+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In
jener Zeit
27sah
Jesus einen Zöllner namens Levi am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge
mir nach! 28Da
stand Levi auf, verließ alles und folgte ihm.
29Und
er gab für Jesus in seinem Haus ein großes Festmahl. Viele Zöllner und
andere Gäste waren mit ihnen bei Tisch.
30Da
sagten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten voll Unwillen zu seinen
Jüngern: Wie könnt ihr zusammen mit Zöllnern und Sündern essen und
trinken?
31Jesus
antwortete ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die
Kranken.
32Ich
bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten.
Jesus beruft einen Zöllner in seine
Nachfolge, einen verhassten Steuereinnehmer, einen öffentlichen Sünder.
Ein fast tausend Jahre altes Bild
(im Trierer Egbert-Codex) zeigt wie Jesus bei dieser Berufungsszene
einem Jünger auf den Fuß tritt. Diesem war wohl schon der Entsetzensruf
auf der Zunge: „Den doch nicht, Herr! Ein
Zöllner in unserem Kreis! Unmöglich!“
Und dann nimmt er auch noch seine
Einladung an und setzt sich mit Zöllnern und Sündern zu Tisch.
Jesus in schlechter Gesellschaft.
Ein Skandal.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten machen
keinen Hehl aus ihrer Abscheu.
Sie sind empört. Für sie ist das
Verhalten Jesu total unverständlich, ja anstößig und unerträglich.
Jesus erklärt sein Verhalten mit zwei
kleinen Sätzen.
Die aber haben es in sich. Sie zeigen
auf, wie Jesus sich selbst sieht und wie er seine Sendung versteht.
Der erste Satz lautet:
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“
Jesus sieht sich als Arzt. Im
Griechischen steht das Wort Therapeut. Wie der Arzt zu den Kranken geht,
so geht Jesus zu den Sündern. Sie bedürfen seiner vor allem. Zu ihnen
sieht er sich ganz besonders gesandt. Bei einer anderen Gelegenheit sagt
Jesus einmal: „Ich bin gekommen, um zu suchen,
was verloren war und zu heilen, was verwundet ist.“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wir sind eingeladen, bei Jesus
Heilung zu erfahren. Wir sind eingeladen, mit unseren Verwundungen,
Verletzungen und Enttäuschungen zu IHM zu kommen, zu Jesus, dem Arzt
der Kranken, dem Freund der Armen, dem Retter der Sünder! „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten
zu tragen habt, ich will euch erquicken. Ich will euch stärken und Ruhe
verschaffen.“
Das zweite Wort Jesu
als Antwort auf die Vorwürfe und die Empörung der Pharisäer lautet:
„Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen,
nicht die Gerechten.“
Auch dieser Satz ist programmatisch für
das Selbstverständnis und die Sendung Jesu.
Diejenigen, die meinen sie wären recht,
niemand kann ihnen etwas vorwerfen und sie selber haben sich auch nichts
vorzuwerfen – weiße Weste, kein Dreck am Stecken, alles in bester
Ordnung – an deren Tür klopft Gott vergeblich.
Sie sehnen sich nicht nach Heilung und
Befreiung.
Sie meinen ja, Trost und Heil und Heilung
gar nicht nötig zu haben.
Bei ihnen hat es Jesus sehr schwer.
Doch Menschen, die ihre eigene
Bedürftigkeit und Armut spüren, Menschen, die um ihre Begrenztheit und
Heillosigkeit wissen, solche Menschen sind eher offen und ansprechbar
für Jesu Botschaft von Umkehr und neuem Leben.
Sie sehnen sich – wie Levi - nach einem
anderen Leben.
Sie sehnen sich nach Heil und Erlösung.
Ihnen fällt es viel leichter als den „Gerechten“, sich Gottes
gute Botschaft zusagen und sich beschenken zu lassen.
Wo ordnen wir uns zu, liebe Schwestern
und Brüder?
Wo stehen wir, Sie und ich?
Fühle ich mich den Sündern zugehörig oder
den Gerechten?
Ganz ehrlich: Meine ich’s nicht gut?
Bin ich nicht recht?
Man hat sich nichts vorzuwerfen.
Schließlich hat man Ordnung in seinem Leben, oder? Man weiß doch, was
sich gehört.
Immer korrekt, immer tugendhaft. Muss
Gott mit mir nicht ganz zufrieden sein?
Und schon ist der Stolz nicht mehr weit.
Und die Überheblichkeit und die Herzenshärte.
Und damit verbunden das Herabschauen auf
andere, Verachtung, Ausgrenzung, Ablehnung.
Es scheint eine urmenschliche
Versuchung zu sein, sich auf die vermeintlich gute Seite zu stellen,
sich über andere zu erheben, sich über sie zu entrüsten, zu urteilen und
zu verurteilen und nichts Gutes an ihnen zu lassen. „Die blöde Kuh“. „Mit der/mit dem ist doch nichts
anzufangen.“ „Den kannst doch vergessen.“ „Da ist sowieso Hopfen und
Malz verloren.“
Schwarzweißmalerei: Hier die Guten,
dort die Bösen, taugt was, taugt nichts. Schubladendenken:
Wie leicht verfallen wir ihm!
Spüre ich meine kurze Sicht?
Spüre ich meine Grenzen, meine eigenen
Blockaden, meine eigenen Mängel und Fehler?
Nehme ich meine Armut und Leere wahr?
Sehne ich mich danach, von Gott berührt
und verwandelt zu werden?
Spüre ich, wie ich selber der Vergebung
und des Heiles bedarf?
Spüre ich, wie ich immer wieder auf die
verzeihende Liebe Gottes angewiesen bin?
Kann ich ehrlich beten:
„Sprich du das Wort, das tröstet
und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden?“ (Gl.
422, 3)
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“
Bei einem Kommunionlied lautet die letzte
Strophe:
„Als ein Kranker komm ich hier,
der verzagt am Leben, meine Schwachheit klag ich dir, du kannst Kraft
mir geben. Du bist Arzt, der Hilfe schafft, heile meine Wunden, gib mir
neue Lebenskraft, lass mich recht gesunden.“ (Gl. 873,
Freiburger Anhang)
Und direkt vor dem Kommunionempfang beten
wir:
„Herr, ich bin nicht würdig, dass du
eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele
gesund!“
Jesus beruft einen Zöllner zum Jünger. Er
beruft einen, der keine weiße Weste hat, sondern manches auf dem
Kerbholz.
„Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zur Umkehr zu rufen, sondern die
Sünder.“
Ob das nicht auch unsere Chance ist, dass
Jesus sich mit Vorliebe den Armen und Kranken zuwendet?
Ob das nicht unser Glück ist, dass er
sich vor allem zu den Sündern gesandt weiß und sogar Mahlgemeinschaft
mit ihn hält?
„Gott liebt deine Armut und nicht deinen Glanz,
deine Sehnsucht und nicht deine Erfolge.“ |