazu? Wir zwei Frauen haben die Rollen späterer Frauen ganz schön
geprägt.
Maria: Das haben wir dem
Evangelist Lukas zu verdanken. Weißt du noch, wie er uns
charakterisierte, als Jesus damals bei uns zu Gast war?
Marta: Na klar! Ich, die
aktive, hektische Hausfrau, die ganz in ihrer Rolle aufgeht und
obendrein noch die kleine Schwester gängelt.
Maria: Und aus mir machte er
die ruhige, sanfte Zuhörerin, die hingebungsvoll Jesus zu Füßen liegt.
Marta: Männerträume! Das
wäre einfach zu schön, um wahr zu sein!
Doch der größte Hammer kommt noch. Es genügte ihm nicht,
uns schön brav aufzuteilen in aktiv und passiv. Nein – deine Art wurde
zum Vorbild für viele Frauen hochstilisiert; ein wenig naiv, brav, sanft
und voller Bewunderung für den göttlichen Mann.
Maria: Das kommt wohl daher,
dass der Tadel Jesu: „Marta, du machst dir viele Sorgen… Maria hat das
Bessere erwählt“ total missverstanden wurde. Jesus wollte dich ja gar
nicht abwerten.
Marta: Ja, ich weiß. Ich war
damals ganz außer mir vor Freude, als ich hörte, dass Jesus mit seiner
Mannschaft käme. Und da wollte ich was ganz Tolles machen, um meine
Freude auszudrücken. Und meine Art ist es halt, dann etwas Schönes auf
den Tisch zu zaubern und die Gäste zu bewirten. Und hungrig waren die ja
auch! Ich hätte die mal sehen wollen, wenn ich mich ebenfalls hingesetzt
hätte und ihren Worten gelauscht hätte.
Maria: Das hat Jesus ja auch
nicht kritisiert. Er weiß ja, dass wir zwei verschieden sind und dass
jede ihre Art hat, sich auszudrücken. Er hat dich ja machen lassen und
mich erst dann in Schutz genommen, als du dich über mich so geärgert
hast.
Marta: Daran erinnere ich
mich noch gut. Ich war einfach sauer, weil ich beides auf einmal wollte:
etwas Tolles zum Essen hinstellen und an dem interessanten Gespräch
teilnehmen. Und als ich dann sah, dass du dir das so selbstverständlich
nahmst, wurde ich eifersüchtig.
Maria: Auch ich habe mich
nicht ganz wohlgefühlt, damals als Jesus das zu dir sagte. Du weißt ja,
dass mir das praktische nicht so liegt und ich mich lieber mit geistigen
Dingen beschäftige. Und da war’s mir ganz recht, dass du das mit dem
Essen in die Hand nahmst. – Doch als ich dann so da saß, da hatte ich
ein ganz schlechtes Gefühl – denn ich find’s ja auch schön, wenn man
miteinander isst.
Marta: Ist schon gut. Ich
glaube, Jesus wollte mir einfach bewusst machen, dass zwei Dinge auf
einmal zu viel sind. Mit dieser Doppelrolle habe ich mich ganz schön
gestresst. Und vielleicht wollte er mir auch zeigen, dass deine Art auch
nicht ohne ist. Ich vergess das manchmal.
Maria: Ja, wenn du so
selbstbewusst und tüchtig bist, komme ich mir richtig klein neben dir
vor. Du bist gewandt, die Diener achten dich und du bist es gewohnt,
dass deine Wünsche in Erfüllung gehen.
Marta: Schließlich bin ich
auch die Herrin des Hauses! Und das bringt einige Verantwortung mit
sich. Aber du weißt ja, dass ich dich mag. Manchmal, wenn ich so in
Hektik gerate, tut mir deine Ruhe einfach gut. Du hast so eine sanfte
Art mir Dinge zu sagen, dass ich dir gar nicht böse sein kann. Und oft
schon habe ich auf deinen Rat gehört, weil du eine feine Spürnase hast
für das, was wichtig ist.
Maria: Eigentlich komisch,
dass die meisten Leute nur die Geschichte von Lukas kennen. Wir kommen
doch noch an einer anderen Stelle in der Bibel vor.
Marta: Ja, das stimmt! Auch
der Evangelist Johannes hat uns zwei Geschichten gewidmet.
Maria: Johannes stellt dich,
Marta, ganz anders dar. Weißt du noch, damals als unser Bruder Lazarus
im Sterben lag… und Jesus kam und kam nicht.
Marta: Als er dann
schließlich eintraf, war Lazarus tot. Mein Gott, war ich zornig! Vor
lauter Schmerz und Empörung machte ich ihm heftige Vorwürfe.
Maria: Ich habe dieses Bild
noch vor Augen, wie du dastandst: stark, leidenschaftlich, hartnäckig.
