Folgenden Spruch habe ich
gelesen:
„Früher lebten die Menschen 40
Jahre – plus ewig. Heute leben sie nur noch 90 Jahre.“
90 Jahre ist viel mehr als 50. Und
doch – ohne Aussicht auf die Ewigkeit – viel kürzer, viel weniger, gar kein
Vergleich.
Für die Menschen früherer
Zeiten gehörte die Ewigkeit selbstverständlich zum Leben dazu. Das ewige Leben
war ein nicht hinterfragtes Glaubensgut, Glaubenswahrheit.
Heute jedoch glauben viele
nicht mehr an ein Weiterleben nach dem Tod. Die Ewigkeitsperspektive geht
verloren. Das hat seinen Preis. Es erzeugt Druck. Volle Konzentration auf das
irdische Leben. Totale Fixierung auf materielle Bedürfnisse. Denn dieses Leben
ist ja die einzige, die letzte Gelegenheit.
Und weil man maximales und optimales
Glück erstrebt, ist man dazu verurteilt, vor allem auf das eigene Wohlbefinden
zu achten und das Meiste und Beste aus dem Leben herauszupowern.
Die Folgen: Immer schneller,
immer mehr, ja nichts versäumen. Tempo, Leistungsdruck, Ellenbogenmentalität.
Herausholen, was herauszuholen ist. Ohne Rücksicht auf andere und auf Teufel
komm raus. Und oft kommt er dann auch raus und dann ist die Hölle los: Gier,
Geiz, Neid, Eifersucht. Profit, Prestige, Positionen, Misstrauen, Streit, Pochen
auf mein Recht, Selbstsucht, Egotrip, ICH-AG. Das ICH wird großgeschrieben.
An das „Glück im Jenseits“,
an das „Heil der Seele“, wie man früher sagte, oder in unserem heutigen
Jargon, an „Wellness und Fitness für die Ewigkeit“ denkt man nicht.
Heute vor drei Wochen ist
mein Vater gestorben. Gott hat ihm beides geschenkt: ein hohes Alter, 89 Jahre,
plus ewig, nämlich Vertrauen auf Gott und damit die Gewissheit des Glaubens an
ein Leben nach dem Tod.
In den letzten Jahren hat er oft
gesagt: „Ich bin bereit“ und: „Wie Gott will.“ Sein letztes
Gebet lautete, wie mir meine Schwester erzählt hat: „Jesus, dir leb ich,
Jesus, dir sterb ich, Jesus, dein bin ich, im Leben und im Tod.“
Am Gründonnerstag vor 14
Tagen war das Seelenamt für meinen Vater und die Beerdigung. Beides habe ich
selbst gehalten. Leicht war es nicht. Es war halt der Vater. Auch wenn er alt
geworden ist, für mich und die Seinen war es doch zu früh und am Schluss auch
überraschend. Und es bedeutete Trennung, Abschied, Schmerz. Auch wenn ich
und meine Geschwister nicht trauern wie die, die keine Hoffnung haben, so sind
doch auch Tränen geflossen. [siehe auch meine
Predigt zum
Seelenamt unter der Rubrik "Persönliches"]
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir wissen zwar, dass
Menschen sterben müssen. Man hört jeden Tag davon oder liest Todesanzeigen in
der Zeitung. Wir nehmen das hin und gehen zur Tagesordnung über. Man ist ja
nicht selbst betroffen.
Sobald es einen aber ganz
persönlich angeht, wenn es der nächste Angehörige ist, der eigene Vater zum
Beispiel, und sei er noch so alt geworden, oder die Mutter, der Ehepartner oder
das eigene Kind, wenn es ein Mensch ist, mit dem man verbunden war, den man
geliebt und geschätzt hat, dann berührt einem der Tod, dann ist man selbst
betroffen, ja vielleicht sogar geschockt. Jemand, der einem lieb und
teuer war, ist plötzlich nicht mehr. Er ist einem wie entrissen. Er fehlt. Wir
spüren schmerzlich den Verlust und die Lücke.
So war es und so ist es auch bei
mir und meinen Geschwistern.
Und doch: Da war und ist auch
noch etwas anderes, nämlich das Wort Gottes, jene Botschaft, die von Gott kommt,
die die Kirche übermittelt und von der die Liturgie in ihren Gebeten und
Gesängen im Gottesdienst und bei der Beerdigung spricht: „Wir sind nur Gast
auf Erden“ und: „Unsere Heimat ist im Himmel.“
Wir haben ein Ziel. Dieses
Ziel ist Gott. Von ihm kommen wir, zu ihm gehen wir. Unser Weg ist Heimweg.
