EVANGELIUM
Sie waren wie Schafe, die keinen
Hirten haben
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Aus dem Evangelium nach Markus
In jener Zeit
30versammelten sich
die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm und berichteten ihm alles, was sie getan und
gelehrt hatten.
31Da sagte er
zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein
wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die
Leute, die kamen und gingen.
32Sie
fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.
33Aber
man sah sie abfahren, und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen
Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.
34Als
er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie
waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.
„Stress“:
das Wort kennt heute jeder. Es ist in aller Munde. „Stress hoch drei“
oder „mach dir keinen Stress“! Aber nicht nur das Wort, auch die
Sache selbst kennen heutzutage viele Menschen und erleben die
Auswirkungen am eigenen Leib. Vielerlei Stresssituationen zu Hause, in
der Schule, bei der Arbeit, im Betrieb. Oft macht man sich auch selbst
Stress, macht sich ab oder steigert sich in etwas hinein.
Ob die Apostel auch
Stress kannten?
Sie erinnern sich, liebe
Schwestern und Brüder, an das Evangelium vom letzten Sonntag: Jesus
hatte die Apostel ausgesandt. Sie sollten in den Städten und Dörfern
predigen, die Menschen zur Umkehr aufrufen, die Nähe des Reiches Gottes
ansagen. Sie hatten von Jesus die Vollmacht, Menschen zu heilen und
Dämonen auszutreiben. Sie haben Aufnahme, aber auch Ablehnung erfahren.
Nun kehren sie wieder zu
Jesus zurück voll mit Eindrücken und Erlebnissen. Und – so heißt es im
Evangelium – sie berichteten ihm (Jesus) alles, „was sie getan und
gelehrt hatten“.
Und Jesus?
Er hat ein Ohr für die Seinen. Er versucht ganz für sie dazu sein. Er
sieht auch, dass sie müde sind und erschöpft. Die Missionsreisen waren
anstrengend.
Doch die Situation, in
der sich Jesus und die Apostel vorfinden, ist wie bei uns auch oft:
Rundherum Lärm und Trubel. Ein Kommen und Gehen. Jesus und die Seinen
werden regelrecht belagert. Es heißt sogar, dass sie nicht einmal Zeit
zum Essen fanden. „Stress hoch drei“.
In diese Situation hinein
sagt Jesus zu den Seinen: „Kommt mit an einen
einsamen Ort… und ruht ein wenig aus.“
Bemerkenswert
finde ich, dass Jesus, die Seinen nicht gleich zu neuer Arbeit antreibt.
Er macht keine neuen Zielvorgaben. Er fordert keine Leistungssteigerung.
Stattdessen: „Ruht
ein wenig aus!“
Jesus spürt, was die
Seinen brauchen. Er gönnt ihnen eine Zeit der Entspannung, eine Rast,
eine Art „stressfreie Zone“.
Jesus reagiert ganz
einfühlsam und ganz menschlich.
Das zeigt: Jesus hat kein
Gefallen am pausenlosen Betrieb. Er weiß, dass man einen Bogen nicht
überspannen darf.
„Kommt und ruht ein
wenig aus!“
Welche Erlösung liegt in
diesen Worten! Welche Erlösung ist diese Einladung für den, der
eingespannt ist in die Tretmühle der täglichen Aufgaben und Sorgen und
Pflichten.
Immer mehr
Menschen kommen sich ja vor wie in einem Hamsterrad. Sie fühlen sich
fremdbestimmt, von außen gesteuert. Hektik und Eile machen sich breit.
Sie haben den Eindruck, nur noch zu rotieren und zu funktionieren, mehr
gelebt zu werden als zu leben.
Wie wohltuend
klingen da die Worte aus dem Mund Jesu: „Kommt und ruht ein wenig aus!“
„Ausruhen beim
Herrn!“
Mir kommt da das Bild der
Johannesminne in den Sinn. Es zeigt wie Johannes beim letzten Abendmahl
an der Brust Jesu ruht. Einfach sein dürfen, da sein, bei IHM sein.
Nichts machen müssen, nichts leisten. Ausruhen am Herzen Jesu. Seine
Nähe spüren, verkosten.
„Ausruhen beim
Herrn!“ –
Verweilen in seiner Gegenwart.
Aus solcher Nähe und
Verbundenheit kann Gelassenheit wachsen und barmherziger Umgang mit sich
selbst und mit anderen.
„Ausruhen beim
Herrn“
darf allerdings keine Ausrede sein für mangelndes Engagement. „Ausruhen beim Herrn“
ist kein Selbstzweck. Es will stärken, es will
Kraft geben, die anstehenden Aufgaben anzugehen und zu bewältigen.
Doch
die Aktion braucht die Meditation. Sendung braucht Sammlung. Das Wort
braucht das Schweigen. Sonst bekommt unser Leben Schlagseite. Wir
verlieren das Gleichgewicht.
Steter Lärm
und dauernde Unrast machen den Menschen krank. Ohne Sammlung gleichen
wir einem leeren Krug oder einem wasserlosen Brunnen.
Wenn wir nicht völlig
ausgelaugt werden wollen, dann brauchen wir immer wieder die
Unterbrechung, das Innehalten, die Atempause, dann müssen wir uns immer
wieder jenen Freiraum schaffen, wo wir zur Ruhe kommen, Stille finden
und neue Kraft schöpfen können.
Die Urlaubszeit,
der Feierabend, aber auch der Sonntag und der Gottesdienst jetzt in
diese Stunde wollen und können ein Innehalten sein, ein Herunterkommen,
eine Verschnaufpause, ein Ausruhen beim Herrn, ein wieder auftanken und
neue Kraft schöpfen für einen nicht immer leichten, oft mühevollen,
anstrengenden, manchmal auch turbulenten und stressigen Alltag. „O
Stress lass nach!“
Amen
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