Marta: Ich kämpfte mit ihm
wie Hiob. Seinen Argumenten war ich gewachsen. Ich kannte die ganzen
theologischen Antworten über das Leid und war nicht bereit, mich zu
ergeben.
Maria: Ich glaube, damals
beneidete ich dich um diese reife Entschlossenheit und Glaubensstärke.
Jesus ließ sich ja voll auf dich ein.
Marta: Es entwickelte sich
ein heftiges Glaubensgespräch. Und im Ringen um diese Wahrheit wurde mir
bewusst: nur von ihm, Jesus, konnte ich Rettung erwarten. Er war meine
letzte Hoffnung, er, der Herr über Leben und Tod.
Maria: Das
Glaubensbekenntnis, das du aussprachst, hat nur einer nochmals so
umfassend und tief formuliert: Petrus
Marta: Aber auch du hattest
bei Johannes einen großen Auftritt. Weißt du noch, damals in Bethanien?
Maria: Ja ich erinnere mich.
Jesus war bei einem reichen Pharisäer – Simon hieß er – eingeladen. Als
ich das Haus betrat und ihn sah, erfasste ich mit einem Schlag die
Situation: Jesus inmitten dieser Menschen und doch: unfassbar einsam.
Keiner merkte, dass sein Herz woanders war. Er ahnte bereits das Unheil,
das in Jerusalem auf ihn wartete. Da packte mich ein wahnsinnig
zärtliches Gefühl für ihn…
Marta: Und deine Reaktion,
die alle fassungslos machte: Mit einer einzigen Geste zerbrachst du das
Parfümfläschchen und das kostbare Öl – ein Vermögen wert – ergoss sich
über Jesus. Der Duft erfüllte den Raum und drängte sich allen auf.
Maria: Für mich war es das
einzig Mögliche in der Situation. Mir war’s ganz wurscht, was die Männer
um mich herum dachten.
Marta: So habe ich dich noch
nie erlebt. In diesem Augenblick bist du über dich hinausgewachsen. Du
warst ganz du selbst: die Ungeschickte, die Unselbständige, die
Zärtliche, die Gehemmte und doch Spontane. Auf deine ureigene Weise hast
du Jesus deine ganze Liebe gezeigt, ungeachtet der gesellschaftlichen
und persönlichen Schranken. Und darin warst du echt stark. Und Jesus hat
das voll anerkannt.
Maria: Ich glaube, Jesus hat
uns beide geschätzt und geliebt, jede auf ihre Art. Ihm lag nichts
daran, eine von uns als Vorbild für alle hochzustilisieren.
Marta: So wie es dann leider
in der christlichen Tradition passierte. Du warst das leuchtende Vorbild
und ich stand in deinem Schatten. Damit machte man es vielen Frauen
schwer, die eher meine Züge trugen. Wer wollte sich schon mit Marta
identifizieren, nachdem Jesus doch deutlich dich lobte!
Maria: Halt Marta! Ganz so
düster sah es nicht aus. Du vergisst Meister Eckart. Bei dem bist du
nicht so schlecht weggekommen. Er schätzte deine Tatkraft und stellte
dich als die reifere und gläubigere Frau von uns beiden hin.
Marta: Stimmt! Und auch eine
Theresa von Avila sah mich positiv. Sicher kam’s daher, weil wir in
vielem so ähnlich sind. – Aber es gab auch andere Theologen. Du als
stille, bewundernde Zuhörerin männlicher Gedankenflüge, das war einfach
eine berauschende Vorstellung in manchen Männerköpfen.
Maria: Den größten Hammer
leisteten sich dann die Theologen, die uns am liebsten in einer
Person gekoppelt sahen: Maria und Marta in einer Person! Ihm wie Marta
den Haushalt machen und ihm wie Maria zu Füßen liegen. Das war lange das
Frauenideal vieler Männer. Für die Frauen eine glatte Überforderung. Von
einem Mann würde es auch niemand verlangen, dass er auf allen Gebieten
(Haushalt, Beruf, Gemeinde, Familie…) Spitzenleistungen erbringt!
Marta: Mir gefällt es, dass
sich Frauen heute nicht mehr so viel sagen lassen, dass sie sich frei
machen von angeborenen oder anerzogenen Verhaltensweisen.
Maria: Ja, das finde ich
auch gut! Und vor allem, dass sie selbst mal in der Bibel nachlesen, was
tatsächlich von uns drinsteht.
Marta: Vielleicht entdecken
sie sich dann in uns wieder und lernen, sich in ihrer Verschiedenheit zu
akzeptieren, ohne gleich wieder in dieses ungute Konkurrenzdenken zu
verfallen.
Maria: Jedenfalls: Wir
bleiben wie wir sind. Es ist doch spannend, dass wir so verschieden
sind. Das regt uns gegenseitig an u. vielleicht manchmal auch auf.
Marta: Und außerdem wollte
Jesus eine lebendige, vielfältige Jüngerschaft und keinen grauen,
langweiligen Einheitsbrei!