In der Präfation für die
Verstorbenen heißt es: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben
gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft
zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“
So gesehen ist das Leben
unserer Verstorbenen, aber auch unser eigenes Leben, wenn es einmal zu Ende
geht, gar nicht beendet, sondern es findet seine Vollendung in Gott.
So gesehen, von unserem
christlichen Glauben her, ist der Tod gar nicht Ende, sondern Wende. Unser Leben
endet nicht in einer Sackgasse. Am Schluss steht keine hohe, unüberwindliche
Mauer. Der Tod ist vielmehr Tor, Durchgang, Übergang, Hinübergang. Er ist
Heimkehr zum Vater im Himmel.
Der Auferstandene sagt zu Maria
Magdalena: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem
Gott und eurem Gott.“ (Joh. 20,17) Und Jesus sagt in seinen
Abschiedsreden: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen…Ich gehe
hin, um euch einen Platz zu bereiten. Wenn ich gegangen bin und euch einen Platz
bereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort
seid, wo ich bin.“
Das Letzte ist – Jesu eigenen
Worten zufolge – nicht der Tod, (Schluss, aus, finito, vielleicht ein Nachruf
und ein Kranz), sondern Auferstehung und Leben, Leben in Gottes Leben, Leben in
seinem Glück, Leben in seinem Licht und Frieden.
Daran zu glauben ist keine
billige Vertröstung, kein leeres Versprechen, keine Illusion. Dieser Glaube, so
haben ich es beim Tod meines Vaters erfahren, so haben es auch meine Angehörigen
erfahren, dieser Glaube tröstet und richtet auf. Er gibt Hoffnung. Er schenkt
Zuversicht mitten in Leid und Todesnot.
In Gott und durch Gott allein ist
Leben über alle Zeit hinaus. Dieser Glaube ist eine ungeahnte Bereicherung und
Erfüllung.
Der Satz unseres
Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das
ewige Leben“, ist keine Phrase. Er ist vielmehr die letzte, sichere
Konsequenz aus allem, was wir Christen glauben und was wir heute an Ostern
feiern.
Wir glauben und feiern: Gott
hat in der Auferstehung seines Sohnes die Macht des Todes gebrochen. Der Herr
besiegte Grab und Tod.
Jesu Sieg über Sünde und Tod,
das ist das Herzstück, das ist die Mitte und die Kraft unseres Glaubens.
„Früher lebten die
Menschen 40 Jahre – plus ewig. Heute leben sie nur noch 90 Jahre“,
viel kürzer.
Bei einem gläubigen Christen,
Martin Gutl, habe ich ein anderes Wort gefunden, sozusagen ein Kontrastwort –
und dem kann und möchte ich voll zustimmen: „Ein Mensch, das ist ein wenig
Gestern, etwas Heute und unendlich viel Morgen.“
„Ein Mensch ist ein wenig
Gestern“: Ja, wo bleiben die Jahre? Wie schnell vergeht die Zeit!! „Etwas
Heute“: Das Heute ist morgen schon vorüber. „Und unendlich viel Morgen“:
Unendlich viel Morgen: ein anderes Wort für Ewigkeit.
Ostern,
liebe Schwestern und Brüder,
weitet den Blick.
Leben wir im Heute, aber
immer mit dem Blick auf das Morgen, im Ausblick auf die Ewigkeit. Das verleiht
unserem Leben hier und jetzt Ernsthaftigkeit und Sinn. Es gibt ihm aber auch
eine gute Portion Gelassenheit, viel Kraft und frohen Mut.
Seien wir sicher: ER, der uns
den Weg vorausgegangen ist zum Vater, ER, der das Tor des Himmels geöffnet hat,
ER, Jesus, begleitet uns, er steht uns zur Seite, er geht mit uns all unsere
Wege. ER, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist, ER will uns
Freund und Bruder sein.
Lassen wir uns von ihm an der
Hand nehmen. Hören wir auf sein Wort. Gehen wir mit ihm mutig und tapfer den
Weg, den Gott uns zugedacht hat! Leben wir mit ihm, der lebt! Leben wir mit ihm,
dem Auferstandenen!
„Nur einer gibt Geleite, das ist
der Herre Christ. Er wandert treu zur Seite, wenn alles uns vergisst.“
ER ist das Licht, das uns
erleuchtet. ER ist die Kraft, die uns erfüllt. ER ist der Beistand, der uns
nicht verlässt.
Ich bin (mit Paulus) gewiss:
Nichts, noch nicht einmal der Tod, diese letzte und grausame Wirklichkeit im
Leben jedes Menschen, kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus
Christus ist, unserem Herrn. (vgl. Röm 8,38)