Jesus doziert nicht. Er
redet nicht abstrakt und theoretisch. Er erzählt, und zwar sehr
anschaulich und verständlich. Er gebraucht – nach Art rabbinischer
Weisheitslehre – Bilder und Vergleiche aus dem Leben der Menschen.
Im Evangelium dieses
Sonntages
sind es im Wesentlichen drei Bilder: Blinde, die in eine Grube fallen,
dann das Bild vom Balken und vom Splitter, und schließlich das Bild vom
Baum, den man an seinen Früchten erkennt.
Jesus
hatte zu seiner Zeit zunächst die Pharisäer und Schriftgelehrten im
Visier. Sein Hauptvorwurf ihnen gegenüber: Selbstgerechtigkeit und
Heuchelei. Andere das Wort Gottes lehren, selbst aber das Leben nicht
danach ausrichten. Da klafft eine Kluft. Anderen schwere Lasten
aufbürden, aber selbst keinen Finger rühren. Da herrscht eine
Diskrepanz. Blinde Führer sind sie.
Jesus
hat auch seine Jünger im Blick. Er ermahnt sie, die Frohe Botschaft
nicht nur anderen nahezubringen, sondern auch selbst das Evangelium im
eigenen Leben glaubwürdig zu bezeugen.
Roger Schutz,
der erste Prior von Taize drückt es so aus: „Lebe das, was du vom
Evangelium verstanden hast, wenn es auch ganz wenig ist!“ – Aber das
leb, das mach konkret!
Mach nicht nur Worte,
weise andere nicht zurecht, weiß nicht alles besser! Tu du selbst, was
du von anderen erwartest! Tu du selbst, was recht ist und gut!
Liebe Schwestern und
Brüder!
Sie merken, worum es
geht. Um Authentizität, um Echtheit. Es geht darum, dass Worte und Taten
übereinstimmen.
Wie sehr es der
Glaubwürdigkeit schadet, wenn die Menschen eine Diskrepanz erleben
zwischen Reden und Tun, das sehen wir heute in vielen Bereichen – gerade
auch in der Kirche.
Anderen Wasser predigen
und selbst Wein trinken, das untergräbt die Glaubwürdigkeit und wirkt
kontraproduktiv.
Von anderen etwas
verlangt, was man selbst nicht hält, ist wenig überzeugend. Es ist nicht
ehrlich und damit nicht glaubwürdig.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das bekannteste Bild im
heutigen Evangelium ist das vom Balken und vom Splitter. „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders,
aber den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht…“
Nicht wahr,
mit Kritik sind wir meist schnell bei der Hand gegenüber dem nächsten
Umfeld in Familie und Beruf, bezüglich der Kirche, im Blick auf die
Politik vor Ort, im eigenen Land und weltweit.
Da sieht man mit
Adleraugen, was die anderen falsch machen und was schief läuft. Für die
eigenen Fehler fehlt oft jede Einsicht. Während ich auch nur den
kleinsten Splitter im Auge des anderen erspähe, will ich den dicken
Balken im eigenen nicht wahrhaben.
Ehrliche Selbstprüfung
und ernsthafte Umkehr ist angesagt. Sich an der eigenen Nase fassen. Bei
sich selbst anfangen. Wissen: während ich mit dem Finger auf andere
zeige, zielen gleichzeitig drei Finger der Hand immer auf mich selbst.
Kritik
ist nicht verboten. Jesus selbst hat sich ja auch nicht gescheut, den
Finger auf Wunden zu legen und z. B. Selbstgerechtigkeit, Stolz,
Habsucht oder Heuchelei beim Namen zu nennen. Man kann nicht immer
einfach alles gutheißen. Das Hinweisen auf Fehlverhalten und Versagen
kann notwendig, nützlich und gut sein. Manchmal schweigen wir vielleicht
auch – warum auch immer – wo wir reden und den Mund aufmachen sollten.
Natürlich macht immer
auch der Ton die Musik. Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es
bekanntlich auch wieder zurück. Ich kann dem anderen die Wahrheit wie
einen nassen Lappen um die Ohren hauen oder sie ihm liebevoll wie einen
Mantel hinhalten, so dass er sie anziehen und annehmen kann.
Doch bei aller
berechtigter Kritik, bei allem Hinweisen auf Fehler und Versagen, bei
allem notwendigen Aufdecken von Missständen und Fehlentwicklungen gilt
es immer auch, auf sich selbst zu schauen und selbstkritisch zu sein.
Wer ist schon vollkommen? Wer macht immer alles richtig? Nobody is
perfect!
Wenn wir unsere eigenen
Schwächen kennen und um unsere eigene Fehler wissen, wenn wir unsere
eigene Erlösungsbedürftigkeit einsehen und es fertig bringen, auch
eigene Schuld einzugestehen, dann fällt vielleicht auch unsere Kritik
verständnisvoller und einfühlsamer aus und wir werden mit unseren
Mitmenschen vorsichtiger und behutsamer umgehen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
In drei Tagen ist
Aschermittwoch und die österliche Buß- und Fastenzeit beginnt. Es ist
die Zeit, die – wie keine andere – uns einlädt und auffordert, bei uns
selbst zu schauen, bei sich selbst anzufangen, nicht nur vor der Haustür
der anderen zu kehren, sondern an die eigene Brust zu klopfen. Nicht
mehr nur und zuerst die anderen korrigieren, beurteilen und kritisieren,
sondern uns selbst in den Blick nehmen und uns selbst prüfen! Die
Fastenzeit ist eine Zeit des persönlichen Umsinnens und der Umkehr.
Sehr schön und
eindrucksvoll kommt das am Aschermittwoch zum Ausdruck, wenn wir uns
Asche aufs Haupt streuen lassen.
Jede und jeder, der unter
den Blicken aller nach vorne geht, um das Aschekreuz zu empfangen,
bekundet und bekennt damit: Auch ich bedarf der Änderung, der Wandlung,
der Umkehr. Und ich bin dankbar, dass ich heute neu beginnen kann.
Liebe Mitchristen!
Es gibt viele Formen des
Fastens, des Entsagens und des Verzichtens. Ob es nicht auch der Vorsatz
sein könnte, in den kommenden Wochen zu versuchen, – ganz praktisch und
konkret – möglichst auf alles Bewerten und Urteilen und besonders auch
das Verurteilen zu verzichten. Mit anderen Worten: einmal Abstinenz zu
üben im Richten.
Im Evangelium des letzten
Sonntags hat Jesus gesagt: „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht
gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht
verurteilt werden!“ Und: „Nach dem Maß, mit
dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden!“
Mein Vorsatz für die
Fastenzeit:
Der Neigung zu unnötiger und liebeleerer Kritik nicht
nachgeben! Das Urteilen und Richten Gott überlassen! Er sieht tiefer. Er
kennt die Gedanken, die Motive und die Hintergründe. „Der Mensch
sieht, was vor den Augen ist. Gott schaut in das Herz“ (1 Sam 16,
7).