geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Fastenpredigt - Samstag nach Aschermittwoch

(Predigttext: Lukas 5, 27 - 32)

 

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas    

In jener Zeit

27sah Jesus einen Zöllner namens Levi am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! 28Da stand Levi auf, verließ alles und folgte ihm.

29Und er gab für Jesus in seinem Haus ein großes Festmahl. Viele Zöllner und andere Gäste waren mit ihnen bei Tisch.

30Da sagten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten voll Unwillen zu seinen Jüngern: Wie könnt ihr zusammen mit Zöllnern und Sündern essen und trinken?

31Jesus antwortete ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.

32Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten.

 

Jesus beruft einen Zöllner in seine Nachfolge, einen verhassten Steuereinnehmer, einen öffentlichen Sünder.

 

Ein fast tausend Jahre altes Bild (im Trierer Egbert-Codex) zeigt wie Jesus bei dieser Berufungsszene einem Jünger auf den Fuß tritt. Diesem war wohl schon der Entsetzensruf auf der Zunge: „Den doch nicht, Herr! Ein Zöllner in unserem Kreis! Unmöglich!“

 

Und dann nimmt er auch noch seine Einladung an und setzt sich mit Zöllnern und Sündern zu Tisch.

Jesus in schlechter Gesellschaft. Ein Skandal.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten machen keinen Hehl aus ihrer Abscheu.

Sie sind empört. Für sie ist das Verhalten Jesu total unverständlich, ja anstößig und unerträglich.

 

Jesus erklärt sein Verhalten mit zwei kleinen Sätzen.

Die aber haben es in sich. Sie zeigen auf, wie Jesus sich selbst sieht und wie er seine Sendung versteht.

 

Der erste Satz lautet:

„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“

 

Jesus sieht sich als Arzt. Im Griechischen steht das Wort Therapeut. Wie der Arzt zu den Kranken geht, so geht Jesus zu den Sündern. Sie bedürfen seiner vor allem. Zu ihnen sieht er sich ganz besonders gesandt. Bei einer anderen Gelegenheit sagt Jesus einmal: „Ich bin gekommen, um zu suchen, was verloren war und zu heilen, was verwundet ist.“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir sind eingeladen, bei Jesus Heilung zu erfahren. Wir sind ein­geladen, mit unseren Verwundungen, Verletzungen und Enttäu­schungen zu IHM zu kommen, zu Jesus, dem Arzt der Kranken, dem Freund der Armen, dem Retter der Sünder! „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch erquicken. Ich will euch stärken und Ruhe verschaffen.“

 

Das zweite Wort Jesu als Antwort auf die Vorwürfe und die Empörung der Pharisäer lautet:

„Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten.“

Auch dieser Satz ist programmatisch für das Selbstverständnis und die Sendung Jesu.

 

Diejenigen, die meinen sie wären recht, niemand kann ihnen etwas vorwerfen und sie selber haben sich auch nichts vorzuwerfen – weiße Weste, kein Dreck am Stecken, alles in bester Ordnung –  an deren Tür klopft Gott vergeblich.

Sie sehnen sich nicht nach Heilung und Befreiung.

Sie meinen ja, Trost und Heil und Heilung gar nicht nötig zu haben.

Bei ihnen hat es Jesus sehr schwer.

 

Doch Menschen, die ihre eigene Bedürftigkeit und Armut spüren, Menschen, die um ihre Begrenztheit und Heillosigkeit wissen, solche Menschen sind eher offen und ansprechbar für Jesu Botschaft von Umkehr und neuem Leben.

Sie sehnen sich – wie Levi - nach einem anderen Leben.

Sie sehnen sich nach Heil und Erlösung. Ihnen fällt es viel leichter als den „Gerechten“, sich Gottes gute Botschaft zusagen und sich beschenken zu lassen.

 

Wo ordnen wir uns zu, liebe Schwestern und Brüder?

Wo stehen wir, Sie und ich?

Fühle ich mich den Sündern zugehörig oder den Gerechten?

 

Ganz ehrlich: Meine ich’s nicht gut? Bin ich nicht recht?

Man hat sich nichts vorzuwerfen. Schließlich hat man Ordnung in seinem Leben, oder? Man weiß doch, was sich gehört.

Immer korrekt, immer tugendhaft. Muss Gott mit mir nicht ganz zufrieden sein?

 

Und schon ist der Stolz nicht mehr weit. Und die Überheblichkeit und die Herzenshärte.

Und damit verbunden das Herabschauen auf andere, Verachtung, Ausgrenzung, Ablehnung.

 

Es scheint eine urmenschliche Versuchung zu sein, sich auf die vermeintlich gute Seite zu stellen, sich über andere zu erheben, sich über sie zu entrüsten, zu urteilen und zu verurteilen und nichts Gutes an ihnen zu lassen. „Die blöde Kuh“. „Mit der/mit dem ist doch nichts anzufangen.“ „Den kannst doch vergessen.“ „Da ist sowieso Hopfen und Malz verloren.“

 

Schwarzweißmalerei: Hier die Guten, dort die Bösen, taugt was, taugt nichts. Schubladendenken: Wie leicht verfallen wir ihm!

 

Spüre ich meine kurze Sicht?

Spüre ich meine Grenzen, meine eigenen Blockaden, meine eigenen Mängel und Fehler?

Nehme ich meine Armut und Leere wahr?

 

Sehne ich mich danach, von Gott berührt und verwandelt zu werden?

Spüre ich, wie ich selber der Vergebung und des Heiles bedarf?

Spüre ich, wie ich immer wieder auf die verzeihende Liebe Gottes angewiesen bin?

Kann ich ehrlich beten:

„Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden?“ (Gl. 422, 3)

 

„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“

Bei einem Kommunionlied lautet die letzte Strophe:

„Als ein Kranker komm ich hier, der verzagt am Leben, meine Schwachheit klag ich dir, du kannst Kraft mir geben. Du bist Arzt, der Hilfe schafft, heile meine Wunden, gib mir neue Lebenskraft, lass mich recht gesunden.“ (Gl. 873, Freiburger Anhang)

 

Und direkt vor dem Kommunionempfang beten wir:

„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“

 

Jesus beruft einen Zöllner zum Jünger. Er beruft einen, der keine weiße Weste hat, sondern manches auf dem Kerbholz.

„Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zur Umkehr zu rufen, sondern die Sünder.“

 

Ob das nicht auch unsere Chance ist, dass Jesus sich mit Vorliebe den Armen und Kranken zuwendet?

Ob das nicht unser Glück ist, dass er sich vor allem zu den Sündern gesandt weiß und sogar Mahlgemeinschaft mit ihn hält?

 

„Gott liebt deine Armut und nicht deinen Glanz,

deine Sehnsucht und nicht deine Erfolge.“