„Da sind sie wieder,
diese besonderen Wochen, die den wunderbaren Duft von Zimt und Vanille
verströmen, die alles in warmes Kerzenlicht hüllen, die uns jedes Jahr
wieder zu Herzen gehen, diese Wochen, die eigentlich so kalt und dunkel
sind, und sich doch viel wärmer anfühlen und heller strahlen als alle
anderen“,
so stand es dieser Tage in einer Fernsehzeitschrift.
Über der Adventszeit
liegt ein eigenartiger Glanz. Mehr als jede andere Zeit im Kirchenjahr
spricht diese Zeit unsere Sinne an.
Die langen Abende bei
Kerzenschein, traute Lieder und duftendes Gebäck, all das löst einen
gefühlvollen Zauber aus. Leise steigt stille Freude auf und rührt an
unser Herz.
Andererseits erleben wir
in unserer säkularen Gesellschaft, dass viele Menschen mit dem Advent
kaum mehr etwas anfangen können.
Für viele Menschen gibt
es nur die Weihnachtszeit. Und die beginnt, wenn die Schaufenster voll
sind mit Geschenkvorschlägen, wenn Weihnachtsmusik die Geschäfte
erfüllt, wenn die Einkaufsstraßen in ein Meer von Lichtern getaucht
sind, wenn Weihnachtsmärkte die Innenstädte beherrschen und Vereine und
Betriebe ihre „Weihnachtsfeiern“ abhalten.
Dass die Weihnachtszeit
am 25. Dezember beginnt und über Dreikönig hinaus bis zum Fest der Taufe
Jesu dauert, früher sogar bis zum 2. Februar, das weiß kaum jemand und
darum kümmert sich auch kaum jemand. Es interessiert niemanden und
spielt keine Rolle.
Für die meisten beginnt
die Weihnachtszeit lange vor dem Advent und endet am zweiten
Weihnachtstag, wenn der Weihnachtsbaum abgebaut wird und die
Geschäftswelt auf Neujahr und Fastnacht umstellt.
Eine weitere
Schwierigkeit stellt sich uns mit dem beginnenden Advent, ein Dilemma,
das jedes Jahr größer zu werden scheint und nur schwer aufzulösen ist.
Zum einen soll diese Zeit
nämlich eine stille und besinnliche Zeit sein. Zum anderen jedoch gibt
es kaum eine Zeitspanne, die so betriebsam, so laut und hektisch ist,
wie diese Wochen.
Soviel muss in so kurzer
Zeit getan und erledigt werden.
Jedes Jahr neu ein
Spagat, der kaum zu schaffen ist.
Was sagen uns die
liturgischen Texte vom 1. Adventssonntag? Können sie uns eine Hilfe
sein? In welche Richtung gehen sie?
Das Evangelium bietet
wenig Gemütvolles.
Keine beschauliche
Einstimmung auf Weihnachten.
Kein wohliges
Sich-Einigeln im trauten Heim.
Nichts von Kerzenschein,
Tannengrün oder Plätzchenduft.
Kein Hinweis auf
Vorfreude und stille Erwartung.
Das Evangelium zum ersten
Adventssonntag durchkreuzt alle Wünsche und Erwartungen, die wir
gemeinhin an die Adventszeit haben. Statt Weihnachtsstimmung –
Weltuntergangsstimmung.
Da ist von kosmischen
Katastrophen die Rede, von Angst und Schrecken und menschlicher
Ratlosigkeit.
Aber flimmern bedrohliche
Bilder nicht jeden Tag über unsere Mattscheiben? Hören wir nicht jeden
Tag in den Nachrichten Erschütterndes und Bestürzendes:
Flugzeugabschüsse und -abstürze, Kriegsgefahren, Flüchtlingsströme,
Hungersnöte, Terroranschläge, Klimakatastrophen usw.
Viel näher und
existentieller sind uns persönliche Katastrophen, Erschütterungen in
unserem eigenen Leben.
Wie oft geht da eine Welt
unter. Wir vergehen vor Angst. Plötzlich trägt nichts mehr. Alles bricht
zusammen. Wir fühlen uns ohnmächtig, ausgeliefert. Wir sind geschockt
und ratlos.
