Exerzitien mit P. Pius

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Die Berufung der ersten Jünger

(3. Sonntag - Lesejahr B; Mk 1, 14 - 20)

 

EVANGELIUM                                                                                                   

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

 

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

 

14Nachdem man Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes

15und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

16Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer.

17Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.

18Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.

19Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her.

20Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

 

 

Erinnern Sie sich noch, liebe Schwestern und Brüder, an das Evangelium vom letzten Sonntag?

Da weist Johannes der Täufer auf Jesus hin, nachdem er vorher ausführlich über ihn Zeugnis abgelegt hat.

Zwei Jünger des Johannes gehen daraufhin hinter Jesus her. Jesus merkt, dass sie ihm folgen, dreht sich um und fragt sie: „Was sucht ihr?“ – Statt eine Antwort zu geben fragen die beiden: „Meister, wo wohnst du?“ – Jesus antwortet: „Kommt und seht!“ – Dann heißt es: „Die beiden gingen mit und sahen, wo er wohnte.“ Und es wird noch hinzugefügt: „Und sie blieben jenen Tag bei ihm.“ Sie machen also erste Erfahrungen mit Jesus. Sie lernen ihn kennen.

Im weiteren Verlauf dieser Erzählung erfahren wir noch, dass sie von Jesus so angetan sind, dass sie andere Verwandte und Freunde zu Jesus führen bzw. auf Jesus aufmerksam machen.

Berufung geschieht hier im Johannesevangelium vermittelt durch andere. Berufung zieht Kreise.

Auch wenn das kein Protokoll konkreter Ereignisse ist, kein Tatsachenbericht, so ist mir die Darstellung doch sehr sympathisch. Ich denke, so oder ähnlich könnte es gewesen sein.

 

Ganz anders geht es in unserer heutigen Berufungserzählung, wie sie der Evangelist Markus (und Matthäus) überliefert.

Danach hat Jesus die beiden Brüderpaare Simon und Andreas sowie Jakobus und Johannes nie zuvor gesehen. Und die jungen Fischer kennen den Prediger am Ufer ebenfalls nicht.

 

Aber Jesus spricht sie ganz unvermittelt an. Wörtlich:

„Auf, hinter mich! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“

Und „sofort“, also auf der Stelle, das heißt auch, ohne eine Erklärung zu verlangen oder einen Einwand vorzubringen, lassen die Berufenen ihre Arbeit und ihre Familie hinter sich und ziehen mit Jesus durchs Land.

 

Wenn ich diese Art der Berufung vernehme, dann melden sich bei mir Bedenken. Ob es so gewesen sein kann?

Im realen Leben, so ist meine Erfahrung, geht es anders zu.

Da werden Entscheidungen von großer Tragweite nicht von heute auf morgen oder sogar von jetzt auf nachher getroffen. Da gehen oft lange Überlegungen und ein bedächtiges Abwägen des Pro und Contra voraus.

Braucht es nicht doch ein Kennenlernen, ein Vertraut-Werden, sozusagen ein Beschnuppern, eine Art Praktikum bei derart großen Herausforderungen und Veränderungen, bei so gravierenden Lebensentscheidungen?

Ob die Berufenen vielleicht nicht doch Fragen und Einwände hatten, von denen der Evangelist nichts schreibt, weil er die geistige Macht des Wortes und Anspruchs Jesu deutlich machen wollte?

 

Eine dritte Variante der Berufung der ersten Jünger bietet das Lukasevangelium am Beginn des 5. Kapitels.

Auch da ruft Jesus Petrus und seine Gefährten, ihm nachzufolgen. Auch da kündet er an, sie zu Menschenfischern zu machen. Auch da lassen die Berufenen alles zurück und folgen Jesus nach.

Aber es geht einiges voraus. Jesus war für die Jünger kein total Unbekannter. Sie haben bereits einiges mit ihm erlebt. Sie haben ganz erstaunliche Erfahrungen mit Jesus gemacht.

