Exerzitien mit P. Pius

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Osterpredigt 2010

 

 

Folgenden Spruch habe ich gelesen:

„Früher lebten die Menschen 40 Jahre – plus ewig. Heute leben sie nur noch 90 Jahre.“

90 Jahre ist viel mehr als 50. Und doch – ohne Aussicht auf die Ewigkeit – viel kürzer, viel weniger, gar kein Vergleich.

 

Für die Menschen früherer Zeiten gehörte die Ewigkeit selbstverständlich zum Leben dazu. Das ewige Leben war ein nicht hinterfragtes Glaubensgut, Glaubenswahrheit.

Heute jedoch glauben viele nicht mehr an ein Weiterleben nach dem Tod. Die Ewigkeitsperspektive geht verloren. Das hat seinen Preis. Es erzeugt Druck. Volle Konzentration auf das irdische Leben. Totale Fixierung auf materielle Bedürfnisse. Denn dieses Leben ist ja die einzige, die letzte Gelegenheit.

 

Und weil man maximales und optimales Glück erstrebt, ist man dazu verurteilt, vor allem auf das eigene Wohlbefinden zu achten und das Meiste und Beste aus dem Leben herauszupowern.

 

Die Folgen: Immer schneller, immer mehr, ja nichts versäumen. Tempo, Leistungsdruck, Ellenbogenmentalität. Herausholen, was herauszuholen ist. Ohne Rücksicht auf andere und auf Teufel komm raus. Und oft kommt er dann auch raus und dann ist die Hölle los: Gier, Geiz, Neid, Eifersucht. Profit, Prestige, Positionen, Misstrauen, Streit, Pochen auf mein Recht, Selbstsucht, Egotrip, ICH-AG. Das ICH wird großgeschrieben.

 

An das „Glück im Jenseits“, an das „Heil der Seele“, wie man früher sagte, oder in unserem heutigen Jargon, an „Wellness und Fitness für die Ewigkeit“ denkt man nicht.

 

Heute vor drei Wochen ist mein Vater gestorben. Gott hat ihm beides geschenkt: ein hohes Alter, 89 Jahre, plus ewig, nämlich Vertrauen auf Gott und damit die Gewissheit des Glaubens an ein Leben nach dem Tod.

In den letzten Jahren hat er oft gesagt: „Ich bin bereit“ und: „Wie Gott will.“ Sein letztes Gebet lautete, wie mir meine Schwester erzählt hat: „Jesus, dir leb ich, Jesus, dir sterb ich, Jesus, dein bin ich, im Leben und im Tod.“

 

Am Gründonnerstag vor 14 Tagen war das Seelenamt für meinen Vater und die Beerdigung. Beides habe ich selbst gehalten. Leicht war es nicht. Es war halt der Vater. Auch wenn er alt geworden ist, für mich und die Seinen war es doch zu früh und am Schluss auch überraschend. Und es bedeutete Trennung, Abschied, Schmerz. Auch wenn ich und meine Geschwister nicht trauern wie die, die keine Hoffnung haben, so sind doch auch Tränen geflossen. [siehe auch meine Predigt zum Seelenamt unter der Rubrik "Persönliches"]

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wir wissen zwar, dass Menschen sterben müssen. Man hört jeden Tag davon oder liest Todesanzeigen in der Zeitung. Wir nehmen das hin und gehen zur Tagesordnung über. Man ist ja nicht selbst betroffen.

Sobald es einen aber ganz persönlich angeht, wenn es der nächste Angehörige ist, der eigene Vater zum Beispiel, und sei er noch so alt geworden, oder die Mutter, der Ehepartner oder das eigene Kind, wenn es ein Mensch ist, mit dem man verbunden war, den man geliebt und geschätzt hat, dann berührt einem der Tod, dann ist man selbst betroffen, ja vielleicht sogar geschockt. Jemand, der einem lieb und teuer war, ist plötzlich nicht mehr. Er ist einem wie entrissen. Er fehlt. Wir spüren schmerzlich den Verlust und die Lücke.

 

So war es und so ist es auch bei mir und meinen Geschwistern.

Und doch: Da war und ist auch noch etwas anderes, nämlich das Wort Gottes, jene Botschaft, die von Gott kommt, die die Kirche übermittelt und von der die Liturgie in ihren Gebeten und Gesängen im Gottesdienst und bei der Beerdigung spricht: „Wir sind nur Gast auf Erden“ und: „Unsere Heimat ist im Himmel.“

Wir haben ein Ziel. Dieses Ziel ist Gott. Von ihm kommen wir, zu ihm gehen wir. Unser Weg ist Heimweg.

