EVANGELIUM
Wovon das Herz voll ist,
davon spricht der Mund
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
39 sprach Jesus zu seinen
Jüngern: Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube
fallen?
40 Der Jünger steht
nicht über seinem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein
Meister sein.
41 Warum
siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem
eigenen Auge bemerkst du nicht?
42 Wie kannst du zu
deinem Bruder sagen: Bruder, lass mich den Splitter aus deinem Auge
herausziehen!, während du den Balken in deinem eigenen Auge nicht siehst? Du
Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du versuchen, den
Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.
43 Es gibt keinen
guten Baum, der schlechte Früchte hervorbringt, noch einen schlechten Baum, der
gute Früchte hervorbringt.
44 Jeden Baum erkennt
man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen, und vom
Dornstrauch erntet man keine Trauben.
45 Ein guter Mensch
bringt Gutes hervor, weil in seinem Herzen Gutes ist; und ein böser Mensch
bringt Böses hervor, weil in seinem Herzen Böses ist. Wovon das Herz voll ist,
davon spricht der Mund.
Jesus
doziert nicht. Er redet nicht abstrakt und theoretisch. Er erzählt, und
zwar sehr anschaulich und verständlich. Er gebraucht – nach Art
rabbinischer Weisheitslehre – Bilder und Vergleiche aus dem Leben der
Menschen.
Im
Evangelium dieses Sonntages
sind es im Wesentlichen drei Bilder: Blinde, die in eine Grube fallen,
dann das Bild vom Balken und vom Splitter, und schließlich das Bild vom
Baum, den man an seinen Früchten erkennt.
Jesus
hatte zu seiner Zeit zunächst die Pharisäer und Schriftgelehrten im
Visier. Sein Hauptvorwurf ihnen gegenüber: Selbstgerechtigkeit und
Heuchelei. Andere das Wort Gottes lehren, selbst aber das Leben nicht
danach ausrichten. Da klafft eine Kluft. Anderen schwere Lasten
aufbürden, aber selbst keinen Finger rühren. Da herrscht eine
Diskrepanz. Blinde Führer sind sie.
Jesus
hat auch seine Jünger im Blick. Er ermahnt sie, die Frohe Botschaft
nicht nur anderen nahezubringen, sondern auch selbst das Evangelium im
eigenen Leben glaubwürdig zu bezeugen.
Roger
Schutz,
der erste Prior von Taize drückt es so aus: „Lebe das, was du vom
Evangelium verstanden hast, wenn es auch ganz wenig ist!“ – Aber das
leb, das mach konkret!
Mach
nicht nur Worte, weise andere nicht zurecht, weiß nicht alles besser! Tu
du selbst, was du von anderen erwartest! Tu du selbst, was recht ist und
gut!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Sie
merken, worum es geht. Um Authentizität, um Echtheit. Es geht darum,
dass Worte und Taten übereinstimmen.
Wie sehr
es der Glaubwürdigkeit schadet, wenn die Menschen eine Diskrepanz
erleben zwischen Reden und Tun, das sehen wir heute in vielen Bereichen
– gerade auch in der Kirche.
Anderen
Wasser predigen und selbst Wein trinken, das untergräbt die
Glaubwürdigkeit und wirkt kontraproduktiv.
Von
anderen etwas verlangt, was man selbst nicht hält, ist wenig
überzeugend. Es ist nicht ehrlich und damit nicht glaubwürdig.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Das
bekannteste Bild im heutigen Evangelium ist das vom Balken und vom
Splitter. „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber
den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht…“
Nicht
wahr,
mit Kritik sind wir meist schnell bei der Hand gegenüber dem nächsten
Umfeld in Familie und Beruf, bezüglich der Kirche, im Blick auf die
Politik vor Ort, im eigenen Land und weltweit.
Da sieht
man mit Adleraugen, was die anderen falsch machen und was schief läuft.
Für die eigenen Fehler fehlt oft jede Einsicht. Während ich auch nur den
kleinsten Splitter im Auge des anderen erspähe, will ich den dicken
Balken im eigenen nicht wahrhaben.
