Seit anderthalb Jahren wird der
ganze Straßenverkehr, der durch das Harmersbachtal geht, talauf, talab, – direkt
an der Wallfahrtskirche und am Kapuzinerkloster vorbei – umgeleitet.
Warum? Weil die mehr als zwei
Kilometer lange Hauptstraße durch Unterharmersbach samt einigen Brücken neu
gemacht wird. Eine Riesenbaustelle! Das größte innerörtliche Straßenbauprojekt
in Baden-Württemberg!
So ein Straßenbau
ist trotz der Maschinen, die im Einsatz sind, sehr mühsam, langwierig und
natürlich auch kostspielig. Schon im Vorfeld wurden eine Reihe Häuser
abgerissen, Umleitungsstraßen erweitert, Behelfsbrücken gebaut. Dann wurde die
alte Straße aufgerissen. Es wurde gebaggert, gebuddelt und gegraben. Es gab viel
Dreck und Lärm. Und was da alles hineinkommt: Wasserleitungen, Gasrohre,
Telefonkabel…
Ja, so ein Straßenbau, der kostet
was, braucht Zeit und verlangt auch von den Anwohnern gute Nerven und viel
Geduld. Dafür dürfen sie sich nachher umso mehr freuen, wenn sie eine ganz neue
Straße haben, schön, gerade und eben, ohne Schlaglöcher, Pfützen und andere
Hindernisse.
Dieser Straßenbau
vor der eigenen Haustür ist mir in den Sinn gekommen, als ich das heutige
Evangelium las. Denn auch Johannes der Täufer gebraucht das Bild vom Straßenbau.
Und vor ihm schon der Prophet Jesaja (40, 3 - 4). Der eine sagt: „Bahnt den
Weg des Herrn!“ Der andere: „Bereitet dem Herrn den
Weg!“
Das ist eine Grundbotschaft
des Advents.
Wir hören sie jedes Jahr neu. Aber wie kann das gehen? Was könnte damit gemeint
sein? Und was könnte das für uns heute bedeuten?
Jesaja und Johannes gebrauchen
eindrucksvolle Bilder, die uns weiterhelfen und die Richtung zeigen können:
Füllt Schluchten aus! Tragt Berge ab und macht das Krumme gerade!
Liebe Mitchristen!
Verweilen wir ein wenig bei diesen Bildern und lassen wir uns davon zur
Besinnung anregen.
SCHLUCHTEN AUSFÜLLEN
Unsere Zeit hält viele Abgründe
bereit, in die wir stürzen können.
Da ist z. B. die Hetze.
Sie hat einen gefräßigen Rachen. Sie droht uns zu verschlingen. Sie lässt uns
nicht mehr zu uns selber kommen.
Bei Exerzitienkursen oder
Besinnungswochenenden mache ich die Erfahrung, dass es gar nicht so leicht ist,
abzuschalten, „herunterzukommen“, ruhig zu werden und still zu sein. Und doch
tut es gut und es gibt eine große Sehnsucht danach.
Es ist gar nicht leicht, einmal
ein paar Tage ohne Internet, ohne Fernsehen, Illustrierte, Radio, Handy oder
Smartphone auszukommen. Und doch tut es gut, einmal Distanz zu haben zu all dem,
was sich sonst so wichtig gebärdet, was uns jagt und gefangen nimmt. Es tut gut,
einmal aus der Überflutung mit Reizen auszubrechen, das pausenlose Konsumieren
vielfältiger Zerstreuungen zu lassen und sich auf das Wesentliche zu besinnen.
Ein Abgrund unserer Zeit ist die
wahnsinnige Hetze. Wir dürfen uns nicht auffressen lassen. Gerade im Advent, wo
so vieles zu tun und zu erledigen ist, wo so viele Menschen hasten und eilen,
gerade da braucht es Entschiedenheit und Mut, jeden Tag wenigsten für ein paar
Minuten auszusteigen aus der ruhelosen Betriebsamkeit, innezuhalten, still zu
werden, bei sich selbst einzukehren und in SEINER Gegenwart zu verweilen, um so
den inneren Frieden wieder zu finden und neue Kraft zu schöpfen.
Was für Abgründe gib es
noch in unserem, in meinem Leben? Welche „Schluchten“ können wir noch
ausfüllen, welche Gräben zuschütten?
