geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Jesus – ganz anders

3. Adventssonntag im Lesejahr A; Mt 11, 2 - 6

 

Evangelium

Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus

In jener Zeit

2hörte Johannes im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm

3und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?

4Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:

5Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.

6Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.

 

 

„Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ so lässt Johannes aus dem Gefängnis heraus Jesus anfragen.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

ist das nicht eine seltsame Frage aus dem Mund Johannes des Täufers? Er kennt Jesus doch. Er ist mit ihm verwandt. Er hat Jesus im Jordan getauft und auf ihn hingewiesen als das Lamm Gottes, das Sünde der ganzen Welt hinwegnimmt.

 

Und nun eine solche Frage! – Was ist passiert, dass Johannes Jesus auf einmal so in Frage stellt?

 

Nun, Johannes ist wohl in eine tiefe Glaubenskrise hineingeraten. Er weiß tatsächlich nicht mehr, ob Jesus „der Richtige“ ist, ob dieser Jesus, wirklich der ist, der da kommen soll, um Israel zu retten. Denn was Johannes da in seinem Gefängnis über Jesus hört, das ist so ganz anders als er es sich vorgestellt hat.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht erinnern Sie sich an die Predigt des Johannes, die wir am vergangenen Sonntag gehört haben. – Da hat Johannes den Menschen gedroht: Alles, was nicht gerade wächst und keine Frucht bringt, wird umgehauen; alles Spreu, alles, was nichts taugt, wird im ewigen Feuer verbrannt. Wer sich nicht anstrengt, nicht sichtbar umkehrt, ist verloren.

 

Und dann kommt Jesus, der, auf den er hingewiesen hat – und bei ihm klingt das so ganz anders.

 

Wo Johannes den Tag des Zornes angekündigt hat, da verkündet Jesus auf einmal ein Gnadenjahr des Herrn.

 

Wo Johannes sichtbare Werke der Buße und der Umkehr gefordert hat, da heilt Jesus Kranke und befreit Menschen von ihren dämonischen Abhängigkeiten, ohne dass sie auch nur irgendetwas dafür getan hätten.

 

Und wo Johannes den Menschen „die Hölle heiß gemacht“ hat, wo er mit nie verlöschendem Feuer gedroht hat, in dem alles verbrannt wird, was keine gute Frucht zeigt – da tröstet Jesus, richtet auf, heilt und befreit und kündigt das Reich Gottes an.

 

Keine Drohbotschaft mehr, sondern eine Frohbotschaft – Evangelium.

 

Genau das verunsichert Johannes. Denn er ist überzeugt davon: Gott lässt nicht mit sich spaßen. Gott fordert. – Und das, was Jesus da tut und verkündigt, das ist zu wenig fordernd.

 

Verlangt Gott nicht viel mehr? Müssten die Menschen nicht mehr tun, mehr „bringen“, mehr „leisten“? Geht das wirklich so einfach mit dem Heil?

 

Und so muss er seine Frage stellen: Bist du es jetzt – oder müssen wir auf einen anderen warten?

 

Die Antwort Jesu ist sicher auch anders als Johannes es erwartet hat: Keine Rechtfertigung und keine theologische Diskussion, sondern nur der Hinweis auf die neue Wirklichkeit, die dort sichtbar und spürbar wird, wo Jesus mit den Menschen in Berührung kommt:

 

„Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. – Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt!“

 

Selig, wer keinen Anstoß daran nimmt, dass Gott ganz anders ist und so ganz anders zu uns kommt, als wir Menschen uns da so vorstellen und oft so gerne hätten.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

fragen wir uns heute einmal: Wo ist unser Platz in dieser Geschichte? – Kommen wir mit diesem so „anderen“ Jesus zurecht, ohne Anstoß daran zu nehmen? – Oder sind wir da näher bei Johannes? In einem Gefängnis – gefangen in unseren Gottesvorstellungen?

 

Mal ehrlich: Haben wir nicht auch oft genug noch diesen Gott im Hinterkopf, de streng ist und vor dem man Angst haben muss? Diesen Gott, der genau registriert, was man alles falsch gemacht habt und der uns am Ende dafür zur Rechenschaft ziehen wird? – Einen Gott, dem es nie genug ist, was wir tun, sondern der immer noch mehr von uns verlangt: Noch mehr Gebet, noch mehr gute Werke, noch mehr Opfer, noch mehr Leistungen …

 

Und warten wir nicht auch manchmal auf einen Gott, der endlich mal dreinschlägt und der wieder Ordnung schafft auf dieser Welt mit all ihrer Boshaftigkeit und ihren Kriegen? – Und dann passiert aber nichts. Wir sind keine Marionetten in seiner Hand. Er lässt uns die Freiheit. Und vor allem: Gott ist geduldig.

 

Wir wollen Vergeltung und Rache, heimzahlen und abrechnen, wo ein anderer uns mal was Böses getan hat – und Gott ist barmherzig, gnädig, voll Liebe. Können wir das aushalten? Oder nehmen wir Anstoß daran?

 

Ja, Gott ist in der Tat ganz anders als wir denken, ganz anders als wir uns vorstellen.

 

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat einmal geschrieben:

„Wo die Menschen sagen „verloren“ – da sagt er „gefunden“;

wo die Menschen sagen „gerichtet“ – da sagt er „gerettet“;

wo die Menschen „nein“ sagen – da sagt er „ja“.

Wo die Menschen ihre Blicke gleichgültig oder hochmütig wegwenden, da ist sein Blick von einer Glut der Liebe wie nirgends sonst.“

 

Aber selig, wer daran keinen Anstoß nimmt. – Ja, selig, wenn auch wir keinen Anstoß daran nehmen, dass Gott - oft genug - so ganz anders auch in unser Leben hineinkommt und uns so ganz anders begegnet als wir es uns vorgestallt und gedacht haben.

 

Denn wir dürfen sicher sein: Wenn er kommt, dann immer voller Liebe – und immer zu unserem Heil.