Evangelium
Sie sollen eins
sein, wie wir eins sind: Sie sollen vollendet sein in der Einheit
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Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
20In
jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: Heiliger
Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die
durch ihr Wort an mich glauben.
21Alle
sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen
auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.
22Und
ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit
sie eins sind, wie wir eins sind,
23ich
in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit,
damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt
hast, wie du mich geliebt hast.
24Vater,
ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich
bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil
du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt.
25Gerechter
Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und
sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26Ich
habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die
Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.
„Alle sollen eins sein, damit
die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ – Das ist der
„Herzenswunsch“ Jesu, geradezu sein Testament. Alle sollen eins sein. Es
geht um die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wir pflegen dieses
Jesuswort vor allem auf das Auseinanderfallen der Kirchen in
verschiedene Konfessionen zu beziehen. Doch war das zur Zeit des
Johannesevangeliums noch nicht das Problem! Dem Evangelisten geht es in
den Abschiedsreden um die Einheit der Gemeinde, die er gefährdet sieht
und die schweren Zerreißproben ausgesetzt ist.
Das Johannesevangelium
entstand um das Jahr 90. Damals trennte sich die Kirche endgültig vom
Judentum. Und das hat innerhalb der Gemeinden zu - heute kaum noch
vorstellbaren - Spannungen geführt.
Wenn der Evangelist das
Gebet Jesu um die Einheit so sehr betont, so hat er die Einheit der
eigenen Gemeinde im Blick. Und die ist ja auch heute ein drängendes
Problem.
Sagen wir es positiv: Dass
man in unseren Gemeinden und in der Kirche diskutiert und streitet,
welche Wege wir gehen sollen, um die Botschaft Jesu in unserer Zeit
lebendig zu halten, ist das ein so großes Unglück? Ich jedenfalls bin
froh, in einer Kirche zu leben, in der man nicht bloß das
Althergebrachte treu und brav wiederholt, sondern auch fragt, was denn
die Treue zu Jesus und seiner Sache heute erfordert, welche neuen
Schritte und eventuell auch Grenzüberschreitungen sie heute erfordert.
Ich finde es gar nicht so schlimm, wenn in unserer Kirche diskutiert
wird. Schlimm wird es erst, wenn man nicht mehr aufeinander hört, wenn
man andere verurteilt, über sie den Stab bricht, statt zunächst einmal
auf das Richtige auch in abweichenden Meinungen zu achten.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Ich wünschte mir sehr, die
führenden Leute unserer Kirche würden manchmal etwas mehr Gelassenheit
und Ruhe an den Tag legen. – Ich wünschte mir aber auch, dass wir in
unserer Gemeinde, der Kirche im Kleinen, versöhnt miteinander umgingen.
– All denen in unseren Gemeinden, die klagen und jammern, wie verwirrend
doch alles sei – ihnen wünschte ich einen kräftigen Schuss Vertrauen auf
den Herrn der Kirche, der uns Christen in all unserer Menschlichkeit
erträgt und der dafür sorgen wird, dass seine Kirche in der Wahrheit
bleibt. – Ich wünschte mir eine Kirche, in der wir mehr Zutrauen haben
zu Gott. Er wird die Kirche in der Wahrheit halten. Das haben – Gott sei
Dank – nicht wir selbst zu besorgen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
„Alle sollen eins sein!“ Das
ist nicht in erster Linie ein moralischer Apell. Vergessen wir nicht:
Unser heutiges Evangelium ist ein Gebet! Einheit können wir nicht
„machen“. Wir dürfen sie aber von Gott erbitten und erwarten. – Wenn wir
ihn wirklich in den Mittelpunkt unseres eigenen Lebens stellen, wenn wir
ihm zutrauen, dass er seine Kirche in der Wahrheit hält – was könnte uns
Schlimmes zustoßen? |