Da geht eine
Partnerschaft in die Brüche, trotz langen Ringens.
Da geht plötzlich ein
Arbeitsplatz verloren und mit ihm die Existenzgrundlage.
Da schlägt eine schwere
Krankheit zu und taucht alle Lebensperspektiven in ein angstvolles
Dunkel.
Da wird uns ein Mensch
jäh durch den Tod entrissen, mit dem wir gerade noch geredet und gelacht
haben.
Es gibt Situationen, wo
wir das Gefühl haben, der Himmel stürzt ein, die Wogen schlagen über uns
zusammen oder es zieht uns den Boden unter den Füßen weg.
In solchen Situationen
kann und darf sich auch dem gläubigen Menschen die Frage quälend auf die
Seele legen: Wo ist Gott? Wie kann er so viel Chaos und Zerstörung,
Angst und Leid zulassen, wenn er ein Freund des Lebens ist, wenn er
nicht Untergang und Verderben will, sondern Rettung und Heil?
Und dennoch und trotz all
dem ist das Evangelium vom ersten Adventsonntag nicht Drohbotschaft,
sondern Frohe Botschaft, Hoffnungsbotschaft. Sie ermuntert uns, den Kopf
nicht hängen zu lassen, sondern uns aufzurichten. Der Grund: Unsere
Erlösung ist nahe.
Gerade den Verzweifelten
und vom Leben Gebeutelten gilt der Ruf: „Richtet euch auf und erhebt
euer Haupt!“
Schaut und merkt, wie
Gott mitten in eurer Ausweglosigkeit und Verzweiflung am Kommen ist, wie
er gegenwärtig ist.
Mit Jesus, dem
Menschensohn, kommt Gott selbst bei uns an, mitten hinein in unsere
Angst vor Krieg und Gewalt, vor der Zerstörung der Erde, unsere Angst um
die Zukunft, und unsere Angst vor Krankheit und Tod.
Advent, das sagt uns das
Evangelium heute, ist nicht ein Zudecken unserer Ratlosigkeit mit
sentimentalen Gefühlen und Erinnerungen. Christi Ankunft und seine
Wiederkunft fordern uns vielmehr heraus, wachsam zu sein für das, was
uns und diese Welt erschüttert, um genau dort, wo wir uns nichts
vormachen, IHN glaubend und vertrauend mit seiner erlösenden Macht zu
erwarten.
Advent, das ist die Zeit,
die uns helfen soll, wieder aufmerksam zu werden auf unser Leben und auf
Gott in unserem Leben.
Wer mit IHM rechnet, mit
seinem Kommen in unsere Welt, so wie sie ist, in unsere Welt der
zerschlagenen Hoffnungen, der zerbrochenen Beziehungen, der geplatzten
Lebensträume, Sinnkrisen, Krankheit oder drohender Arbeitslosigkeit, wer
in diese und ähnliche Situation hinein mit dem Kommen Gottes rechnet,
wer Hoffnung und Heil von ihm erwartet, der braucht sich nicht zu
ducken, der braucht nicht zu buckeln, der braucht nicht niedergedrückt
zu sein, der braucht sich nicht zu fürchten. Er kann sich aufrichten, er
kann sein Haupt erheben, er kann Mut haben und Hoffnung, denn er weiß,
auch wenn alles drunter und drüber geht, wenn Welten einzustürzen
scheinen: Erlösung ist nahe, Christ, der Retter ist da.
Das kleine Kind in der
Krippe, dessen Geburt wir in vier Wochen feiern, Jesus, der für uns
gelitten hat und am Kreuz gestorben ist, um uns sogar im Dunkel des
Todes nahe zu sein, Christus, der Richter und Retter am Ende der Zeit:
Alle drei künden von Gottes unendlicher Liebe, die vor den Abgründen des
Daseins nicht Halt macht, die uns vielmehr hält und birgt in Not und
Tod, jetzt und am Ende.
Deshalb: Betet und wacht!
Deshalb: „Richtet euch
auf und erhebt euer Haupt“
Deshalb: Glaubt und
vertraut!
Bei IHM ist Zukunft und
Hoffnung.
Bei IHM ist Segen und
Heil.
Bei IHM ist Erlösung in
Fülle.