Vielleicht die Schlucht der
Unversöhntheit und des Unfriedens? Die Schlucht der Rachegefühle und
Hassgedanken? Oder die Gräben der Engherzigkeit und der Intoleranz, die Gräben
uralter Vorurteile.
Hier ist Raum, liebe Schwestern
und Brüder, um bei sich selbst zu schauen und zu suchen…. Und dann zu beginnen –
in der Vorbereitung auf Weihnachten, im Blick auf SEIN Kommen – die eine oder
andere Schlucht auszufüllen bzw. den einen oder anderen Graben zuzuschütten.
BERGE ABTRAGEN
Ein „Berg“, der sich heute vor
vielen Menschen aufbaut ist die immense Arbeitslast und ein enormer
Leistungsdruck. Immer schneller, immer mehr. Sodann dauernde Veränderungen,
Umstrukturierungen... Ständig kommt etwas Neues. Das Gefühl der Überforderung
macht sich breit. Und in seinem Gefolge Stress, Burnout und ähnliche Symptome.
Kann es aber vielleicht auch
sein, dass ich unangenehme Aufgaben vor mir herschiebe, statt sie sofort
anzupacken. Oder will ich selbst immer „Spitze“ sein? Habe ich zu große
Erwartungen an mich selbst? Setze ich mich selbst unter Druck? Bin ich
übertrieben ehrgeizig und zu perfektionistisch?
Was kann sich noch – wie ein Berg
– vor mir auftürmen, den es abzutragen gilt? Möglicherweise Konflikte, die immer
weiter anwachsen, wenn ich sie stehen lasse, statt sie zu bereinigen. Vielleicht
auch der Berg des Misstrauens, der Hartherzigkeit, der Gnadenlosigkeit?
Ob nicht die Tage und Wochen
Weihnachten entgegen, eine gute Zeit sein könnten, zu versuchen und zu beginnen,
den einen oder anderen „Berg“ abzubauen, damit mein Leben freier und offener
wird und Gott bei mir ankommen kann?
Ich denke, wir machen den Weg
gerade auch dann frei für Gott, wenn wir Wege wieder zueinander finden, wenn wir
versuchen wegzuräumen, was dazwischen steht, was Beziehungen lähmt und
Gemeinschaft hemmt und blockiert.
DAS KRUMME BEGRADIGEN
Was für ein Typ bin ich? Ehrlich,
wahrhaftig und geradlinig? Oder eher verschlagen und hinterhältig? Drehe ich
mich und wende mich? Mache ich anderen gerne etwas vor oder lüge mir selber in
die Tasche? Laufe ich mit einer Maske umher? Ist bei mir vieles Fassade? Liebe
ich manchmal vielleicht auch die „krummen Touren“, agiere „hintenherum“, benutze
Schleichwege und begebe mich auf Abwege? Bin ich gern missgünstig, neidisch oder
schadenfroh?
Das Krumme begradigen
kann in der Vorbereitungszeit auf Weihnachten darin bestehen, mich zu bemühen,
aufrecht zu sein, ehrlich zu anderen und zu mir selbst und den geraden Weg zu
gehen, damit ER zu mir finden und bei mir Wohnung nehmen kann?
„Bereitet dem Herrn den
Weg! Ebnet ihm die Straßen!“
Was Johannes der Täufer den
Menschen damals zugerufen hat, das gilt bis heute und es gilt für jeden von uns.
Ist der Advent nicht genau die
Zeit, in der das dran ist: Gräben zuschütten, Schluchten ausfüllen, Berge
abtragen und Krummes begradigen? Von seinem Ursprung her ist der Advent ja eine
Zeit des Umsinnens, des Umdenkens und der Umkehr.
Die Frage ist:
Bin ich bereit, Hindernisse, die SEINEM Kommen im Weg stehen, auszuräumen,
„Schluchten“ auszufüllen, „Berge“ abzutragen und was „krumm“ ist, zu begradigen?
Vielleicht kann mein Bemühen
darum auch einmünden in die Mitfeier einer Bußandacht in dieser Zeit vor
Weihnachten oder sogar in eine gute Beichte und damit in die Gnade der Vergebung
durch Gott und das Geschenk eines neuen Anfangs?
Vergessen wir nicht:
Mit dem Auftrag, der Ankunft Gottes den Weg zu bereiten, ist bei Johannes dem
Täufer auch die Verheißung verbunden: „Und alle Menschen werden das Heil
sehen, das von Gott kommt.“ – Im Kind von Betlehem hat dieses Heil für uns
einen Namen bekommen.