Evangelium
Bist du der, der kommen
soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?
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Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit
2hörte
Johannes im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine
Jünger zu ihm
3und
ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen
anderen warten?
4Jesus
antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:
5Blinde
sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören;
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.
6Selig
ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
„Bist du es, der da
kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ so lässt
Johannes aus dem Gefängnis heraus Jesus anfragen.
Liebe Schwestern und
Brüder,
ist das nicht eine
seltsame Frage aus dem Mund Johannes des Täufers? Er kennt Jesus doch.
Er ist mit ihm verwandt. Er hat Jesus im Jordan getauft und auf ihn
hingewiesen als das Lamm Gottes, das Sünde der ganzen Welt hinwegnimmt.
Und nun eine solche Frage!
– Was ist passiert, dass Johannes Jesus auf einmal so in Frage stellt?
Nun, Johannes ist wohl in
eine tiefe Glaubenskrise hineingeraten. Er weiß tatsächlich nicht mehr,
ob Jesus „der Richtige“ ist, ob dieser Jesus, wirklich der ist, der da
kommen soll, um Israel zu retten. Denn was Johannes da in seinem
Gefängnis über Jesus hört, das ist so ganz anders als er es sich
vorgestellt hat.
Liebe Schwestern und
Brüder,
vielleicht erinnern Sie
sich an die Predigt des Johannes, die wir am vergangenen Sonntag gehört
haben. – Da hat Johannes den Menschen gedroht: Alles, was nicht gerade
wächst und keine Frucht bringt, wird umgehauen; alles Spreu, alles, was
nichts taugt, wird im ewigen Feuer verbrannt. Wer sich nicht anstrengt,
nicht sichtbar umkehrt, ist verloren.
Und dann kommt Jesus, der,
auf den er hingewiesen hat – und bei ihm klingt das so ganz anders.
Wo Johannes den Tag des
Zornes angekündigt hat, da verkündet Jesus auf einmal ein Gnadenjahr des
Herrn.
Wo Johannes sichtbare
Werke der Buße und der Umkehr gefordert hat, da heilt Jesus Kranke und
befreit Menschen von ihren dämonischen Abhängigkeiten, ohne dass sie
auch nur irgendetwas dafür getan hätten.
Und wo Johannes den
Menschen „die Hölle heiß gemacht“ hat, wo er mit nie verlöschendem Feuer
gedroht hat, in dem alles verbrannt wird, was keine gute Frucht zeigt –
da tröstet Jesus, richtet auf, heilt und befreit und kündigt das Reich
Gottes an.
Keine Drohbotschaft
mehr, sondern eine Frohbotschaft – Evangelium.
Genau das verunsichert
Johannes. Denn er ist überzeugt davon: Gott lässt nicht mit sich spaßen.
Gott fordert. – Und das, was Jesus da tut und verkündigt, das ist zu
wenig fordernd.
Verlangt Gott nicht viel
mehr? Müssten die Menschen nicht mehr tun, mehr „bringen“, mehr
„leisten“? Geht das wirklich so einfach mit dem Heil?
Und so muss er seine Frage
stellen: Bist du es jetzt – oder müssen wir auf einen anderen warten?
Die Antwort Jesu
ist sicher auch anders als Johannes es erwartet hat: Keine
Rechtfertigung und keine theologische Diskussion, sondern nur der
Hinweis auf die neue Wirklichkeit, die dort sichtbar und spürbar wird,
wo Jesus mit den Menschen in Berührung kommt:
„Blinde sehen wieder,
Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und
den Armen wird das Evangelium verkündet. – Selig ist, wer an mir
keinen Anstoß nimmt!“
Selig, wer keinen Anstoß
daran nimmt, dass Gott ganz anders ist und so ganz anders
zu uns kommt, als wir Menschen uns da so vorstellen und oft so gerne
hätten.
Liebe Schwestern und
Brüder,
fragen wir uns heute
einmal: Wo ist unser Platz in dieser Geschichte? – Kommen wir mit diesem
so „anderen“ Jesus zurecht, ohne Anstoß daran zu nehmen? – Oder sind wir
da näher bei Johannes? In einem Gefängnis – gefangen in unseren
Gottesvorstellungen?
Mal ehrlich: Haben
wir nicht auch oft genug noch diesen Gott im Hinterkopf, de streng ist
und vor dem man Angst haben muss? Diesen Gott, der genau registriert,
was man alles falsch gemacht habt und der uns am Ende dafür zur
Rechenschaft ziehen wird? – Einen Gott, dem es nie genug ist, was wir
tun, sondern der immer noch mehr von uns verlangt: Noch mehr Gebet, noch
mehr gute Werke, noch mehr Opfer, noch mehr Leistungen …
Und warten wir nicht auch
manchmal auf einen Gott, der endlich mal dreinschlägt und der wieder
Ordnung schafft auf dieser Welt mit all ihrer Boshaftigkeit und ihren
Kriegen? – Und dann passiert aber nichts. Wir sind keine Marionetten in
seiner Hand. Er lässt uns die Freiheit. Und vor allem: Gott ist
geduldig.
Wir wollen Vergeltung und
Rache, heimzahlen und abrechnen, wo ein anderer uns mal was Böses getan
hat – und Gott ist barmherzig, gnädig, voll Liebe. Können wir das
aushalten? Oder nehmen wir Anstoß daran?
Ja, Gott ist in der Tat
ganz anders als wir denken, ganz anders als wir uns vorstellen.
Der evangelische
Theologe Dietrich Bonhoeffer hat einmal geschrieben:
„Wo die Menschen sagen
„verloren“ – da sagt er „gefunden“;
wo die Menschen sagen
„gerichtet“ – da sagt er „gerettet“;
wo die Menschen „nein“
sagen – da sagt er „ja“.
Wo die Menschen ihre
Blicke gleichgültig oder hochmütig wegwenden, da ist sein Blick von
einer Glut der Liebe wie nirgends sonst.“
Aber selig, wer daran
keinen Anstoß nimmt. – Ja, selig, wenn auch wir keinen Anstoß daran
nehmen, dass Gott - oft genug - so ganz anders auch in unser Leben
hineinkommt und uns so ganz anders begegnet als wir es uns vorgestallt
und gedacht haben.
Denn wir dürfen sicher
sein: Wenn er kommt, dann immer voller Liebe – und immer zu unserem
Heil.
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