geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

„Alle sollen eins sein“

zum Evangelium am 7. Sonntag in der Osterzeit, Lesejahr C; Joh 17, 20 - 26

 

Evangelium

Sie sollen eins sein, wie wir eins sind: Sie sollen vollendet sein in der Einheit

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes

20In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.

21Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.

22Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind,

23ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.

24Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt.

25Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast.

26Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.

 

 

„Alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ – Das ist der „Herzenswunsch“ Jesu, geradezu sein Testament. Alle sollen eins sein. Es geht um die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir pflegen dieses Jesuswort vor allem auf das Auseinanderfallen der Kirchen in verschiedene Konfessionen zu beziehen. Doch war das zur Zeit des Johannesevangeliums noch nicht das Problem! Dem Evangelisten geht es in den Abschiedsreden um die Einheit der Gemeinde, die er gefährdet sieht und die schweren Zerreißproben ausgesetzt ist.

 

Das Johannesevangelium entstand um das Jahr 90. Damals trennte sich die Kirche endgültig vom Judentum. Und das hat innerhalb der Gemeinden zu - heute kaum noch vorstellbaren - Spannungen geführt.

Wenn der Evangelist das Gebet Jesu um die Einheit so sehr betont, so hat er die Einheit der eigenen Gemeinde im Blick. Und die ist ja auch heute ein drängendes Problem.

 

Sagen wir es positiv: Dass man in unseren Gemeinden und in der Kirche diskutiert und streitet, welche Wege wir gehen sollen, um die Botschaft Jesu in unserer Zeit lebendig zu halten, ist das ein so großes Unglück? Ich jedenfalls bin froh, in einer Kirche zu leben, in der man nicht bloß das Althergebrachte treu und brav wiederholt, sondern auch fragt, was denn die Treue zu Jesus und seiner Sache heute erfordert, welche neuen Schritte und eventuell auch Grenzüberschreitungen sie heute erfordert. Ich finde es gar nicht so schlimm, wenn in unserer Kirche diskutiert wird. Schlimm wird es erst, wenn man nicht mehr aufeinander hört, wenn man andere verurteilt, über sie den Stab bricht, statt zunächst einmal auf das Richtige auch in abweichenden Meinungen zu achten.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich wünschte mir sehr, die führenden Leute unserer Kirche würden manchmal etwas mehr Gelassenheit und Ruhe an den Tag legen. – Ich wünschte mir aber auch, dass wir in unserer Gemeinde, der Kirche im Kleinen, versöhnt miteinander umgingen. – All denen in unseren Gemeinden, die klagen und jammern, wie verwirrend doch alles sei – ihnen wünschte ich einen kräftigen Schuss Vertrauen auf den Herrn der Kirche, der uns Christen in all unserer Menschlichkeit erträgt und der dafür sorgen wird, dass seine Kirche in der Wahrheit bleibt. – Ich wünschte mir eine Kirche, in der wir mehr Zutrauen haben zu Gott. Er wird die Kirche in der Wahrheit halten. Das haben – Gott sei Dank – nicht wir selbst zu besorgen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

„Alle sollen eins sein!“ Das ist nicht in erster Linie ein moralischer Apell. Vergessen wir nicht: Unser heutiges Evangelium ist ein Gebet! Einheit können wir nicht „machen“. Wir dürfen sie aber von Gott erbitten und erwarten. – Wenn wir ihn wirklich in den Mittelpunkt unseres eigenen Lebens stellen, wenn wir ihm zutrauen, dass er seine Kirche in der Wahrheit hält – was könnte uns Schlimmes zustoßen?