Zweite Lesung
Ihr seid ein auserwähltes
Geschlecht, eine königliche Priesterschaft
Lesung
aus dem ersten Brief des
Apostels Petrus
Schwestern und Brüder!
4Kommt
zum Herrn, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber
von Gott auserwählt und geehrt worden ist!
5Lasst
euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer
heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer
darzubringen, die Gott gefallen!
6Denn es
heißt in der Schrift: Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten Stein,
einen Eckstein, den ich in Ehren halte; wer an ihn glaubt, der geht
nicht zugrunde.
7Euch,
die ihr glaubt, gilt diese Ehre. Für jene aber, die nicht glauben, ist
dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden,
8zum
Stein, an den man anstößt, und zum Felsen, an dem man zu Fall kommt. Sie
stoßen sich an ihm, weil sie dem Wort nicht gehorchen; doch dazu sind
sie bestimmt.
9Ihr
aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft,
ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit
ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in
sein wunderbares Licht gerufen hat.
Steinhart, steinreich,
steinalt. Ein steiniger Weg. Stein, der mir vom Herzen fällt. Stein des
Anstoßes. Ein Stein im Brett. Das steinerne Herz … Unsere Sprache kennt
viele Redensarten, die mit Steinen zu tun haben.
Auch in der Bibel
spielen Steine eine Rolle.
Im Buch Genesis
träumt Jakob den Traum von der Himmelsleiter, nachdem er sich einen
auffälligen Stein unter den Kopf gelegt hat. So wird der Grundstein zu
dem berühmten Heiligtum Bet-El gelegt (Gen 28, 19).
Beim Propheten Ezechiel
hören wir Gottes Verheißung, dass er den Menschen das steinerne Herz
aus ihrem Leib nehmen und ihnen ein Herz aus Fleisch geben will
(11, 19).
Der Psalm 118 weiß,
dass der Stein, den die Bauleute als ungeeignet verworfen haben, zum
tragenden, stützenden, verbindenden Eckstein wurde. Mit diesem Stein ist
Israel gemeint. Israel sieht sich von seinen übermächtigen
Nachbarvölkern als unbedeutend und wertlos verachtet, von Gott aber
auserwählt und zum Grundstein für den Bau gemacht, der sein Plan mit der
Welt und den Völkern ist.
Der 1. Petrusbrief
greift dieses Bild auf und wendet es auf Christus an. Christus ist
„der lebendige Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott
auserwählt und geehrt worden ist“ (Vers 4). Er, Christus wurde zwar
von den Menschen verachtet und zum Tod verurteilt – für Gott aber ist er
der tragende Pfeiler seines Heilsplans, er ist für ihn „auserlesen
und kostbar“.
In der
Apostelgeschichte (4, 11) wird von Petrus ebenfalls der Psalm 118
zitiert. Bei einem Verhör sagt er den Führern des Volkes und Ältesten
ganz deutlich und sehr direkt auf den Kopf zu: „Er (Jesus) ist der
Stein, der von euch Bauleuten verworfen, der aber zum Eckstein
geworden ist.“
Liebe Schwestern und
Brüder!
Der erste Petrusbrief wird
recht spät datiert. Vermutlich wurde er gegen Ende des 1. Jahrhunderts
nach Christus geschrieben. Empfänger waren die kleinen Diasporagemeinden
in Kleinasien. Der Brief will den Christen in der Zeit beginnender
Verfolgung Mut machen, Mut, ihr Leben ganz und einzig auf Christus zu
bauen.
Sehr schön und sehr
berührend finde ich Vers 9, der letzte Vers des heutigen
Lesungsabschnittes: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine
königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein
besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet,
der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.“
Eine Aufzählung von
Ehrentiteln, die im Alten (Ersten) Testament für Israel verwendet
werden, die der Verfasser des 1. Petrusbriefes aber auf die Christen und
die christlichen Gemeinden anwendet. Sie sind das neue, das auserwählte
Gottesvolk – nicht mehr durch Abstammung, sondern durch den Glauben an
Jesus Christus, der von den Menschen zwar verworfen, aber von Gott zum
Eckstein erwählt wurde.
„Ihr seid ein
auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger
Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde …“
Was für eine wunderbare
und ganz großartige Zusage! Nicht: „Seid es!“ Nicht: „Ihr müsst!“ Nicht:
„Reißt euch zusammen und bemüht euch!“ – Kein Zwang, kein
Leistungsdruck! Sondern: „Ihr seid!“ – Was zugesagt wird, was die an
Christus Glaubenden zutiefst sind, was ihre Identität ausmacht, das ist
ihnen gegeben, nicht aufgegeben! Es ist Geschenk und Gnade, nicht
Aufgabe und Leistung!
„Ihr seid ein
auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger
Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde …“
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das müssen wir uns nicht
erkaufen und nicht erarbeiten. Das brauchen wir uns nicht mühsam
erwerben, sondern das dürfen wir uns ganz einfach zusagen und schenken
lassen.
Das Einzige, was wir
vielleicht „müssen“, das ist, dass wir das auch annehmen, es uns – im
wahrsten Sinne des Wortes – gefallen lassen und diese so wohltuende
Botschaft verinnerlichen. Und dass wir dann auch versuchen, das zu
leben, es so zu leben, dass man uns das an-merkt und an-sieht. Um dann
durch die Art und Weise wie wir leben und miteinander umgehen, „die
großen Taten dessen zu verkünden, der uns aus der Finsternis in sein
wunderbares Licht gerufen hat.“
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