Exerzitien mit P. Pius

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Ein Tag für den Menschen

(9. Sonntag - Lesejahr B; Mk 2, 23 - 38)

 

EVANGELIUM                                                                                                   

Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat

 

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

23An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab.

24Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten.

25Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten

26- wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab?

27Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.

28Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

 

 

Ein wogendes Ährenfeld in sommerlicher Flur. Und darin Jesus mit seinen Freunden. Ein idyllisches Bild.

Die Jünger reißen Ähren ab und verspeisen die Körner.

Was soll’s? Ist doch harmlos! Und sogar „gesetzlich“ erlaubt.

 

Im Buch Deuteronomium 23, 16 heißt es nämlich:

„Wenn du durch das Kornfeld eines anderen kommst, darfst du mit der Hand Ähren abreisen, aber die Sichel darfst du auf dem Kornfeld eines anderen nicht schwingen.“

 

Also gar nicht so schlimm, was die Jünger Jesu da machen.

Doch prompt melden sich die Gesetzeshüter. Das Ährenrupfen geschieht am Sabbat. Ährenrupfen gilt als Arbeit. Und damit ist es am Sabbat verboten.

Nun könnte man über die Pharisäer spotten und sagen: Die ticken doch nicht richtig. Wegen ein paar Ähren am Sabbat so ein Theater zu machen und Streit anzufangen!

 

Wie reagiert Jesus auf die Vorwürfe der Pharisäer?

Er bleibt sachlich und führt David als Beispiel an. Als Beispiel dafür, dass jemand unter Umständen etwas Verbotenes tun kann, ohne sich schuldig zu machen. – Not kennt kein Gebot. Und keine Regel ohne Ausnahmen.

 

Ganz entscheidend ist, was Jesus dann sagt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Unser Leben und unser Miteinander braucht Regeln und Ordnungen. Das fängt im Straßenverkehr an und hört bei EU-Verordnungen auf. – Aber sie dürfen nicht ausufern, sie dürfen nicht verabsolutiert und zum Selbstzweck werden.

 

Jesus wendet sich heute im Evangelium – wie auch an anderen Stellen – gegen eine zu penible und kleinliche Auslegung des Sabbatgebotes.

 

„Der Sabbat ist für den Menschen da.“

Nicht Gott braucht diesen Tag, sondern der Mensch.

Der Sabbat – wie auch unser Sonntag – soll dem Menschen zum Heil gereichen und ihm zum Segen werden. Er soll ihn befreien und nicht wieder unterdrücken und knechten.

 

Gott will nicht, dass wir total in Beruf und Arbeit aufgehen und schließlich darin untergehen. Er will die heilsame Unterbrechung von alltäglicher Routine und Betriebsamkeit. Er will die Befreiung von ständiger Unrast, pausenlosem Aktivismus und permanentem Gefordert- Eingespannt- und in Anspruch-genommen-Sein.

 

Der Mensch soll einmal abschalten können von den Sorgen des Alltags und den Zwängen der Arbeit. Er soll einmal herauskommen aus der Tretmühle der täglichen Pflichten und Aufgaben, aussteigen aus dem Hamsterrad, ausspannen, aufatmen. Der Sabbat will ein Atemholen der Seele ermöglichen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Es geht Jesus nicht darum, den Sabbat abzuschaffen. Jesus hat den Sabbat grundsätzlich anerkannt. Es ist gut, dass es ihn gibt.

C. G. Jung hat einmal gesagt: „Der Sabbat ist das größte Geschenk des Judentums an die Menschheit“ Und er hat recht.

 

Das Sabbatgebot schützt den Menschen vor Ausbeutung und Versklavung. – Aber schlimm ist es, wenn er durch Legalismus und Formalismus wiederum in eine neue Form der Unterdrückung und Versklavung führt.

 

Im Laufe der Zeit kamen zum Sabbatgebot viele Vorschriften und Bestimmungen dazu, immer neue Präzisierungen und Festlegungen. Ein ausgefeiltes Regelwerk von Menschen erdacht und gemacht.

Jesus geht es darum, den Sabbat auf seinen ursprünglichen Sinn zurückzuführen und ihm die Bedeutung zu geben, die Gott gewollt hat.

Der zentrale Satz lautet: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Und Jesus fügt hinzu: „Denn der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat.“

 

Sehen Sie: Wenn Jesus das sagt, wenn er sich als Menschensohn bezeichnet und wenn er behauptet, Herr auch über den Sabbat zu sein, dann tritt er mit einem ungeheuren Anspruch auf. Er reklamiert für sich eine Vollmacht sonders gleichen. Er nimmt für sich etwas heraus, was nur Gott zusteht.

Er stellt sich damit auf eine Ebene mit Gott, der den Sabbat eingesetzt hat, als er am 7. Tag der Schöpfung ausruhte von seinen Werken.

 

Vor dem Ährenrupfen im heutigen Evangelium hat Jesus im Zusammenhang mit der Heilung eines Gelähmten Sünden vergeben, was letztlich allein Gott kann. Das hat die Führer der Juden bereits gehörig gegen ihn aufgebracht.

 

Anschließend an die Episode des Ährenrupfens heilt Jesus am Sabbat in der Synagoge einen Mann mit einer verdorrten Hand.

Da platzt den Gesetzeshütern vollends der Kragen. Und sie sinnen darauf, Jesus, diesen Unruhestifter und Gotteslästerer, nicht mehr nur verbal mundtot zu machen, sondern ihn vollends fertig zu machen. Sie streben seine Hinrichtung an.

 

Fällt ihnen etwas auf, liebe Mitchristen?

Vordergründig geht es im heutigen Evangeliumsabschnitt um den Sabbat. In Wirklichkeit geht aber darum, wer Jesus ist. Es geht um den Anspruch Jesu, den Willen Gottes endgültig und mit göttlicher Vollmacht zu verkünden und auszulegen.

 

„Der Sabbat ist für den Menschen da.“

Wie können wir das heute umsetzen im Blick auf den Sonntag, der für uns Christen der erste Tag der Woche ist, der Tag der Auferstehung und immer auch ein kleines Osterfest?

 

Gott hat Interesse am Heil des Menschen. Das Heil des Menschen besteht nicht in Gewinn- und Profitmaximierung, auch nicht in Produktionssteigerung oder in noch mehr Konsum.

Wie oft setzt sich der „Stress der Woche“ am Sonntag fort?

Auch ein Zuviel an Terminen und Aktivitäten in der Freizeit kann die sonntägliche Ruhe rauben und auf Dauer dem Heil des Menschen mehr schaden als nützen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Finden wir am Sonntag zu uns selbst! Und finden wir zu dem, der unser Ursprung ist und unser Ziel! Nehmen wir uns auch Zeit für die Begegnung mit ihm, unseren Herrn und Erlöser, dem wir so viel zu verdanken haben!

 

Liebe Mitchristen!

Was in der Diskussion um den Sonntag auch heute heilsam und notwendig wäre, das hat meines Erachtens der Münchner Kardinal Faulhaber einmal kurz und bündig so auf den Punkt gebracht: „Gib der Seele ihren Sonntag und gib dem Sonntag seine Seele.“

Das wär’s, auch heute noch, beides: Der Seele ihren Sonntag geben und dem Sonntag seine Seele.

 

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