Ehrliche Selbstprüfung
und ernsthafte Umkehr ist angesagt. Sich an der eigenen Nase fassen. Bei
sich selbst anfangen. Wissen: während ich mit dem Finger auf andere
zeige, zielen gleichzeitig drei Finger der Hand immer auf mich selbst.
Kritik
ist nicht verboten. Jesus selbst hat sich ja auch nicht gescheut, den
Finger auf Wunden zu legen und z. B. Selbstgerechtigkeit, Stolz,
Habsucht oder Heuchelei beim Namen zu nennen. Man kann nicht immer
einfach alles gutheißen. Das Hinweisen auf Fehlverhalten und Versagen
kann notwendig, nützlich und gut sein. Manchmal schweigen wir vielleicht
auch – warum auch immer – wo wir reden und den Mund aufmachen sollten.
Natürlich
macht immer auch der Ton die Musik. Wie ich in den Wald hineinrufe, so
schallt es bekanntlich auch wieder zurück. Ich kann dem anderen die
Wahrheit wie einen nassen Lappen um die Ohren hauen oder sie ihm
liebevoll wie einen Mantel hinhalten, so dass er sie anziehen und
annehmen kann.
Doch bei
aller berechtigter Kritik, bei allem Hinweisen auf Fehler und Versagen,
bei allem notwendigen Aufdecken von Missständen und Fehlentwicklungen
gilt es immer auch, auf sich selbst zu schauen und selbstkritisch zu
sein. Wer ist schon vollkommen? Wer macht immer alles richtig? Nobody is
perfect!
Wenn wir
unsere eigenen Schwächen kennen und um unsere eigene Fehler wissen, wenn
wir unsere eigene Erlösungsbedürftigkeit einsehen und es fertig bringen,
auch eigene Schuld einzugestehen, dann fällt vielleicht auch unsere
Kritik verständnisvoller und einfühlsamer aus und wir werden mit unseren
Mitmenschen vorsichtiger und behutsamer umgehen.
Liebe
Schwestern und Brüder!
In drei
Tagen ist Aschermittwoch und die österliche Buß- und Fastenzeit beginnt.
Es ist die Zeit, die – wie keine andere – uns einlädt und auffordert,
bei uns selbst zu schauen, bei sich selbst anzufangen, nicht nur vor der
Haustür der anderen zu kehren, sondern an die eigene Brust zu klopfen.
Nicht mehr nur und zuerst die anderen korrigieren, beurteilen und
kritisieren, sondern uns selbst in den Blick nehmen und uns selbst
prüfen! Die Fastenzeit ist eine Zeit des persönlichen Umsinnens und der
Umkehr.
Sehr
schön und eindrucksvoll kommt das am Aschermittwoch zum Ausdruck, wenn
wir uns Asche aufs Haupt streuen lassen.
Jede und
jeder, der unter den Blicken aller nach vorne geht, um das Aschekreuz zu
empfangen, bekundet und bekennt damit: Auch ich bedarf der Änderung, der
Wandlung, der Umkehr. Und ich bin dankbar, dass ich heute neu beginnen
kann.
Liebe
Mitchristen!
Es gibt
viele Formen des Fastens, des Entsagens und des Verzichtens. Ob es nicht
auch der Vorsatz sein könnte, in den kommenden Wochen zu versuchen, –
ganz praktisch und konkret – möglichst auf alles Bewerten und Urteilen
und besonders auch das Verurteilen zu verzichten. Mit anderen Worten:
einmal Abstinenz zu üben im Richten.
Im
Evangelium des letzten Sonntags hat Jesus gesagt: „Richtet nicht,
dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann
werdet auch ihr nicht verurteilt werden!“ Und: „Nach dem Maß, mit
dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden!“
Mein
Vorsatz für die Fastenzeit:
Der Neigung zu unnötiger und
liebeleerer Kritik nicht nachgeben! Das Urteilen und Richten Gott
überlassen! Er sieht tiefer. Er kennt die Gedanken, die Motive und die
Hintergründe. „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist. Gott schaut
in das Herz“ (1 Sam 16, 7). |