 

In der Präfation für die Verstorbenen heißt es: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“

So gesehen ist das Leben unserer Verstorbenen, aber auch unser eigenes Leben, wenn es einmal zu Ende geht, gar nicht beendet, sondern es findet seine Vollendung in Gott.

So gesehen, von unserem christlichen Glauben her, ist der Tod gar nicht Ende, sondern Wende. Unser Leben endet nicht in einer Sackgasse. Am Schluss steht keine hohe, unüberwindliche Mauer. Der Tod ist vielmehr Tor, Durchgang, Übergang, Hinübergang. Er ist Heimkehr zum Vater im Himmel.

 

Der Auferstandene sagt zu Maria Magdalena: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh. 20,17) Und Jesus sagt in seinen Abschiedsreden: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen…Ich gehe hin, um euch einen Platz zu bereiten. Wenn ich gegangen bin und euch einen Platz bereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“

 

Das Letzte ist – Jesu eigenen Worten zufolge – nicht der Tod, (Schluss, aus, finito, vielleicht ein Nachruf und ein Kranz), sondern Auferstehung und Leben, Leben in Gottes Leben, Leben in seinem Glück, Leben in seinem Licht und Frieden.

 

Daran zu glauben ist keine billige Vertröstung, kein leeres Versprechen, keine Illusion. Dieser Glaube, so haben ich es beim Tod meines Vaters erfahren, so haben es auch meine Angehörigen erfahren, dieser Glaube tröstet und richtet auf. Er gibt Hoffnung. Er schenkt Zuversicht mitten in Leid und Todesnot.

 

In Gott und durch Gott allein ist Leben über alle Zeit hinaus. Dieser Glaube ist eine ungeahnte Bereicherung und Erfüllung.

 

Der Satz unseres Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, ist keine Phrase. Er ist vielmehr die letzte, sichere Konsequenz aus allem, was wir Christen glauben und was wir heute an Ostern feiern.

Wir glauben und feiern: Gott hat in der Auferstehung seines Sohnes die Macht des Todes gebrochen. Der Herr besiegte Grab und Tod.

Seit dem Ostermorgen, liebe Schwestern und Brüder, gilt das Lied des Apostels Paulus: „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?“ Verschlungen ist der Tod im Sieg, im Ostersieg Jesu Christi.

 

Jesu Sieg über Sünde und Tod, das ist das Herzstück, das ist die Mitte und die Kraft unseres Glaubens.

 

Früher lebten die Menschen 40 Jahre – plus ewig. Heute leben sie nur noch 90 Jahre“, viel kürzer.

 

Bei einem gläubigen Christen, Martin Gutl, habe ich ein anderes Wort gefunden, sozusagen ein Kontrastwort – und dem kann und möchte ich voll zustimmen: „Ein Mensch, das ist ein wenig Gestern, etwas Heute und unendlich viel Morgen.“

 

„Ein Mensch ist ein wenig Gestern“: Ja, wo bleiben die Jahre? Wie schnell vergeht die Zeit!! „Etwas Heute“: Das Heute ist morgen schon vorüber. „Und unendlich viel Morgen“: Unendlich viel Morgen: ein anderes Wort für Ewigkeit.

 

Ostern, liebe Schwestern und Brüder, weitet den Blick.

Leben wir im Heute, aber immer mit dem Blick auf das Morgen, im Ausblick auf die Ewigkeit. Das verleiht unserem Leben hier und jetzt Ernsthaftigkeit und Sinn. Es gibt ihm aber auch eine gute Portion Gelassenheit, viel Kraft und frohen Mut.

Seien wir sicher: ER, der uns den Weg vorausgegangen ist zum Vater, ER, der das Tor des Himmels geöffnet hat, ER, Jesus, begleitet uns, er steht uns zur Seite, er geht mit uns all unsere Wege. ER, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist, ER will uns Freund und Bruder sein.

Lassen wir uns von ihm an der Hand nehmen. Hören wir auf sein Wort. Gehen wir mit ihm mutig und tapfer den Weg, den Gott uns zugedacht hat! Leben wir mit ihm, der lebt! Leben wir mit ihm, dem Auferstandenen!

 

„Nur einer gibt Geleite, das ist der Herre Christ. Er wandert treu zur Seite, wenn alles uns vergisst.“

 

ER ist das Licht, das uns erleuchtet. ER ist die Kraft, die uns erfüllt. ER ist der Beistand, der uns nicht verlässt.

 

Ich bin (mit Paulus) gewiss: Nichts, noch nicht einmal der Tod, diese letzte und grausame Wirklichkeit im Leben jedes Menschen, kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn. (vgl. Röm 8,38)

 

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