„Der Herr hat mir
geholfen. Er hat gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande
befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war.“
– Mit diesen Worten aus dem Munde Elisabeths, endete soeben das
Evangelium.
„Schande“
– ein uraltes, steinhartes Wort!
Vom Jemand zum Niemand
werden.
Sich nicht mehr sehen
lassen können.
Sich am liebsten
verkriechen, in den Boden versinken.
„Schande“
Nichts gelten, kein
Ansehen haben, ausgegrenzt werden.
„Schande“
sich wertlos fühlen,
verachtet sein.
„Schande“
Vielleicht sogar
verspottet, verhöhnt, verlacht werden.
In vielen Kulturen dieser
Welt, auch im alten Orient, wissen kinderlose unfruchtbare oder als
unfruchtbar geltende Frauen sehr gut, was Schande ist. Und sie wissen es
nicht nur im Kopf, sie spüren es in ihrem Herzen, sie erfahren es am
eigenen Leib.
Auch heute, hier bei uns,
gibt es viele Paare, die ungewollt kinderlos sind. 10% sind es in
Deutschland, die sehr gerne Kinder hätten und sich nichts sehnlicher
wünschen, aber keine bekommen können. Sie werden deswegen nicht
unbedingt verachtet, sie sind deswegen keine Schande für ihre Umgebung
oder für die Gesellschaft, aber es ist ein schweres Schicksal und es
nicht leicht, damit fertig zu werden. Wie viel wird versucht, ob es
vielleicht doch noch klappt. Man geht von Pontius bis Pilatus.
Und muss am Ende doch oft
die Realität der Kinderlosigkeit, so schmerzlich sie ist, akzeptieren.
Die namenlose Frau des
Manoach in der Lesung aus dem Buch der Richter und Elisabeth, die Frau
des Zacharias, im Evangelium sind beide unfruchtbar. Elisabeth ist
außerdem noch – so heißt es – in „fortgeschrittenem Alter“, das
heißt. weit darüber hinaus, wo eine Frau überhaupt noch ein Kind
bekommen kann.
Und doch geschieht das
Wunderbare: Beide werden schwanger. Beide haben gar nicht mehr damit
gerechnet. Beide hatten sich schon in ihr Schicksal ergeben und sich mit
der „Schande“ der Kinderlosigkeit abgefunden.
Beide bringen ein Kind
zur Welt – unerwartet, unerklärlich – pures Geschenk oder – wie der
Glaube sagt – reine Gnade.
„Kinder sind“
ohnehin, wie es in einem Psalm heißt, „eine
Gabe des Herrn. Die Frucht des Leibes ist sein Geschenk.“
Wie oft werden beide
Ehepaare, sowohl Manoach und seine Frau als auch Zacharias und
Elisabeth, um Nachwuchs gebetet haben. Nichts haben sich ja mehr
ersehnt. Ihre Kinderlosigkeit war ja ihr großes Unglück.
„Dein Gebet ist erhört
worden“,
sagt der Engel Gabriel bei der Verkündigung der Geburt Johannes des
Täufers zu Zacharias bei dessen Dienst im Tempel.
Auch wir beten manchmal
inständig zu Gott, dass er uns dieses oder jenes Anliegen, das uns
wichtig und dringlich erscheint, erfülle. – Aber wie oft erleben wir
auch, dass Gott unsere Bitten nicht erhört. Nichts tut sich. Gott
scheint uns nicht zu hören.
Dann aber, wenn wir gar
nicht mehr damit rechnen, hört und erhört er uns doch. Vielleicht nicht
immer so, wie wir es uns vorstellen und ausdenken.
Vertrauen in die Güte
Gottes und Ausdauer im Gebet sind gefragt.
Gott hört und erhört
jedes inständige Bitten, allerdings nicht immer so, wie wir es uns
wünschen und vorstellen. Gott sieht weiter. Er weiß, was für uns gut
ist. Gott hat immer unser Heil im Blick.
Wir Menschen sind dagegen
häufig punktuell auf die Erfüllung unserer Bitten fixiert. Gott aber hat
Mittel und Wege, die wir nicht kennen. Und er hat Möglichkeiten, wo wir
keine mehr sehen.
„Für Gott ist nichts
unmöglich.“
Noch etwas fällt auf bei
der Lesung und beim Evangelium des heutigen Tages:
Beide Söhne, sowohl
derjenige von Manoach und seiner Frau, nämlich Simson, als auch der Sohn
von Zacharias und Elisabeth, Johannes der Täufer, sind berufen von Gott,
beide sind von Gottes Geist erfüllt. Gott hat mit ihnen etwas vor. Er
hat einen Auftrag für sie. Und er nimmt sie in seinen Dienst.
Von Simson wird gesagt,
dass er ein Retter sein wird, einer, der das Gottesvolk aus der Gewalt
der Feinde befreien wird.
Von Johannes dem Täufer
sagt der Engel, dass er viele Israeliten zum Herrn, ihrem Gott, bekehren
wird.
Übrigens, Johannes der
Täufer und sein Vater Zacharias sind in unserer Kirche (Wallfahrtskirche
in Zell a.H.) dargestellt. Zacharias steht links an der Kirchenwand
neben der Kanzel und ihm gegenüber, an der rechten Seite, sein Sohn,
Johannes der Täufer.
Zacharias tut sich schwer
mit der Botschaft des Engels. Er ist skeptisch. Er will und kann nicht
glauben. Und er fordert ein Zeichen, sozusagen einen Beweis.
Und tatsächlich, es wird
ihm ein Zeichen gegeben, allerdings ganz anders als er es sich gedacht
hat.
Er wird nämlich stumm. Er
verstummt. Es verschlägt ihm die Sprache.
Und er bleibt stumm bis
sich die Botschaft des Engels erfüllt, bis Johannes der Täufer geboren
wird.
Erst bei der Beschneidung
bzw. Namensgebung des Kindes bekommt er seine Sprache wieder. Dann redet
er und preist Gott.
Die Geburt seines Sohnes
wird für ihn, Elisabeth und viele andere Verwandte und Nachbarn zu einem
Grund der Freude.
Zacharias, der seine
Sprache wieder gefunden hat, stimmt den Lobgesang an, der nach ihm
benannt ist, den Lobgesang des Zacharias, das Benedictus, das einer der
Angel- und Höhepunkte im Stundengebet der Kirche ist.
Johannes, den Täufer,
sehen wir in unserer Kirche dargestellt mit dem Lamm auf seinem Arm. Er
wird dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten. Er wird Zeugnis
ablegen für Jesus Christus und hinweisen auf ihn, der als das Lamm
Gottes, die Sünde der Welt hinwegnimmt.
„Johannes“
heiß auf Deutsch: „Gott erbarmt sich“ oder
„Gott ist gnädig“.
Die Verkündigung der
Geburt des Simson in der Lesung und die Verkündigung der Geburt Johannes
der Täufer im Evangelium – kurz vor Weihnachten – sind gleichsam
Präludien. Sie lassen in unseren Ohren eine andere biblische Geschichte
anklingen, die Geschichte einer ebenfalls wunderbaren Schwangerschaft
und einer rettenden Geburt, die wir in wenigen Tagen an Weihnachten
feiern.
„Durch die barmherzige
Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der
Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des
Todes und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.“