 

Unmittelbar vor dieser Berufungserzählung steht der reiche Fischfang. Petrus und seine Gefährten sind total überrascht und betroffen. Weiter geht voraus die Heilung der Schwiegermutter des Petrus und andere Heilungen von Kranken und Besessenen. Außerdem erleben die Jünger Jesus als machtvollen Verkünder des Wortes. Viele Menschen drängen sich zu ihm und wollen ihn hören.

Diese Variante der Jüngerberufung ist für mich auch gut nachvollziehbar und einleuchtend.

 

Wie auch immer die Berufung der Jünger sich vollzogen hat, es waren in jedem Fall Menschen, die ansprechbar waren, die für den Ruf Jesu offen waren und die ihn gehört haben.

Und es blieb nicht nur beim Hören. Ob sofort oder nach Erfahrungen mit Jesus und ihn Kennenlernen, haben sie wirklich vieles, ja alles gelassen, losgelassen, zurückgelassen, haben sich auf Jesus eingelassen, haben seinem Ruf Folge geleistet und sind zu einem neuen Leben aufgebrochen.

 

Wie auch immer die Berufung der ersten Jünger sich ereignet hat, ich denke, dass Jesus etwas in diesen Menschen angerührt hat, dass er eine offene Stelle in ihrem Herzen erreicht hat, so dass sie sich in ihrem Alltag, in ihrer Arbeit unterbrechen ließen, innehielten, hinhörten und sich zu Aufbruch und Nachfolge bewegen ließen.

 

Wie immer es tatsächlich auch war und zuging bei der Berufung der ersten Jünger, ich glaube, dass Jesus diese Menschen in einer tiefen Sehnsucht getroffen hat, in einer verschütteten und dennoch unstillbar lebendigen Sehnsucht, und dass in ihnen – mitten im Vertrauten, Eingespurten, Sicherheit und Heimat Gebenden – ein Hunger nach dem ganz Anderen aufgebrochen ist. Ein vielleicht lebenslang domestizierter Hunger, vergraben in der Herzenstiefe und dennoch wild und unbändig.

 

Auf diesen offen gelegten und hungrigen Sehnsuchts-Boden fällt dann Jesu Ruf: „Komm und folge mir nach! Ja, dich meine ich. Um dich geht es mir, und zwar so wie du bist, nicht wie du sein könntest. Du bist mir wichtig. Ich brauche ich. Ich habe eine große Aufgabe für dich. Komm!“

 

Und Jesu Ruf ist stärker, zwingender und gewinnender als alle Bedenken, als alles Zögern, als alle Einwände.

Und dann: Kein Ausbruch, sondern ein Verlassen: ein Sich-verlassen auf ihn, der Leben, Zukunft und Sinn verheißt.

Noch ist es nicht mehr als eine Verheißung. Es gibt keine Garantien. Es ist ein Wagnis, das Wagnis des Lebens.

Sicherheit schenkt allein dies: gerufen und berufen zu sein von einem, der von Gott kommt und der es ernst meint mit mir.

 

Was fanden die Jünger in der Lebensgemeinschaft mit Jesus?

Sie fanden wohl mehr als sie aufgegeben hatte: eine Weite und Freiheit des Geistes, wie sie ihnen noch nicht begegnet war, eine Geborgenheit in Liebe und eine seelische Heimat für Zeit und Ewigkeit.

 

Liebe Schwestern und Brüder, der Ruf Jesu in seine Nachfolge ist nie verstummt. Er ergeht auch heute noch. Gemeint sind nicht nur die sogenannten geistlichen oder kirchlichen Berufe. Wir alle sind berufen und gesandt, jede an ihrem Ort und jeder an seinem Platz.

Gibt es nicht in uns allen eine Sehnsucht nach mehr, nach anderem, nach Geborgenheit in Gott, nach erfülltem Leben, nach intensivem Leben aus dem Glauben, in Jesu Spur und in seiner Sendung?

Damals waren es Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes.

Heute sind wir es, du und ich.

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